Künstliche Intelligenz kann ziemlich genau prognostizieren, wie viel Geld ein Kunde im Onlineshop ausgeben und wie viele Käufe er dort tätigen wird. Dies sagt Markus Wübben, CMO von CrossEngage, im Interview. Ein Gespräch über KI-gestützte Prognosemodelle, Value-for-Data-Management und die Frage, ob Marketers jetzt Data Science-Kenntnisse benötigen.
Markus, einer Deiner Thesen lautet: Mehr Wert auf Bestandskunden legen als auf Neukundenakquise. Warum?
Markus Wübben: Ich würde mir erlauben, die These etwas umzuformulieren, denn natürlich benötigt jedes Business auch eine effiziente Neukundenakquise-Strategie. Was ich jedoch mit der Aussage meine, ist, dass es sich Unternehmen in den vergangenen Jahren zu einfach gemacht haben, ihre Kund:innen zum Kauf und gerade auch zum Wiederkauf zu bewegen. Viele Unternehmen haben ihre Kund:innen nämlich jedes Mal erneut und teuer bei den großen Plattformen wie Meta, Amazon, Google und jetzt vermehrt auch TikTok "eingekauft". Das ging in den vergangenen zehn bis 15 Jahren zwar gut, doch hat die weitere Konzentration auf den Online-Handel und damit auch auf Online-Werbung die Situation maßgeblich verschärft. Mit anderen Worten: Der Preis für das Einkaufen von Kund:innen auf den großen Plattformen ist so in die Höhe geschossen, dass der daraus resultierende Cost-per-Order die Marge zunehmend auffrisst. Daher ist meine These, dass Unternehmen auf Basis ihrer First-Party-Daten eine effektive und differenziere Bestandskundenstrategie implementieren müssen, um auch in Zukunft noch profitabel operieren zu können.
Aber sind nicht auch große Marken erst so richtig groß geworden, weil sie den Kreis ihrer Neukunden kontinuierlich erweitert haben?
Wübben: Korrekt. Aber die Luft wird dünner, denn es geht in diesen Zeiten nicht mehr nur um Wachstum um jeden Preis, sondern vermehrt um Profitabilität. Das sehen wir doch sehr deutlich an den Börsen derzeit. Hätten einige Unternehmen schon früher begonnen, wertbasiertes Bestandskundenmanagement umzusetzen, wären vielleicht einige Entlassungswellen schmaler ausgefallen. Hier möchte ich insbesondere auf einen Artikel des Wall Street Journals vom 22.04.2022 verweisen. In dem wurde deutlich gezeigt: Je größer der Anteil der Online-Verkäufe bei US-Händlern über die Jahre wurde, desto geringer wurde die EBITDA Marge. Der Grund dafür sind die erwähnten Werbekosten.
Die meisten Unternehmen konzentrieren sich in ihrem CRM auf Recommendations und Loyalty-Programme. Ist das zu kurz gegriffen?
Wübben: Ja! Das "R" in CRM steht ja für "Relationship" und nicht für "Recommendation". Das sollten wir nicht vergessen! Im CRM geht es darum, Wechselkosten aufzubauen und im Consideration Set zu bleiben. Die Wechselkosten können entweder transaktionaler, finanzieller oder relationaler Natur sein. Loyalty-Programme zahlen auf die finanziellen Wechselkosten ein. Ich weiß selber noch, wie ich meinen AirBerlin-Meilen hinterher geweint habe. Das war ein großer Verlust. Allerdings fällt vielen Unternehmen noch nicht so viel ein, wie sie wirklich relationale Wechselkosten aufbauen können. Mit anderen Worten: Sie haben oft selber keine Idee, warum Kund:innen einen Beziehung zu ihnen aufbauen und wieder bei ihnen kaufen sollten, außer dass sie "gute" Recommendations im Newsletter einbinden. Das ist sehr dünn und hier können Unternehmen viel machen.
Welches sollten die zentralen Fragen beim Bestandskundenmarketing sein?
Wübben: Die vielleicht wichtigste und fundamentalste Frage ist: Wie kann ich als Unternehmen meinen Kund:innen einen echten Mehrwert liefern? Nutzer:innen wissen nämlich mittlerweile sehr genau, wie wertvoll ihre Daten sind und stellen zurecht Ansprüche. Im Sinne von: „Liebe Marke, wenn du meine Daten willst, dann will ich vorher wissen, ob ich Euch vertrauen kann und was ich davon habe.” Ich nenne dieses Verhältnis die „Value-for-Data-Relationship“, die viele Advertiser und Marken leider noch nicht verstanden haben. Diese Mechanik müssen Unternehmen dringend verstehen und anerkennen, um werthaltige Beziehungen mit ihren Kund:innen aufzubauen und so treue Stammkund:innen zu gewinnen. Eine weitere relevante Frage, die sich alle Unternehmen beim Bestandskundenmarketing stellen müssen: Wie wertvoll ist der Kunde beziehungsweise die Kundin in der Zukunft? Wir nennen das den Customer Lifetime Value (CLV), der von zentraler Bedeutung ist. Wenn ein Unternehmen diesen Wert nicht ermittelt, wie soll es dann wissen, ob es sich lohnt, Geld zu investieren, um einen bestimmten Kunden zum Wiederholungskauf zu animieren?
Welche Rolle kann vor diesem Hintergrund Künstliche Intelligenz spielen?
Wübben: Eine Frage, auf die ich bereits seit Jahren Antworten suche – und die ich mir nicht zuletzt vor dem Merger meiner mitgegründeten Firma CrossEngage mit GPredictive gestellt habe: Denn wenn man Kundenverhalten vorhersagen möchte, ist Künstliche Intelligenz außerordentlich hilfreich. Für uns bedeutet das ganz konkret, dass wir mit unserer durch den Merger geschaffenen Customer-Data- und Prediction-Plattform vollautomatisch Hunderte von CRM-Prognosemodellen einfach, schnell und präzise erstellen und pflegen können, um Strategie- und Budgetentscheidungen im Marketing zu optimieren. Uns ist besonders wichtig, dass Marketer:innen keine Data-Science-Kenntnisse oder -Teams benötigen, um KI erfolgreich einzusetzen. Darum haben wir viel Liebe in unseren sogenannten No-Code-Model-Builder gesteckt. Dieser führt unsere Kund:innen per Mausklick durch die Erstellung und Verwendung eines KI-Models. Sie können sich daher voll und ganz auf das Businessproblem fokussieren und nicht auf die komplexen technischen Details eines KI-Models. Die resultierenden Prognosen können direkt bei uns in der CDP per Mausklick aktiviert werden.
Wie genau lässt sich damit vorhersagen, welche Käufe ein Kunde als nächstes tätigen wird?
Wübben: Indem man aus den Daten-Mustern der Vergangenheit lernt. Dieses vergangene Kundenverhalten lässt sich nämlich in die Zukunft übertragen und erlaubt häufig präzise Vorhersagen. Etwa, wie viel Geld jemand in einem Online-Shop ausgeben wird, wie viele Käufe er in einem bestimmten Zeitraum abschließen wird oder welche die optimale Coupon-Höhe sein könnte. Die KI erkennt dabei im Hintergrund Muster in den Kund:innendaten und leitet daraus Entscheidungen für die Zukunft ab.
Was lässt sich mit KI sonst noch prognostizieren?
Wübben: Neben den klassischen Kauf- und Wert-Prognosen erlaubt die KI beispielsweise auch eine Vorhersage darüber, ob ein bestimmter Kunde überhaupt via Kommunikation von einer Marke über Angebote informiert werden möchte. Denn wenn nicht, entzieht er frustriert die Kontakteinwilligung ab. Die KI kann sogar sehr präzise vorhersagen, welcher Kommunikationskanal eine positive Reaktion des Kunden hervorrufen wird. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wenn man einen Effekt und grundlegende Einflussfaktoren messen kann, stehen die Chancen für eine treffende Vorhersage gut. Was wir allerdings nicht beobachten können, können wir natürlich auch nur schwerlich prognostizieren.
Über welche Basis an Kundendaten sollte ein Unternehmen verfügen, um Eure Customer-Data- und Prediction-Plattform nutzen zu können?
Wübben: Das sind Daten, die jedes Unternehmen hat: Kundenstammdaten und Transaktionsdaten. Sprich: Wer hat wo was wie und zu welchem Preis gekauft. Das ist die Basis, mit der man anfangen kann. Im besten Fall kommen dann noch Verhaltensdaten hinzu. Also das Surfverhalten zum Beispiel. Nach oben sind da wenig Grenzen gesetzt, aber der Start ist ganz einfach.
Welche Pläne hat CrossEngage in der Schublade, um den Customer LIfetime Value weiter erhöhen zu können?
Wübben: Ich denke, wir haben unsere technischen Hausaufgaben in den vergangenen Jahren sehr ordentlich gemacht. Nun ist es an der Zeit, dass Marken noch mehr die Relevanz des CLVs erkennen und handeln. Wir sehen hier in den vergangenen Monaten einen sehr positiven Trend in diese Richtung und sind aus CrossEngage-Sicht natürlich sehr glücklich darüber. Die übrigen Marken werden es künftig wirtschaftlich schwer haben, wenn sie das Thema weiter stiefmütterlich behandeln. Zusätzlich planen wir für die Zukunft noch normativer für Marken zu werden. Wir sehen, dass Marken eine Art Guideline brauchen, wie man mit wertbasiertem, KI-basiertem CRM erfolgreich starten kann. Hierzu investieren wir gerade im Marketing, Sales und Customer Success viel Zeit und Mühe, sehen aber, wie positiv diese Guidelines bei unseren Kunden aufgenommen wird.
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Dr. Markus Wübben ist Co-Gründer von CrossEngage und Spezialist für datengetriebenes Marketing. Als Chief Marketing Officer verantwortet er das Marketing bei CrossEngage. Vor der Gründung von CrossEngage im Jahr 2015 war er als VP Business Development bei Project A Ventures und Director Customer Management bei EPIC Companies tätig. Bei Rocket Internet entwickelte er eine Lösung für Multichannel-Kampagnen, die bei mehr als 70 Unternehmen in 20 Ländern eingesetzt wurde. Markus Wübben ist Diplom-Informatiker, Computer Science der Universität Dortmund, und trägt einen Doktortitel, den er an der Boston College Carroll School of Management und der TU München erworben hat.
Weitere Interviews:
Marco Hochstrasser: KI optimiert Kampagnen
Bettina Klee: KI-Content erzielt überdurchschnittliche Ergebnisse
Oliver Mayer: KI ist wie die Einführung der Elektrizität
Künstliche Intelligenz kann ziemlich genau prognostizieren, wie viel Geld ein Kunde im Onlineshop ausgeben und wie viele Käufe er dort tätigen wird. Dies sagt Markus Wübben, CMO von CrossEngage, im Interview. Ein Gespräch über KI-gestützte Prognosemodelle, Value-for-Data-Management und die Frage, ob Marketers jetzt Data Science-Kenntnisse benötigen.
Markus, einer Deiner Thesen lautet: Mehr Wert auf Bestandskunden legen als auf Neukundenakquise. Warum?
Markus Wübben: Ich würde mir erlauben, die These etwas umzuformulieren, denn natürlich benötigt jedes Business auch eine effiziente Neukundenakquise-Strategie. Was ich jedoch mit der Aussage meine, ist, dass es sich Unternehmen in den vergangenen Jahren zu einfach gemacht haben, ihre Kund:innen zum Kauf und gerade auch zum Wiederkauf zu bewegen. Viele Unternehmen haben ihre Kund:innen nämlich jedes Mal erneut und teuer bei den großen Plattformen wie Meta, Amazon, Google und jetzt vermehrt auch TikTok "eingekauft". Das ging in den vergangenen zehn bis 15 Jahren zwar gut, doch hat die weitere Konzentration auf den Online-Handel und damit auch auf Online-Werbung die Situation maßgeblich verschärft. Mit anderen Worten: Der Preis für das Einkaufen von Kund:innen auf den großen Plattformen ist so in die Höhe geschossen, dass der daraus resultierende Cost-per-Order die Marge zunehmend auffrisst. Daher ist meine These, dass Unternehmen auf Basis ihrer First-Party-Daten eine effektive und differenziere Bestandskundenstrategie implementieren müssen, um auch in Zukunft noch profitabel operieren zu können.
Aber sind nicht auch große Marken erst so richtig groß geworden, weil sie den Kreis ihrer Neukunden kontinuierlich erweitert haben?
Wübben: Korrekt. Aber die Luft wird dünner, denn es geht in diesen Zeiten nicht mehr nur um Wachstum um jeden Preis, sondern vermehrt um Profitabilität. Das sehen wir doch sehr deutlich an den Börsen derzeit. Hätten einige Unternehmen schon früher begonnen, wertbasiertes Bestandskundenmanagement umzusetzen, wären vielleicht einige Entlassungswellen schmaler ausgefallen. Hier möchte ich insbesondere auf einen Artikel des Wall Street Journals vom 22.04.2022 verweisen. In dem wurde deutlich gezeigt: Je größer der Anteil der Online-Verkäufe bei US-Händlern über die Jahre wurde, desto geringer wurde die EBITDA Marge. Der Grund dafür sind die erwähnten Werbekosten.
Die meisten Unternehmen konzentrieren sich in ihrem CRM auf Recommendations und Loyalty-Programme. Ist das zu kurz gegriffen?
Wübben: Ja! Das "R" in CRM steht ja für "Relationship" und nicht für "Recommendation". Das sollten wir nicht vergessen! Im CRM geht es darum, Wechselkosten aufzubauen und im Consideration Set zu bleiben. Die Wechselkosten können entweder transaktionaler, finanzieller oder relationaler Natur sein. Loyalty-Programme zahlen auf die finanziellen Wechselkosten ein. Ich weiß selber noch, wie ich meinen AirBerlin-Meilen hinterher geweint habe. Das war ein großer Verlust. Allerdings fällt vielen Unternehmen noch nicht so viel ein, wie sie wirklich relationale Wechselkosten aufbauen können. Mit anderen Worten: Sie haben oft selber keine Idee, warum Kund:innen einen Beziehung zu ihnen aufbauen und wieder bei ihnen kaufen sollten, außer dass sie "gute" Recommendations im Newsletter einbinden. Das ist sehr dünn und hier können Unternehmen viel machen.
Welches sollten die zentralen Fragen beim Bestandskundenmarketing sein?
Wübben: Die vielleicht wichtigste und fundamentalste Frage ist: Wie kann ich als Unternehmen meinen Kund:innen einen echten Mehrwert liefern? Nutzer:innen wissen nämlich mittlerweile sehr genau, wie wertvoll ihre Daten sind und stellen zurecht Ansprüche. Im Sinne von: „Liebe Marke, wenn du meine Daten willst, dann will ich vorher wissen, ob ich Euch vertrauen kann und was ich davon habe.” Ich nenne dieses Verhältnis die „Value-for-Data-Relationship“, die viele Advertiser und Marken leider noch nicht verstanden haben. Diese Mechanik müssen Unternehmen dringend verstehen und anerkennen, um werthaltige Beziehungen mit ihren Kund:innen aufzubauen und so treue Stammkund:innen zu gewinnen. Eine weitere relevante Frage, die sich alle Unternehmen beim Bestandskundenmarketing stellen müssen: Wie wertvoll ist der Kunde beziehungsweise die Kundin in der Zukunft? Wir nennen das den Customer Lifetime Value (CLV), der von zentraler Bedeutung ist. Wenn ein Unternehmen diesen Wert nicht ermittelt, wie soll es dann wissen, ob es sich lohnt, Geld zu investieren, um einen bestimmten Kunden zum Wiederholungskauf zu animieren?
Welche Rolle kann vor diesem Hintergrund Künstliche Intelligenz spielen?
Wübben: Eine Frage, auf die ich bereits seit Jahren Antworten suche – und die ich mir nicht zuletzt vor dem Merger meiner mitgegründeten Firma CrossEngage mit GPredictive gestellt habe: Denn wenn man Kundenverhalten vorhersagen möchte, ist Künstliche Intelligenz außerordentlich hilfreich. Für uns bedeutet das ganz konkret, dass wir mit unserer durch den Merger geschaffenen Customer-Data- und Prediction-Plattform vollautomatisch Hunderte von CRM-Prognosemodellen einfach, schnell und präzise erstellen und pflegen können, um Strategie- und Budgetentscheidungen im Marketing zu optimieren. Uns ist besonders wichtig, dass Marketer:innen keine Data-Science-Kenntnisse oder -Teams benötigen, um KI erfolgreich einzusetzen. Darum haben wir viel Liebe in unseren sogenannten No-Code-Model-Builder gesteckt. Dieser führt unsere Kund:innen per Mausklick durch die Erstellung und Verwendung eines KI-Models. Sie können sich daher voll und ganz auf das Businessproblem fokussieren und nicht auf die komplexen technischen Details eines KI-Models. Die resultierenden Prognosen können direkt bei uns in der CDP per Mausklick aktiviert werden.
Wie genau lässt sich damit vorhersagen, welche Käufe ein Kunde als nächstes tätigen wird?
Wübben: Indem man aus den Daten-Mustern der Vergangenheit lernt. Dieses vergangene Kundenverhalten lässt sich nämlich in die Zukunft übertragen und erlaubt häufig präzise Vorhersagen. Etwa, wie viel Geld jemand in einem Online-Shop ausgeben wird, wie viele Käufe er in einem bestimmten Zeitraum abschließen wird oder welche die optimale Coupon-Höhe sein könnte. Die KI erkennt dabei im Hintergrund Muster in den Kund:innendaten und leitet daraus Entscheidungen für die Zukunft ab.
Was lässt sich mit KI sonst noch prognostizieren?
Wübben: Neben den klassischen Kauf- und Wert-Prognosen erlaubt die KI beispielsweise auch eine Vorhersage darüber, ob ein bestimmter Kunde überhaupt via Kommunikation von einer Marke über Angebote informiert werden möchte. Denn wenn nicht, entzieht er frustriert die Kontakteinwilligung ab. Die KI kann sogar sehr präzise vorhersagen, welcher Kommunikationskanal eine positive Reaktion des Kunden hervorrufen wird. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wenn man einen Effekt und grundlegende Einflussfaktoren messen kann, stehen die Chancen für eine treffende Vorhersage gut. Was wir allerdings nicht beobachten können, können wir natürlich auch nur schwerlich prognostizieren.
Über welche Basis an Kundendaten sollte ein Unternehmen verfügen, um Eure Customer-Data- und Prediction-Plattform nutzen zu können?
Wübben: Das sind Daten, die jedes Unternehmen hat: Kundenstammdaten und Transaktionsdaten. Sprich: Wer hat wo was wie und zu welchem Preis gekauft. Das ist die Basis, mit der man anfangen kann. Im besten Fall kommen dann noch Verhaltensdaten hinzu. Also das Surfverhalten zum Beispiel. Nach oben sind da wenig Grenzen gesetzt, aber der Start ist ganz einfach.
Welche Pläne hat CrossEngage in der Schublade, um den Customer LIfetime Value weiter erhöhen zu können?
Wübben: Ich denke, wir haben unsere technischen Hausaufgaben in den vergangenen Jahren sehr ordentlich gemacht. Nun ist es an der Zeit, dass Marken noch mehr die Relevanz des CLVs erkennen und handeln. Wir sehen hier in den vergangenen Monaten einen sehr positiven Trend in diese Richtung und sind aus CrossEngage-Sicht natürlich sehr glücklich darüber. Die übrigen Marken werden es künftig wirtschaftlich schwer haben, wenn sie das Thema weiter stiefmütterlich behandeln. Zusätzlich planen wir für die Zukunft noch normativer für Marken zu werden. Wir sehen, dass Marken eine Art Guideline brauchen, wie man mit wertbasiertem, KI-basiertem CRM erfolgreich starten kann. Hierzu investieren wir gerade im Marketing, Sales und Customer Success viel Zeit und Mühe, sehen aber, wie positiv diese Guidelines bei unseren Kunden aufgenommen wird.
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Dr. Markus Wübben ist Co-Gründer von CrossEngage und Spezialist für datengetriebenes Marketing. Als Chief Marketing Officer verantwortet er das Marketing bei CrossEngage. Vor der Gründung von CrossEngage im Jahr 2015 war er als VP Business Development bei Project A Ventures und Director Customer Management bei EPIC Companies tätig. Bei Rocket Internet entwickelte er eine Lösung für Multichannel-Kampagnen, die bei mehr als 70 Unternehmen in 20 Ländern eingesetzt wurde. Markus Wübben ist Diplom-Informatiker, Computer Science der Universität Dortmund, und trägt einen Doktortitel, den er an der Boston College Carroll School of Management und der TU München erworben hat.
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Markus, einer Deiner Thesen lautet: Mehr Wert auf Bestandskunden legen als auf Neukundenakquise. Warum?
Markus Wübben: Ich würde mir erlauben, die These etwas umzuformulieren, denn natürlich benötigt jedes Business auch eine effiziente Neukundenakquise-Strategie. Was ich jedoch mit der Aussage meine, ist, dass es sich Unternehmen in den vergangenen Jahren zu einfach gemacht haben, ihre Kund:innen zum Kauf und gerade auch zum Wiederkauf zu bewegen. Viele Unternehmen haben ihre Kund:innen nämlich jedes Mal erneut und teuer bei den großen Plattformen wie Meta, Amazon, Google und jetzt vermehrt auch TikTok "eingekauft". Das ging in den vergangenen zehn bis 15 Jahren zwar gut, doch hat die weitere Konzentration auf den Online-Handel und damit auch auf Online-Werbung die Situation maßgeblich verschärft. Mit anderen Worten: Der Preis für das Einkaufen von Kund:innen auf den großen Plattformen ist so in die Höhe geschossen, dass der daraus resultierende Cost-per-Order die Marge zunehmend auffrisst. Daher ist meine These, dass Unternehmen auf Basis ihrer First-Party-Daten eine effektive und differenziere Bestandskundenstrategie implementieren müssen, um auch in Zukunft noch profitabel operieren zu können.
Aber sind nicht auch große Marken erst so richtig groß geworden, weil sie den Kreis ihrer Neukunden kontinuierlich erweitert haben?
Wübben: Korrekt. Aber die Luft wird dünner, denn es geht in diesen Zeiten nicht mehr nur um Wachstum um jeden Preis, sondern vermehrt um Profitabilität. Das sehen wir doch sehr deutlich an den Börsen derzeit. Hätten einige Unternehmen schon früher begonnen, wertbasiertes Bestandskundenmanagement umzusetzen, wären vielleicht einige Entlassungswellen schmaler ausgefallen. Hier möchte ich insbesondere auf einen Artikel des Wall Street Journals vom 22.04.2022 verweisen. In dem wurde deutlich gezeigt: Je größer der Anteil der Online-Verkäufe bei US-Händlern über die Jahre wurde, desto geringer wurde die EBITDA Marge. Der Grund dafür sind die erwähnten Werbekosten.
Die meisten Unternehmen konzentrieren sich in ihrem CRM auf Recommendations und Loyalty-Programme. Ist das zu kurz gegriffen?
Wübben: Ja! Das "R" in CRM steht ja für "Relationship" und nicht für "Recommendation". Das sollten wir nicht vergessen! Im CRM geht es darum, Wechselkosten aufzubauen und im Consideration Set zu bleiben. Die Wechselkosten können entweder transaktionaler, finanzieller oder relationaler Natur sein. Loyalty-Programme zahlen auf die finanziellen Wechselkosten ein. Ich weiß selber noch, wie ich meinen AirBerlin-Meilen hinterher geweint habe. Das war ein großer Verlust. Allerdings fällt vielen Unternehmen noch nicht so viel ein, wie sie wirklich relationale Wechselkosten aufbauen können. Mit anderen Worten: Sie haben oft selber keine Idee, warum Kund:innen einen Beziehung zu ihnen aufbauen und wieder bei ihnen kaufen sollten, außer dass sie "gute" Recommendations im Newsletter einbinden. Das ist sehr dünn und hier können Unternehmen viel machen.
Welches sollten die zentralen Fragen beim Bestandskundenmarketing sein?
Wübben: Die vielleicht wichtigste und fundamentalste Frage ist: Wie kann ich als Unternehmen meinen Kund:innen einen echten Mehrwert liefern? Nutzer:innen wissen nämlich mittlerweile sehr genau, wie wertvoll ihre Daten sind und stellen zurecht Ansprüche. Im Sinne von: „Liebe Marke, wenn du meine Daten willst, dann will ich vorher wissen, ob ich Euch vertrauen kann und was ich davon habe.” Ich nenne dieses Verhältnis die „Value-for-Data-Relationship“, die viele Advertiser und Marken leider noch nicht verstanden haben. Diese Mechanik müssen Unternehmen dringend verstehen und anerkennen, um werthaltige Beziehungen mit ihren Kund:innen aufzubauen und so treue Stammkund:innen zu gewinnen. Eine weitere relevante Frage, die sich alle Unternehmen beim Bestandskundenmarketing stellen müssen: Wie wertvoll ist der Kunde beziehungsweise die Kundin in der Zukunft? Wir nennen das den Customer Lifetime Value (CLV), der von zentraler Bedeutung ist. Wenn ein Unternehmen diesen Wert nicht ermittelt, wie soll es dann wissen, ob es sich lohnt, Geld zu investieren, um einen bestimmten Kunden zum Wiederholungskauf zu animieren?
Welche Rolle kann vor diesem Hintergrund Künstliche Intelligenz spielen?
Wübben: Eine Frage, auf die ich bereits seit Jahren Antworten suche – und die ich mir nicht zuletzt vor dem Merger meiner mitgegründeten Firma CrossEngage mit GPredictive gestellt habe: Denn wenn man Kundenverhalten vorhersagen möchte, ist Künstliche Intelligenz außerordentlich hilfreich. Für uns bedeutet das ganz konkret, dass wir mit unserer durch den Merger geschaffenen Customer-Data- und Prediction-Plattform vollautomatisch Hunderte von CRM-Prognosemodellen einfach, schnell und präzise erstellen und pflegen können, um Strategie- und Budgetentscheidungen im Marketing zu optimieren. Uns ist besonders wichtig, dass Marketer:innen keine Data-Science-Kenntnisse oder -Teams benötigen, um KI erfolgreich einzusetzen. Darum haben wir viel Liebe in unseren sogenannten No-Code-Model-Builder gesteckt. Dieser führt unsere Kund:innen per Mausklick durch die Erstellung und Verwendung eines KI-Models. Sie können sich daher voll und ganz auf das Businessproblem fokussieren und nicht auf die komplexen technischen Details eines KI-Models. Die resultierenden Prognosen können direkt bei uns in der CDP per Mausklick aktiviert werden.
Wie genau lässt sich damit vorhersagen, welche Käufe ein Kunde als nächstes tätigen wird?
Wübben: Indem man aus den Daten-Mustern der Vergangenheit lernt. Dieses vergangene Kundenverhalten lässt sich nämlich in die Zukunft übertragen und erlaubt häufig präzise Vorhersagen. Etwa, wie viel Geld jemand in einem Online-Shop ausgeben wird, wie viele Käufe er in einem bestimmten Zeitraum abschließen wird oder welche die optimale Coupon-Höhe sein könnte. Die KI erkennt dabei im Hintergrund Muster in den Kund:innendaten und leitet daraus Entscheidungen für die Zukunft ab.
Was lässt sich mit KI sonst noch prognostizieren?
Wübben: Neben den klassischen Kauf- und Wert-Prognosen erlaubt die KI beispielsweise auch eine Vorhersage darüber, ob ein bestimmter Kunde überhaupt via Kommunikation von einer Marke über Angebote informiert werden möchte. Denn wenn nicht, entzieht er frustriert die Kontakteinwilligung ab. Die KI kann sogar sehr präzise vorhersagen, welcher Kommunikationskanal eine positive Reaktion des Kunden hervorrufen wird. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wenn man einen Effekt und grundlegende Einflussfaktoren messen kann, stehen die Chancen für eine treffende Vorhersage gut. Was wir allerdings nicht beobachten können, können wir natürlich auch nur schwerlich prognostizieren.
Über welche Basis an Kundendaten sollte ein Unternehmen verfügen, um Eure Customer-Data- und Prediction-Plattform nutzen zu können?
Wübben: Das sind Daten, die jedes Unternehmen hat: Kundenstammdaten und Transaktionsdaten. Sprich: Wer hat wo was wie und zu welchem Preis gekauft. Das ist die Basis, mit der man anfangen kann. Im besten Fall kommen dann noch Verhaltensdaten hinzu. Also das Surfverhalten zum Beispiel. Nach oben sind da wenig Grenzen gesetzt, aber der Start ist ganz einfach.
Welche Pläne hat CrossEngage in der Schublade, um den Customer LIfetime Value weiter erhöhen zu können?
Wübben: Ich denke, wir haben unsere technischen Hausaufgaben in den vergangenen Jahren sehr ordentlich gemacht. Nun ist es an der Zeit, dass Marken noch mehr die Relevanz des CLVs erkennen und handeln. Wir sehen hier in den vergangenen Monaten einen sehr positiven Trend in diese Richtung und sind aus CrossEngage-Sicht natürlich sehr glücklich darüber. Die übrigen Marken werden es künftig wirtschaftlich schwer haben, wenn sie das Thema weiter stiefmütterlich behandeln. Zusätzlich planen wir für die Zukunft noch normativer für Marken zu werden. Wir sehen, dass Marken eine Art Guideline brauchen, wie man mit wertbasiertem, KI-basiertem CRM erfolgreich starten kann. Hierzu investieren wir gerade im Marketing, Sales und Customer Success viel Zeit und Mühe, sehen aber, wie positiv diese Guidelines bei unseren Kunden aufgenommen wird.
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