"KI produziert noch kreativen Durchschnitt "

Interview

5 Minuten

21.08.2023

Helmut van Rinsum

Portrait von Thomas Mosch

Künstliche Intelligenz wird auch auf der anstehenden DMEXCO eines der Topthemen sein, sagt Thomas Mosch, Director Conference. Ein Gespräch über die zukünftige Rolle von KI in kreativen Prozessen, wichtige Aspekte der Regulierung und eine mögliche Content-Flut mit fragwürdigen Inhalten.

Empowering Digital Creativity - so lautet das Motto der DMEXCO 2023. Eigentlich hätte man vermuten können, dass irgendwo das Kürzel AI auftaucht…

Thomas Mosch: Wie zum Beispiel in CreAItivity? Das hätten wir uns nicht getraut. Tatsächlich starten wir mit der Mottofindung schon sechs Wochen nach dem letzten Event. Also etwa Mitte November, wenn die großen Beratungshäuser und die führenden Agenturen ihre Trendprognosen publizieren. Da ist natürlich immer noch reichlich Glaskugel dabei, aber unsere Analyse zeigte Ende 2022 doch ziemlich deutlich, dass die gravierendsten Veränderungen in unserer Branche an der Schnittstelle von Datenanalyse und Kreativität entstehen werden. Wir waren uns einig, dass immer leistungsfähigere Software und ständig wachsende Datenmengen die kreativen Prozesse immer stärker prägen werden. Für das, was dabei entsteht, wählten wir den Begriff „Digital Creativity”. Doch sollten wir als kreative Branche nicht Getriebener dieser Entwicklung sein, sondern diese gestalten und die neuen kreativen Potenziale nutzen. Deshalb stellten wir das „Empowering” an den Beginn unseres Mottos.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir trotzdem überrascht waren, wie dominant das Thema Artificial Intelligence nach dem Release von ChatGPT Ende des Jahres geworden ist. Aber auch, wie sehr das Staunen über die Leistungsfähigkeit Künstlicher Intelligenz das Nachdenken über den Wert menschlicher Kreativität und Emotionalität veranlasst hat.

Die Marketingbranche wird durch die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz gerade richtiggehend durchgeschüttelt. Inwiefern spiegelt sich diese Entwicklung auf der Konferenz wider?

Mosch: Künstliche Intelligenz wird sicher eines der Top-Themen der DMEXCO-Konferenz werden, etwa 20 Prozent der mir heute schon bekannten Vorträge werden sich explizit damit auseinandersetzen – darunter sind auch einige Gegenreden. Wir freuen uns, dass Innovatoren wie Adobe, Google, Kumo, Microsoft oder Synthesia über Technologien und AI-basierte Produkte berichten werden. Einige große Brands und Agenturen werden aktuelle KI-basierte Projekte vorstellen. Dazu wird es intensive Diskussionen über die zukünftige Rollenverteilung der Stakeholder in kreativen Prozessen geben und zuletzt wollen wir auch einen Blick auf drängende rechtliche und regulatorische Fragen werfen.

Ich nehme mal an, dass auch zahlreiche der Aussteller das Thema KI strapazieren?

Mosch: Ja, davon gehe ich aus. Sehr viele Aussteller haben sich in den vergangenen Monaten intensiv damit auseinandergesetzt, wie stark AI ihr Leistungsangebot berührt, aber natürlich auch, wie sie mit AI ihr Leistungsangebot veredeln können. Wir werden in der Expo und natürlich auch in den über 150 Masterclasses viele AI-basierte Ideen, Konzepte und Lösungen vorgestellt bekommen. In aller Bescheidenheit: Die DMEXCO wird vermutlich gleichzeitig das umfangreichste und detaillierteste Angebot zum Thema machen können.    

Du persönlich begleitest die Entwicklung von KI schon viele Jahre. Wie ist Dein Eindruck: In welcher Phase befinden wir uns gerade?

Mosch: Wir haben in diesem Jahr vielleicht den gesellschaftlichen Durchbruch der Künstlichen Intelligenz erlebt. AI an sich ist ja nichts Neues, auch nicht im Marketing. AI ermöglicht schon seit langem Produktempfehlungen in Online-Shops und Spracherkennung auf Smartphones und Smart Speakers. Aber AI blieb im Hintergrund, war reaktiv, unterstützend und beschränkte sich auf die von Entwicklern vorgegebenen Funktionen. Jetzt ist AI generativ. Nahezu jeder ist in der Lage, einem AI-Tool ganz unterschiedliche Aufgaben zu erteilen und erhält sinnvolle und häufig auch hilfreiche Ergebnisse. Viele Menschen finden diese neuen Technologien interessant, viele Unternehmen entdecken darin attraktive Business-Potenziale.

Vor zehn Jahren gab es schon einmal eine intensive Diskussion über KI mit häufig dystopischen Szenarien, in denen autonome intelligente Systeme die Weltherrschaft übernehmen. Heute scheint mir die Akzeptanz von AI sehr viel verbreiteter zu sein, auch wenn die Unsicherheit geblieben ist über das, was da auf uns zukommen mag.

Was sind für Dich die drängendsten Fragen bei der anstehenden Entwicklung? Ist es das Thema Regulierung?

Mosch: Ich würde es ein bisschen umfangreicher sehen: Dass wir AI sehr behutsam einsetzen müssen, wann immer es über Text- oder Bilderstellung hinausgeht, zweifelt eigentlich niemand mehr ernsthaft an. Persönlich halte ich dafür die Regulierung als ein geeignetes Mittel. Mit dem AI Act sind wir in Europa ganz vorne mit dabei, wenn es um Regulierung geht. Ich glaube, damit leisten wir wichtige Grundlagenarbeit, bei der gesellschaftlichen Diskussion, wie wir mit KI künftig umgehen wollen. Ich hoffe aber, das gilt auch für das Ermöglichen von Innovationen durch KI.

Uns fehlt aber auch in anderen Bereichen noch der generelle Rahmen und die Erfahrung für den Einsatz von KI in der Breite. Sowohl in der Gesellschaft allgemein, als auch im Marketing speziell. Urheberrechtliche Fragen sind noch nicht gelöst. Wie sieht es mit der Kennzeichnungspflicht KI-generierter Inhalte aus? Wie geht die Gesellschaft damit um, dass möglicherweise bald massenhaft Content fragwürdiger inhaltlicher Qualität, aber perfekter Gestaltung das Netz flutet. Wie transparent müssen AI-Systeme sein, um zu verstehen, nach welchen Kriterien die Maschinen entscheiden? Oder werden wir das nie erfahren, weil es im Geschäftsgeheimnis der Firmen verborgen bleibt? Regulierung allein kann das nicht lösen, das ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Kompetenz.       

Der ZAW hat erst kürzlich vor Arbeitsplatzverlusten vor Werbeverboten gewarnt. Ist es nicht vielmehr so, dass eigentlich KI die Arbeitswelt der Werber:innen bedroht?

Mosch: KI produziert im jetzigen Stadium noch überwiegend kreativen Durchschnitt. Damit sind in der Tat die Jobs und Firmen gefährdet, die bislang kreativen Durchschnitt produzieren. KI liefert heute eher Rohfassungen, Textentwürfe, einen Ideenpool von Vorschlägen für Namen oder Claims. Die Exzellenz scheint mir aktuell noch dem Menschen vorbehalten. Bisher verändert KI im aktuellen Stadium eher bestehende Jobprofile, ersetzt die ersten Phasen des kreativen Prozesses und verschärft die Anforderungen an uns in den späteren Phasen, wenn aus Durchschnitt Exzellenz wird.

Aber – und das gehört auch zur Wahrheit - die Leistungsfähigkeit von AI-Systemen wird schon in wenigen Jahren exponentiell gewachsen sein. Dann wird es sicherlich in vielen Berufsfeldern, und ganz gewiss auch im Marketing, zu starken Veränderungen kommen. Die Erfahrung aus früheren Technologiesprüngen zeigt aber, dass in solchen Umbruchphasen oft mehr Jobs entstehen als wegfallen. Die Jobprofile allerdings ändern sich fundamental.     

Bleiben wir beim in die Zukunft: Wo wird KI das Marketing in den kommenden Monaten am meisten beeinflussen?

Mosch: Die generative AI wird sehr bald Einzug halten in alle Software-Tools, die wir im Marketing einsetzen. Dadurch können wir viele interne Prozesse weiter automatisieren und beschleunigen. Vor allem aber wird sich die Erstellung von Texten, Bildern und Videos grundlegend verändern. Wir werden in der Lage sein, Personalisierung und Individualisierung in der Zielgruppenansprache zu maximieren.  Wie das im Einzelnen aussehen wird, können wir - glaube ich - auf der DMEXCO in Köln am 20. und 21. September 2023 erleben.  

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Thomas Mosch ist seit April 2020 Director Conference der DMEXCO bei der Koelnmesse und damit zuständig für die Formate, Inhalte und Speaker auf den Bühnen. Der studierte Diplom-Ingenieur hat nach seiner Zeit als Mitglied der Geschäftsleitung des Digitalverbandes BITKOM in verschiedenen Positionen bei der Deutsche Messe AG in Hannover gearbeitet: Von November 2013 bis Dezember 2018 war er Head of CEBIT Conferences and CEBIT Partner Country. Zuletzt verantwortete er bei der Deutsche Messe AG die Konzeption und Organisation von B2B-Events zum Schwerpunkt Digitale Transformation.

Weitere Interviews:
Cornelia Krebs: Kann eine KI Emotionen erkennen?
Cesar Romero Pose: AI-Film – Netlifx für KI-Filme
Peter Kabel: Die Zukunft gehört der Tool-Chain

"KI produziert noch kreativen Durchschnitt "

Interview

5 Minuten

21.08.2023

Helmut van Rinsum

Portrait von Thomas Mosch

Künstliche Intelligenz wird auch auf der anstehenden DMEXCO eines der Topthemen sein, sagt Thomas Mosch, Director Conference. Ein Gespräch über die zukünftige Rolle von KI in kreativen Prozessen, wichtige Aspekte der Regulierung und eine mögliche Content-Flut mit fragwürdigen Inhalten.

Empowering Digital Creativity - so lautet das Motto der DMEXCO 2023. Eigentlich hätte man vermuten können, dass irgendwo das Kürzel AI auftaucht…

Thomas Mosch: Wie zum Beispiel in CreAItivity? Das hätten wir uns nicht getraut. Tatsächlich starten wir mit der Mottofindung schon sechs Wochen nach dem letzten Event. Also etwa Mitte November, wenn die großen Beratungshäuser und die führenden Agenturen ihre Trendprognosen publizieren. Da ist natürlich immer noch reichlich Glaskugel dabei, aber unsere Analyse zeigte Ende 2022 doch ziemlich deutlich, dass die gravierendsten Veränderungen in unserer Branche an der Schnittstelle von Datenanalyse und Kreativität entstehen werden. Wir waren uns einig, dass immer leistungsfähigere Software und ständig wachsende Datenmengen die kreativen Prozesse immer stärker prägen werden. Für das, was dabei entsteht, wählten wir den Begriff „Digital Creativity”. Doch sollten wir als kreative Branche nicht Getriebener dieser Entwicklung sein, sondern diese gestalten und die neuen kreativen Potenziale nutzen. Deshalb stellten wir das „Empowering” an den Beginn unseres Mottos.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir trotzdem überrascht waren, wie dominant das Thema Artificial Intelligence nach dem Release von ChatGPT Ende des Jahres geworden ist. Aber auch, wie sehr das Staunen über die Leistungsfähigkeit Künstlicher Intelligenz das Nachdenken über den Wert menschlicher Kreativität und Emotionalität veranlasst hat.

Die Marketingbranche wird durch die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz gerade richtiggehend durchgeschüttelt. Inwiefern spiegelt sich diese Entwicklung auf der Konferenz wider?

Mosch: Künstliche Intelligenz wird sicher eines der Top-Themen der DMEXCO-Konferenz werden, etwa 20 Prozent der mir heute schon bekannten Vorträge werden sich explizit damit auseinandersetzen – darunter sind auch einige Gegenreden. Wir freuen uns, dass Innovatoren wie Adobe, Google, Kumo, Microsoft oder Synthesia über Technologien und AI-basierte Produkte berichten werden. Einige große Brands und Agenturen werden aktuelle KI-basierte Projekte vorstellen. Dazu wird es intensive Diskussionen über die zukünftige Rollenverteilung der Stakeholder in kreativen Prozessen geben und zuletzt wollen wir auch einen Blick auf drängende rechtliche und regulatorische Fragen werfen.

Ich nehme mal an, dass auch zahlreiche der Aussteller das Thema KI strapazieren?

Mosch: Ja, davon gehe ich aus. Sehr viele Aussteller haben sich in den vergangenen Monaten intensiv damit auseinandergesetzt, wie stark AI ihr Leistungsangebot berührt, aber natürlich auch, wie sie mit AI ihr Leistungsangebot veredeln können. Wir werden in der Expo und natürlich auch in den über 150 Masterclasses viele AI-basierte Ideen, Konzepte und Lösungen vorgestellt bekommen. In aller Bescheidenheit: Die DMEXCO wird vermutlich gleichzeitig das umfangreichste und detaillierteste Angebot zum Thema machen können.    

Du persönlich begleitest die Entwicklung von KI schon viele Jahre. Wie ist Dein Eindruck: In welcher Phase befinden wir uns gerade?

Mosch: Wir haben in diesem Jahr vielleicht den gesellschaftlichen Durchbruch der Künstlichen Intelligenz erlebt. AI an sich ist ja nichts Neues, auch nicht im Marketing. AI ermöglicht schon seit langem Produktempfehlungen in Online-Shops und Spracherkennung auf Smartphones und Smart Speakers. Aber AI blieb im Hintergrund, war reaktiv, unterstützend und beschränkte sich auf die von Entwicklern vorgegebenen Funktionen. Jetzt ist AI generativ. Nahezu jeder ist in der Lage, einem AI-Tool ganz unterschiedliche Aufgaben zu erteilen und erhält sinnvolle und häufig auch hilfreiche Ergebnisse. Viele Menschen finden diese neuen Technologien interessant, viele Unternehmen entdecken darin attraktive Business-Potenziale.

Vor zehn Jahren gab es schon einmal eine intensive Diskussion über KI mit häufig dystopischen Szenarien, in denen autonome intelligente Systeme die Weltherrschaft übernehmen. Heute scheint mir die Akzeptanz von AI sehr viel verbreiteter zu sein, auch wenn die Unsicherheit geblieben ist über das, was da auf uns zukommen mag.

Was sind für Dich die drängendsten Fragen bei der anstehenden Entwicklung? Ist es das Thema Regulierung?

Mosch: Ich würde es ein bisschen umfangreicher sehen: Dass wir AI sehr behutsam einsetzen müssen, wann immer es über Text- oder Bilderstellung hinausgeht, zweifelt eigentlich niemand mehr ernsthaft an. Persönlich halte ich dafür die Regulierung als ein geeignetes Mittel. Mit dem AI Act sind wir in Europa ganz vorne mit dabei, wenn es um Regulierung geht. Ich glaube, damit leisten wir wichtige Grundlagenarbeit, bei der gesellschaftlichen Diskussion, wie wir mit KI künftig umgehen wollen. Ich hoffe aber, das gilt auch für das Ermöglichen von Innovationen durch KI.

Uns fehlt aber auch in anderen Bereichen noch der generelle Rahmen und die Erfahrung für den Einsatz von KI in der Breite. Sowohl in der Gesellschaft allgemein, als auch im Marketing speziell. Urheberrechtliche Fragen sind noch nicht gelöst. Wie sieht es mit der Kennzeichnungspflicht KI-generierter Inhalte aus? Wie geht die Gesellschaft damit um, dass möglicherweise bald massenhaft Content fragwürdiger inhaltlicher Qualität, aber perfekter Gestaltung das Netz flutet. Wie transparent müssen AI-Systeme sein, um zu verstehen, nach welchen Kriterien die Maschinen entscheiden? Oder werden wir das nie erfahren, weil es im Geschäftsgeheimnis der Firmen verborgen bleibt? Regulierung allein kann das nicht lösen, das ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Kompetenz.       

Der ZAW hat erst kürzlich vor Arbeitsplatzverlusten vor Werbeverboten gewarnt. Ist es nicht vielmehr so, dass eigentlich KI die Arbeitswelt der Werber:innen bedroht?

Mosch: KI produziert im jetzigen Stadium noch überwiegend kreativen Durchschnitt. Damit sind in der Tat die Jobs und Firmen gefährdet, die bislang kreativen Durchschnitt produzieren. KI liefert heute eher Rohfassungen, Textentwürfe, einen Ideenpool von Vorschlägen für Namen oder Claims. Die Exzellenz scheint mir aktuell noch dem Menschen vorbehalten. Bisher verändert KI im aktuellen Stadium eher bestehende Jobprofile, ersetzt die ersten Phasen des kreativen Prozesses und verschärft die Anforderungen an uns in den späteren Phasen, wenn aus Durchschnitt Exzellenz wird.

Aber – und das gehört auch zur Wahrheit - die Leistungsfähigkeit von AI-Systemen wird schon in wenigen Jahren exponentiell gewachsen sein. Dann wird es sicherlich in vielen Berufsfeldern, und ganz gewiss auch im Marketing, zu starken Veränderungen kommen. Die Erfahrung aus früheren Technologiesprüngen zeigt aber, dass in solchen Umbruchphasen oft mehr Jobs entstehen als wegfallen. Die Jobprofile allerdings ändern sich fundamental.     

Bleiben wir beim in die Zukunft: Wo wird KI das Marketing in den kommenden Monaten am meisten beeinflussen?

Mosch: Die generative AI wird sehr bald Einzug halten in alle Software-Tools, die wir im Marketing einsetzen. Dadurch können wir viele interne Prozesse weiter automatisieren und beschleunigen. Vor allem aber wird sich die Erstellung von Texten, Bildern und Videos grundlegend verändern. Wir werden in der Lage sein, Personalisierung und Individualisierung in der Zielgruppenansprache zu maximieren.  Wie das im Einzelnen aussehen wird, können wir - glaube ich - auf der DMEXCO in Köln am 20. und 21. September 2023 erleben.  

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Thomas Mosch ist seit April 2020 Director Conference der DMEXCO bei der Koelnmesse und damit zuständig für die Formate, Inhalte und Speaker auf den Bühnen. Der studierte Diplom-Ingenieur hat nach seiner Zeit als Mitglied der Geschäftsleitung des Digitalverbandes BITKOM in verschiedenen Positionen bei der Deutsche Messe AG in Hannover gearbeitet: Von November 2013 bis Dezember 2018 war er Head of CEBIT Conferences and CEBIT Partner Country. Zuletzt verantwortete er bei der Deutsche Messe AG die Konzeption und Organisation von B2B-Events zum Schwerpunkt Digitale Transformation.

Weitere Interviews:
Cornelia Krebs: Kann eine KI Emotionen erkennen?
Cesar Romero Pose: AI-Film – Netlifx für KI-Filme
Peter Kabel: Die Zukunft gehört der Tool-Chain

"KI produziert noch kreativen Durchschnitt "

Interview

5 Minuten

21.08.2023

Helmut van Rinsum

Portrait von Thomas Mosch

Künstliche Intelligenz wird auch auf der anstehenden DMEXCO eines der Topthemen sein, sagt Thomas Mosch, Director Conference. Ein Gespräch über die zukünftige Rolle von KI in kreativen Prozessen, wichtige Aspekte der Regulierung und eine mögliche Content-Flut mit fragwürdigen Inhalten.

Empowering Digital Creativity - so lautet das Motto der DMEXCO 2023. Eigentlich hätte man vermuten können, dass irgendwo das Kürzel AI auftaucht…

Thomas Mosch: Wie zum Beispiel in CreAItivity? Das hätten wir uns nicht getraut. Tatsächlich starten wir mit der Mottofindung schon sechs Wochen nach dem letzten Event. Also etwa Mitte November, wenn die großen Beratungshäuser und die führenden Agenturen ihre Trendprognosen publizieren. Da ist natürlich immer noch reichlich Glaskugel dabei, aber unsere Analyse zeigte Ende 2022 doch ziemlich deutlich, dass die gravierendsten Veränderungen in unserer Branche an der Schnittstelle von Datenanalyse und Kreativität entstehen werden. Wir waren uns einig, dass immer leistungsfähigere Software und ständig wachsende Datenmengen die kreativen Prozesse immer stärker prägen werden. Für das, was dabei entsteht, wählten wir den Begriff „Digital Creativity”. Doch sollten wir als kreative Branche nicht Getriebener dieser Entwicklung sein, sondern diese gestalten und die neuen kreativen Potenziale nutzen. Deshalb stellten wir das „Empowering” an den Beginn unseres Mottos.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir trotzdem überrascht waren, wie dominant das Thema Artificial Intelligence nach dem Release von ChatGPT Ende des Jahres geworden ist. Aber auch, wie sehr das Staunen über die Leistungsfähigkeit Künstlicher Intelligenz das Nachdenken über den Wert menschlicher Kreativität und Emotionalität veranlasst hat.

Die Marketingbranche wird durch die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz gerade richtiggehend durchgeschüttelt. Inwiefern spiegelt sich diese Entwicklung auf der Konferenz wider?

Mosch: Künstliche Intelligenz wird sicher eines der Top-Themen der DMEXCO-Konferenz werden, etwa 20 Prozent der mir heute schon bekannten Vorträge werden sich explizit damit auseinandersetzen – darunter sind auch einige Gegenreden. Wir freuen uns, dass Innovatoren wie Adobe, Google, Kumo, Microsoft oder Synthesia über Technologien und AI-basierte Produkte berichten werden. Einige große Brands und Agenturen werden aktuelle KI-basierte Projekte vorstellen. Dazu wird es intensive Diskussionen über die zukünftige Rollenverteilung der Stakeholder in kreativen Prozessen geben und zuletzt wollen wir auch einen Blick auf drängende rechtliche und regulatorische Fragen werfen.

Ich nehme mal an, dass auch zahlreiche der Aussteller das Thema KI strapazieren?

Mosch: Ja, davon gehe ich aus. Sehr viele Aussteller haben sich in den vergangenen Monaten intensiv damit auseinandergesetzt, wie stark AI ihr Leistungsangebot berührt, aber natürlich auch, wie sie mit AI ihr Leistungsangebot veredeln können. Wir werden in der Expo und natürlich auch in den über 150 Masterclasses viele AI-basierte Ideen, Konzepte und Lösungen vorgestellt bekommen. In aller Bescheidenheit: Die DMEXCO wird vermutlich gleichzeitig das umfangreichste und detaillierteste Angebot zum Thema machen können.    

Du persönlich begleitest die Entwicklung von KI schon viele Jahre. Wie ist Dein Eindruck: In welcher Phase befinden wir uns gerade?

Mosch: Wir haben in diesem Jahr vielleicht den gesellschaftlichen Durchbruch der Künstlichen Intelligenz erlebt. AI an sich ist ja nichts Neues, auch nicht im Marketing. AI ermöglicht schon seit langem Produktempfehlungen in Online-Shops und Spracherkennung auf Smartphones und Smart Speakers. Aber AI blieb im Hintergrund, war reaktiv, unterstützend und beschränkte sich auf die von Entwicklern vorgegebenen Funktionen. Jetzt ist AI generativ. Nahezu jeder ist in der Lage, einem AI-Tool ganz unterschiedliche Aufgaben zu erteilen und erhält sinnvolle und häufig auch hilfreiche Ergebnisse. Viele Menschen finden diese neuen Technologien interessant, viele Unternehmen entdecken darin attraktive Business-Potenziale.

Vor zehn Jahren gab es schon einmal eine intensive Diskussion über KI mit häufig dystopischen Szenarien, in denen autonome intelligente Systeme die Weltherrschaft übernehmen. Heute scheint mir die Akzeptanz von AI sehr viel verbreiteter zu sein, auch wenn die Unsicherheit geblieben ist über das, was da auf uns zukommen mag.

Was sind für Dich die drängendsten Fragen bei der anstehenden Entwicklung? Ist es das Thema Regulierung?

Mosch: Ich würde es ein bisschen umfangreicher sehen: Dass wir AI sehr behutsam einsetzen müssen, wann immer es über Text- oder Bilderstellung hinausgeht, zweifelt eigentlich niemand mehr ernsthaft an. Persönlich halte ich dafür die Regulierung als ein geeignetes Mittel. Mit dem AI Act sind wir in Europa ganz vorne mit dabei, wenn es um Regulierung geht. Ich glaube, damit leisten wir wichtige Grundlagenarbeit, bei der gesellschaftlichen Diskussion, wie wir mit KI künftig umgehen wollen. Ich hoffe aber, das gilt auch für das Ermöglichen von Innovationen durch KI.

Uns fehlt aber auch in anderen Bereichen noch der generelle Rahmen und die Erfahrung für den Einsatz von KI in der Breite. Sowohl in der Gesellschaft allgemein, als auch im Marketing speziell. Urheberrechtliche Fragen sind noch nicht gelöst. Wie sieht es mit der Kennzeichnungspflicht KI-generierter Inhalte aus? Wie geht die Gesellschaft damit um, dass möglicherweise bald massenhaft Content fragwürdiger inhaltlicher Qualität, aber perfekter Gestaltung das Netz flutet. Wie transparent müssen AI-Systeme sein, um zu verstehen, nach welchen Kriterien die Maschinen entscheiden? Oder werden wir das nie erfahren, weil es im Geschäftsgeheimnis der Firmen verborgen bleibt? Regulierung allein kann das nicht lösen, das ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Kompetenz.       

Der ZAW hat erst kürzlich vor Arbeitsplatzverlusten vor Werbeverboten gewarnt. Ist es nicht vielmehr so, dass eigentlich KI die Arbeitswelt der Werber:innen bedroht?

Mosch: KI produziert im jetzigen Stadium noch überwiegend kreativen Durchschnitt. Damit sind in der Tat die Jobs und Firmen gefährdet, die bislang kreativen Durchschnitt produzieren. KI liefert heute eher Rohfassungen, Textentwürfe, einen Ideenpool von Vorschlägen für Namen oder Claims. Die Exzellenz scheint mir aktuell noch dem Menschen vorbehalten. Bisher verändert KI im aktuellen Stadium eher bestehende Jobprofile, ersetzt die ersten Phasen des kreativen Prozesses und verschärft die Anforderungen an uns in den späteren Phasen, wenn aus Durchschnitt Exzellenz wird.

Aber – und das gehört auch zur Wahrheit - die Leistungsfähigkeit von AI-Systemen wird schon in wenigen Jahren exponentiell gewachsen sein. Dann wird es sicherlich in vielen Berufsfeldern, und ganz gewiss auch im Marketing, zu starken Veränderungen kommen. Die Erfahrung aus früheren Technologiesprüngen zeigt aber, dass in solchen Umbruchphasen oft mehr Jobs entstehen als wegfallen. Die Jobprofile allerdings ändern sich fundamental.     

Bleiben wir beim in die Zukunft: Wo wird KI das Marketing in den kommenden Monaten am meisten beeinflussen?

Mosch: Die generative AI wird sehr bald Einzug halten in alle Software-Tools, die wir im Marketing einsetzen. Dadurch können wir viele interne Prozesse weiter automatisieren und beschleunigen. Vor allem aber wird sich die Erstellung von Texten, Bildern und Videos grundlegend verändern. Wir werden in der Lage sein, Personalisierung und Individualisierung in der Zielgruppenansprache zu maximieren.  Wie das im Einzelnen aussehen wird, können wir - glaube ich - auf der DMEXCO in Köln am 20. und 21. September 2023 erleben.  

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