„Unternehmen müssen mit KI-Agenten arbeiten“
„Unternehmen müssen mit KI-Agenten arbeiten“
Interview
6 Minuten
14.05.2025



Seit Jahren analysiert Claudia Bünte die Entwicklung von KI im Marketing. Im Interview spricht sie über aktuelle Ergebnisse ihrer Langzeitstudie, erklärt, welche Schritte für Unternehmen jetzt wichtig sind, und sagt, warum Führungskräfte bei der technologischen Entwicklung oft Bremsklötze sind.
Frau Bünte, die fünfte Welle Ihrer Langzeitstudie „KI – die Zukunft des Marketings“ zeigt: KI ist im Marketing endgültig angekommen. Was hat Sie beim Blick auf die neuen Daten besonders überrascht?
Überrascht hat mich, wie stark sich die Wahrnehmung von KI in nur zwei Jahren verändert hat. Es gibt einen starken Anstieg bei der Nutzung von KI in den Unternehmen (plus 28 Prozent) und im Marketing (plus 80). Über 61 Prozent der Befragten schätzen ihr Wissen heute als „ausreichend bis sehr gut“ ein – ein Zuwachs von 35 Prozent gegenüber 2023. Das ist eine starke Dynamik. Doch gleichzeitig offenbart die Studie ein großes Ungleichgewicht in der Tool-Nutzung: 76 Prozent der Befragten nennen ChatGPT als genutztes KI-Tool. Danach kommt lange nichts. Perplexity, Copilot oder Gemini liegen jeweils unter 15 Prozent, weitere 68 Tools wurden überhaupt nur vereinzelt genannt – alle unterhalb von drei Prozent. Das zeigt: ChatGPT ist der Platzhirsch – aber er steht aktuell ziemlich alleine auf weiter Flur.
Was bedeutet das?
Viele Unternehmen beginnen ihre KI-Reise mit einem einzigen Tool – aber verwechseln Einstieg mit Integration. Solange ChatGPT das einzige KI-Tool bleibt, ist der Wirkungsgrad begrenzt. Erst wenn weitere Tools systematisch dazukommen und strategisch miteinander verknüpft werden, entsteht echter Mehrwert.

Die Studie zeigt auch: Nur acht Prozent der Unternehmen schöpfen das volle Potenzial von KI aus. Was hindert die anderen?
Das zentrale Problem ist nicht der Zugang zur Technologie – sondern deren strukturierter Einsatz. Unsere Daten zeigen: Nur acht Prozent der Unternehmen schöpfen mehr als 75 Prozent der möglichen KI-Vorteile aus. Gleichzeitig nutzen 58 Prozent der Unternehmen weniger als ein Viertel des Potenzials, das eigentlich in ihren Tools und Daten steckt.
Was ist Ihre Erklärung?
Es fehlt an Integration und strategischer Verankerung. Ganze 68 Prozent der Unternehmen arbeiten mit isolierten KI-Lösungen, die nicht in bestehende Prozesse eingebunden sind. Das führt dazu, dass Potenziale zwar vorhanden, aber kaum nutzbar sind – etwa weil Daten nicht zugänglich, Schnittstellen fehlen oder Use Cases nicht bis zum Ende durchgedacht sind. Dazu kommt ein Kompetenzproblem: Marketingabteilungen beherrschen laut eigener Aussage nur die Hälfte der benötigten KI-Tools. Das heißt: Selbst dort, wo Tools verfügbar sind, fehlen häufig die Fähigkeiten, sie wirkungsvoll einzusetzen. Die Folge: KI bleibt punktuell – und damit ineffizient. Und so bleiben insgesamt 20 Prozent des Potenzials durch bereits vorhandene KI-Anwendungen in den Marketingabteilungen ungenutzt. Die gute Nachricht: Wer es schafft, über diese Schwelle zu kommen, profitiert messbar. Unternehmen mit systematischer KI-Nutzung erzielen signifikant bessere Ergebnisse – sowohl im Marketing als auch auf Unternehmensebene.

Was ist mit den Führungskräften – welche Rolle spielen sie?
Führungskräfte stehen bei der KI-Transformation unter besonderem Druck – gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen zeigen unsere Daten: Sie kennen 21 Prozent weniger KI-Tools als ihre eigenen Teams. Das ist nicht nur eine Kompetenzlücke – es ist eine strategische Schwäche. Denn wer nicht weiß, was technologisch möglich ist, kann weder Prioritäten setzen noch Ressourcen gezielt lenken. Zum anderen bewerten 79 Prozent die Schulungssituation ihrer Teams als unzureichend. Sie sehen also selbst, dass Know-how fehlt. Aber: Schulung ist Führungsaufgabe. Wer KI im Unternehmen etablieren will, muss Weiterbildungen ermöglichen, fördern – und auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Und es kommt noch ein drittes Element hinzu: Nur 26 Prozent der Führungskräfte geben an, für ihre Teams bereits KI-Guidelines definiert zu haben. Das heißt: Es fehlt oft nicht nur an Wissen, sondern auch an Klarheit, wie mit KI gearbeitet werden soll. Das ist riskant – denn ohne Leitplanken bleibt die Anwendung beliebig und ineffizient.
Die Folge: Führungskräfte, die eigentlich Katalysatoren des Wandels sein sollten, werden in der Praxis oft zu Bremsklötzen. Das geschieht nicht aus Absicht, sondern aus Unsicherheit. Genau hier setzen unsere Handlungsempfehlungen an: Führung muss in der KI-Transformation neu definiert – und systematisch gestärkt – werden.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die den nächsten Schritt gehen wollen?
Viele Unternehmen haben mittlerweile mit KI im Marketing begonnen – aber oft bleibt es bei ersten Tests und Einzelanwendungen. Der nächste Schritt ist entscheidend: Von punktueller Nutzung hin zu strategischer Integration. Dazu empfehle ich drei zentrale Hebel:
Erstens: Eine klare KI-Strategie entwickeln und umsetzen. Das ist nicht Studienerkenntnis, sondern etwas, das ich auch aus meiner täglichen Beratungspraxis kenne: Erfolgreiche Unternehmen definieren Use Cases entlang des Marketingprozesses, priorisieren diese nach geschäftlichem Impact und setzen realistische Ziele. Sie messen Fortschritte regelmäßig und verankern KI in ihren Arbeitsprozessen – nicht als Extra, sondern als Teil der DNA. Unsere Studie zeigt, dass KI im Marketing für 68 Prozent der Befragten mindestens ein Hebel, wenn nicht DER Hebel für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens ist.
Zweitens: Führungskräfte gezielt befähigen. Viele Entscheider:innen erwarten von ihren Teams den KI-Sprung – ohne selbst das nötige Wissen mitzubringen. Das funktioniert nicht. Wer führen will, muss verstehen. Schulung und kontinuierliche Weiterbildung auf Führungsebene sind heute ein Muss, keine Option.
Drittens: Operative Teams trainieren – praxisnah und kontinuierlich. Wir sehen: Die Tool-Landschaft entwickelt sich rasant, neue Funktionen entstehen fast täglich. Nur wer regelmäßig trainiert, bleibt arbeitsfähig – und zukunftsfähig. Deshalb brauchen Unternehmen lernende Teams und Formate, die schnell, konkret und niederschwellig Wissen vermitteln.
Und: Unternehmen, die KI gezielt und gut einsetzen, sind unter den erfolgreichen Unternehmen signifikant häufiger vertreten – um genau zu sein: 28 Prozent häufiger als der Durchschnitt. Das zeigt: KI ist längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein echter Erfolgshebel.

Was glauben Sie? Was ist das nächste große Thema bei KI im Marketing?
Ein zentrales Zukunftsthema sind autonome KI-Agenten – also Systeme, die nicht nur automatisieren, sondern eigenständig Entscheidungen treffen und ganze Marketingprozesse übernehmen können. Unsere Studie zeigt: 52 Prozent der Befragten halten diese Technologie in den nächsten Jahren für wichtig oder sehr wichtig. Gleichzeitig geben nur 26 Prozent an, dass sie heute einem KI-Agenten Entscheidungsbefugnisse überlassen würden. Diese große Lücke zwischen erwarteter Bedeutung und mangelndem Vertrauen ist auffällig – und typisch für neue Technologien, deren Auswirkungen erst ansatzweise verstanden werden.
Was sollten Unternehmen also konkret tun?
Kurz gesagt: Unternehmen sollten KI-Agenten nicht meiden – sondern gezielt mit ihnen arbeiten. Aber unter klaren Bedingungen: kontrolliert, reflektiert und mit einem konkreten Kompetenzaufbau. Wer jetzt strukturiert erste Erfahrungen sammelt, wird später schneller skalieren – und das Vertrauen aufbauen, das aktuell noch fehlt.
Interview: Helmut van Rinsum
Prof. Dr. Claudia Bünte ist eine ausgewiesene Marketing- und KI-Expertin mit über 25 Jahren Erfahrung in leitenden Positionen u. a. bei Volkswagen, Coca-Cola und McKinsey. Sie lehrt BWL und Digital Marketing an internationalen Hochschulen und ist Geschäftsführerin der Kaiserscholle GmbH – Center of Marketing Excellence. Als Gründerin des Instituts KIRevolution berät und schult sie Unternehmen zu KI und hat mehrere Fachbücher zum Thema veröffentlicht. Sie ist zudem öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Marketing und Markenführung.
Frau Bünte, die fünfte Welle Ihrer Langzeitstudie „KI – die Zukunft des Marketings“ zeigt: KI ist im Marketing endgültig angekommen. Was hat Sie beim Blick auf die neuen Daten besonders überrascht?
Überrascht hat mich, wie stark sich die Wahrnehmung von KI in nur zwei Jahren verändert hat. Es gibt einen starken Anstieg bei der Nutzung von KI in den Unternehmen (plus 28 Prozent) und im Marketing (plus 80). Über 61 Prozent der Befragten schätzen ihr Wissen heute als „ausreichend bis sehr gut“ ein – ein Zuwachs von 35 Prozent gegenüber 2023. Das ist eine starke Dynamik. Doch gleichzeitig offenbart die Studie ein großes Ungleichgewicht in der Tool-Nutzung: 76 Prozent der Befragten nennen ChatGPT als genutztes KI-Tool. Danach kommt lange nichts. Perplexity, Copilot oder Gemini liegen jeweils unter 15 Prozent, weitere 68 Tools wurden überhaupt nur vereinzelt genannt – alle unterhalb von drei Prozent. Das zeigt: ChatGPT ist der Platzhirsch – aber er steht aktuell ziemlich alleine auf weiter Flur.
Was bedeutet das?
Viele Unternehmen beginnen ihre KI-Reise mit einem einzigen Tool – aber verwechseln Einstieg mit Integration. Solange ChatGPT das einzige KI-Tool bleibt, ist der Wirkungsgrad begrenzt. Erst wenn weitere Tools systematisch dazukommen und strategisch miteinander verknüpft werden, entsteht echter Mehrwert.

Die Studie zeigt auch: Nur acht Prozent der Unternehmen schöpfen das volle Potenzial von KI aus. Was hindert die anderen?
Das zentrale Problem ist nicht der Zugang zur Technologie – sondern deren strukturierter Einsatz. Unsere Daten zeigen: Nur acht Prozent der Unternehmen schöpfen mehr als 75 Prozent der möglichen KI-Vorteile aus. Gleichzeitig nutzen 58 Prozent der Unternehmen weniger als ein Viertel des Potenzials, das eigentlich in ihren Tools und Daten steckt.
Was ist Ihre Erklärung?
Es fehlt an Integration und strategischer Verankerung. Ganze 68 Prozent der Unternehmen arbeiten mit isolierten KI-Lösungen, die nicht in bestehende Prozesse eingebunden sind. Das führt dazu, dass Potenziale zwar vorhanden, aber kaum nutzbar sind – etwa weil Daten nicht zugänglich, Schnittstellen fehlen oder Use Cases nicht bis zum Ende durchgedacht sind. Dazu kommt ein Kompetenzproblem: Marketingabteilungen beherrschen laut eigener Aussage nur die Hälfte der benötigten KI-Tools. Das heißt: Selbst dort, wo Tools verfügbar sind, fehlen häufig die Fähigkeiten, sie wirkungsvoll einzusetzen. Die Folge: KI bleibt punktuell – und damit ineffizient. Und so bleiben insgesamt 20 Prozent des Potenzials durch bereits vorhandene KI-Anwendungen in den Marketingabteilungen ungenutzt. Die gute Nachricht: Wer es schafft, über diese Schwelle zu kommen, profitiert messbar. Unternehmen mit systematischer KI-Nutzung erzielen signifikant bessere Ergebnisse – sowohl im Marketing als auch auf Unternehmensebene.

Was ist mit den Führungskräften – welche Rolle spielen sie?
Führungskräfte stehen bei der KI-Transformation unter besonderem Druck – gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen zeigen unsere Daten: Sie kennen 21 Prozent weniger KI-Tools als ihre eigenen Teams. Das ist nicht nur eine Kompetenzlücke – es ist eine strategische Schwäche. Denn wer nicht weiß, was technologisch möglich ist, kann weder Prioritäten setzen noch Ressourcen gezielt lenken. Zum anderen bewerten 79 Prozent die Schulungssituation ihrer Teams als unzureichend. Sie sehen also selbst, dass Know-how fehlt. Aber: Schulung ist Führungsaufgabe. Wer KI im Unternehmen etablieren will, muss Weiterbildungen ermöglichen, fördern – und auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Und es kommt noch ein drittes Element hinzu: Nur 26 Prozent der Führungskräfte geben an, für ihre Teams bereits KI-Guidelines definiert zu haben. Das heißt: Es fehlt oft nicht nur an Wissen, sondern auch an Klarheit, wie mit KI gearbeitet werden soll. Das ist riskant – denn ohne Leitplanken bleibt die Anwendung beliebig und ineffizient.
Die Folge: Führungskräfte, die eigentlich Katalysatoren des Wandels sein sollten, werden in der Praxis oft zu Bremsklötzen. Das geschieht nicht aus Absicht, sondern aus Unsicherheit. Genau hier setzen unsere Handlungsempfehlungen an: Führung muss in der KI-Transformation neu definiert – und systematisch gestärkt – werden.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die den nächsten Schritt gehen wollen?
Viele Unternehmen haben mittlerweile mit KI im Marketing begonnen – aber oft bleibt es bei ersten Tests und Einzelanwendungen. Der nächste Schritt ist entscheidend: Von punktueller Nutzung hin zu strategischer Integration. Dazu empfehle ich drei zentrale Hebel:
Erstens: Eine klare KI-Strategie entwickeln und umsetzen. Das ist nicht Studienerkenntnis, sondern etwas, das ich auch aus meiner täglichen Beratungspraxis kenne: Erfolgreiche Unternehmen definieren Use Cases entlang des Marketingprozesses, priorisieren diese nach geschäftlichem Impact und setzen realistische Ziele. Sie messen Fortschritte regelmäßig und verankern KI in ihren Arbeitsprozessen – nicht als Extra, sondern als Teil der DNA. Unsere Studie zeigt, dass KI im Marketing für 68 Prozent der Befragten mindestens ein Hebel, wenn nicht DER Hebel für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens ist.
Zweitens: Führungskräfte gezielt befähigen. Viele Entscheider:innen erwarten von ihren Teams den KI-Sprung – ohne selbst das nötige Wissen mitzubringen. Das funktioniert nicht. Wer führen will, muss verstehen. Schulung und kontinuierliche Weiterbildung auf Führungsebene sind heute ein Muss, keine Option.
Drittens: Operative Teams trainieren – praxisnah und kontinuierlich. Wir sehen: Die Tool-Landschaft entwickelt sich rasant, neue Funktionen entstehen fast täglich. Nur wer regelmäßig trainiert, bleibt arbeitsfähig – und zukunftsfähig. Deshalb brauchen Unternehmen lernende Teams und Formate, die schnell, konkret und niederschwellig Wissen vermitteln.
Und: Unternehmen, die KI gezielt und gut einsetzen, sind unter den erfolgreichen Unternehmen signifikant häufiger vertreten – um genau zu sein: 28 Prozent häufiger als der Durchschnitt. Das zeigt: KI ist längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein echter Erfolgshebel.

Was glauben Sie? Was ist das nächste große Thema bei KI im Marketing?
Ein zentrales Zukunftsthema sind autonome KI-Agenten – also Systeme, die nicht nur automatisieren, sondern eigenständig Entscheidungen treffen und ganze Marketingprozesse übernehmen können. Unsere Studie zeigt: 52 Prozent der Befragten halten diese Technologie in den nächsten Jahren für wichtig oder sehr wichtig. Gleichzeitig geben nur 26 Prozent an, dass sie heute einem KI-Agenten Entscheidungsbefugnisse überlassen würden. Diese große Lücke zwischen erwarteter Bedeutung und mangelndem Vertrauen ist auffällig – und typisch für neue Technologien, deren Auswirkungen erst ansatzweise verstanden werden.
Was sollten Unternehmen also konkret tun?
Kurz gesagt: Unternehmen sollten KI-Agenten nicht meiden – sondern gezielt mit ihnen arbeiten. Aber unter klaren Bedingungen: kontrolliert, reflektiert und mit einem konkreten Kompetenzaufbau. Wer jetzt strukturiert erste Erfahrungen sammelt, wird später schneller skalieren – und das Vertrauen aufbauen, das aktuell noch fehlt.
Interview: Helmut van Rinsum
Prof. Dr. Claudia Bünte ist eine ausgewiesene Marketing- und KI-Expertin mit über 25 Jahren Erfahrung in leitenden Positionen u. a. bei Volkswagen, Coca-Cola und McKinsey. Sie lehrt BWL und Digital Marketing an internationalen Hochschulen und ist Geschäftsführerin der Kaiserscholle GmbH – Center of Marketing Excellence. Als Gründerin des Instituts KIRevolution berät und schult sie Unternehmen zu KI und hat mehrere Fachbücher zum Thema veröffentlicht. Sie ist zudem öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Marketing und Markenführung.
Frau Bünte, die fünfte Welle Ihrer Langzeitstudie „KI – die Zukunft des Marketings“ zeigt: KI ist im Marketing endgültig angekommen. Was hat Sie beim Blick auf die neuen Daten besonders überrascht?
Überrascht hat mich, wie stark sich die Wahrnehmung von KI in nur zwei Jahren verändert hat. Es gibt einen starken Anstieg bei der Nutzung von KI in den Unternehmen (plus 28 Prozent) und im Marketing (plus 80). Über 61 Prozent der Befragten schätzen ihr Wissen heute als „ausreichend bis sehr gut“ ein – ein Zuwachs von 35 Prozent gegenüber 2023. Das ist eine starke Dynamik. Doch gleichzeitig offenbart die Studie ein großes Ungleichgewicht in der Tool-Nutzung: 76 Prozent der Befragten nennen ChatGPT als genutztes KI-Tool. Danach kommt lange nichts. Perplexity, Copilot oder Gemini liegen jeweils unter 15 Prozent, weitere 68 Tools wurden überhaupt nur vereinzelt genannt – alle unterhalb von drei Prozent. Das zeigt: ChatGPT ist der Platzhirsch – aber er steht aktuell ziemlich alleine auf weiter Flur.
Was bedeutet das?
Viele Unternehmen beginnen ihre KI-Reise mit einem einzigen Tool – aber verwechseln Einstieg mit Integration. Solange ChatGPT das einzige KI-Tool bleibt, ist der Wirkungsgrad begrenzt. Erst wenn weitere Tools systematisch dazukommen und strategisch miteinander verknüpft werden, entsteht echter Mehrwert.

Die Studie zeigt auch: Nur acht Prozent der Unternehmen schöpfen das volle Potenzial von KI aus. Was hindert die anderen?
Das zentrale Problem ist nicht der Zugang zur Technologie – sondern deren strukturierter Einsatz. Unsere Daten zeigen: Nur acht Prozent der Unternehmen schöpfen mehr als 75 Prozent der möglichen KI-Vorteile aus. Gleichzeitig nutzen 58 Prozent der Unternehmen weniger als ein Viertel des Potenzials, das eigentlich in ihren Tools und Daten steckt.
Was ist Ihre Erklärung?
Es fehlt an Integration und strategischer Verankerung. Ganze 68 Prozent der Unternehmen arbeiten mit isolierten KI-Lösungen, die nicht in bestehende Prozesse eingebunden sind. Das führt dazu, dass Potenziale zwar vorhanden, aber kaum nutzbar sind – etwa weil Daten nicht zugänglich, Schnittstellen fehlen oder Use Cases nicht bis zum Ende durchgedacht sind. Dazu kommt ein Kompetenzproblem: Marketingabteilungen beherrschen laut eigener Aussage nur die Hälfte der benötigten KI-Tools. Das heißt: Selbst dort, wo Tools verfügbar sind, fehlen häufig die Fähigkeiten, sie wirkungsvoll einzusetzen. Die Folge: KI bleibt punktuell – und damit ineffizient. Und so bleiben insgesamt 20 Prozent des Potenzials durch bereits vorhandene KI-Anwendungen in den Marketingabteilungen ungenutzt. Die gute Nachricht: Wer es schafft, über diese Schwelle zu kommen, profitiert messbar. Unternehmen mit systematischer KI-Nutzung erzielen signifikant bessere Ergebnisse – sowohl im Marketing als auch auf Unternehmensebene.

Was ist mit den Führungskräften – welche Rolle spielen sie?
Führungskräfte stehen bei der KI-Transformation unter besonderem Druck – gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen zeigen unsere Daten: Sie kennen 21 Prozent weniger KI-Tools als ihre eigenen Teams. Das ist nicht nur eine Kompetenzlücke – es ist eine strategische Schwäche. Denn wer nicht weiß, was technologisch möglich ist, kann weder Prioritäten setzen noch Ressourcen gezielt lenken. Zum anderen bewerten 79 Prozent die Schulungssituation ihrer Teams als unzureichend. Sie sehen also selbst, dass Know-how fehlt. Aber: Schulung ist Führungsaufgabe. Wer KI im Unternehmen etablieren will, muss Weiterbildungen ermöglichen, fördern – und auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Und es kommt noch ein drittes Element hinzu: Nur 26 Prozent der Führungskräfte geben an, für ihre Teams bereits KI-Guidelines definiert zu haben. Das heißt: Es fehlt oft nicht nur an Wissen, sondern auch an Klarheit, wie mit KI gearbeitet werden soll. Das ist riskant – denn ohne Leitplanken bleibt die Anwendung beliebig und ineffizient.
Die Folge: Führungskräfte, die eigentlich Katalysatoren des Wandels sein sollten, werden in der Praxis oft zu Bremsklötzen. Das geschieht nicht aus Absicht, sondern aus Unsicherheit. Genau hier setzen unsere Handlungsempfehlungen an: Führung muss in der KI-Transformation neu definiert – und systematisch gestärkt – werden.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die den nächsten Schritt gehen wollen?
Viele Unternehmen haben mittlerweile mit KI im Marketing begonnen – aber oft bleibt es bei ersten Tests und Einzelanwendungen. Der nächste Schritt ist entscheidend: Von punktueller Nutzung hin zu strategischer Integration. Dazu empfehle ich drei zentrale Hebel:
Erstens: Eine klare KI-Strategie entwickeln und umsetzen. Das ist nicht Studienerkenntnis, sondern etwas, das ich auch aus meiner täglichen Beratungspraxis kenne: Erfolgreiche Unternehmen definieren Use Cases entlang des Marketingprozesses, priorisieren diese nach geschäftlichem Impact und setzen realistische Ziele. Sie messen Fortschritte regelmäßig und verankern KI in ihren Arbeitsprozessen – nicht als Extra, sondern als Teil der DNA. Unsere Studie zeigt, dass KI im Marketing für 68 Prozent der Befragten mindestens ein Hebel, wenn nicht DER Hebel für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens ist.
Zweitens: Führungskräfte gezielt befähigen. Viele Entscheider:innen erwarten von ihren Teams den KI-Sprung – ohne selbst das nötige Wissen mitzubringen. Das funktioniert nicht. Wer führen will, muss verstehen. Schulung und kontinuierliche Weiterbildung auf Führungsebene sind heute ein Muss, keine Option.
Drittens: Operative Teams trainieren – praxisnah und kontinuierlich. Wir sehen: Die Tool-Landschaft entwickelt sich rasant, neue Funktionen entstehen fast täglich. Nur wer regelmäßig trainiert, bleibt arbeitsfähig – und zukunftsfähig. Deshalb brauchen Unternehmen lernende Teams und Formate, die schnell, konkret und niederschwellig Wissen vermitteln.
Und: Unternehmen, die KI gezielt und gut einsetzen, sind unter den erfolgreichen Unternehmen signifikant häufiger vertreten – um genau zu sein: 28 Prozent häufiger als der Durchschnitt. Das zeigt: KI ist längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein echter Erfolgshebel.

Was glauben Sie? Was ist das nächste große Thema bei KI im Marketing?
Ein zentrales Zukunftsthema sind autonome KI-Agenten – also Systeme, die nicht nur automatisieren, sondern eigenständig Entscheidungen treffen und ganze Marketingprozesse übernehmen können. Unsere Studie zeigt: 52 Prozent der Befragten halten diese Technologie in den nächsten Jahren für wichtig oder sehr wichtig. Gleichzeitig geben nur 26 Prozent an, dass sie heute einem KI-Agenten Entscheidungsbefugnisse überlassen würden. Diese große Lücke zwischen erwarteter Bedeutung und mangelndem Vertrauen ist auffällig – und typisch für neue Technologien, deren Auswirkungen erst ansatzweise verstanden werden.
Was sollten Unternehmen also konkret tun?
Kurz gesagt: Unternehmen sollten KI-Agenten nicht meiden – sondern gezielt mit ihnen arbeiten. Aber unter klaren Bedingungen: kontrolliert, reflektiert und mit einem konkreten Kompetenzaufbau. Wer jetzt strukturiert erste Erfahrungen sammelt, wird später schneller skalieren – und das Vertrauen aufbauen, das aktuell noch fehlt.
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