KI im Kundenservice: "Es geht nicht um eine komplette Automatisierung"

Interview

5 Minuten

17.05.2021

Helmut van Rinsum

Portrait von Gero Reiniger

Untersuchungen belegen: Wird Künstliche Intelligenz im Service eingesetzt, steigt die Zufriedenheit der Kunden. Dabei geht es nicht darum, die Kundenbetreuung so weit wie möglich über KI zu steuern. Sondern darum, ein möglichst reibungsloses Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologie zu erreichen. Ein Gespräch mit Gero Reiniger von Zelros.

Herr Reiniger, der Einsatz von KI zur Kundenbindung wird oftmals noch unterschätzt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Gero Reiniger: Diese Aussage trifft in meinen Augen nicht auf alle Branchen und Unternehmen in gleichem Maße zu,  da in einigen Firmen KI bereits fester Bestandteil des Kundenservices ist, beispielsweise durch den Einsatz von Bild- und Sprachanalyse sowie zur Kategorisierung von Dokumenten und Vorgängen. Zudem ist zu beobachten, dass sich selbst in den Branchen, die technisch tendenziell nicht zu den Vorreitern zählen, viel tut: Lassen Sie mich ganz konkret einen Blick auf den Banken- und Versicherungssektor werfen: Laut einer von Capgemini veröffentlichten Studie verzeichnen 25 Prozent der Banken und 19 Prozent der Versicherungen eine 20 bis 40prozentige Steigerung der Kundenbindung durch die Einbindung einer KI in den Kundenservice. Somit zeigt sich: Der Einsatz von KI im Kundenservice kann sich schnell auszahlen – und deutliche Verbesserungen bewirken.

Was ist dabei wichtig? Auf was muss geachtet werden?

Reiniger: Vor allem sollte auf die Datensicherheit geachtet werden. Diese spielt nicht nur innerhalb Deutschlands oder der EU, sondern weltweit eine wichtige Rolle. Das wissen sowohl die SaaS-Anbieter als auch deren Kund:innen. Außerdem kann eine entsprechend trainierte KI menschliche Vorbehalte aus Arbeitsprozessen entfernen – und so die Basis für Gleichbehandlung und Inklusion bieten. Das haben auch  Banken und Versicherungsunternehmen entdeckt und setzen zunehmend auf KI.

Welche Fehler werden in diesem Zusammenhang trotzdem häufig gemacht?

Reiniger: Tatsächlich nimmt die Anzahl der Fehler stetig ab, da die aktuellen Fähigkeiten der KI immer besser genutzt werden. Ein Beispiel: Der Einsatz einer KI-basierten Bild- & Sprachanalyse im Kundenservice kann erstklassige Resultate erzielen, unter anderem um Standard-Anfragen automatisiert und rund um die Uhr zu beantworten – und so Service-Mitarbeiter:innen zu entlasten. Dabei ist die Sprachanalyse mittlerweile in der Lage, auch Emotionen der Nutzer:innen bis zu einem bestimmten Grad zu erkennen. Bei Bedarf können dann Mitarbeiter:innen übernehmen, für die die KI eine wichtige Vorarbeit geleistet hat. Somit ist mit den vorher von der KI gewonnenen Erkenntnissen eine bessere Kundenbetreuung möglich. Wichtig ist also die Erkenntnis: Es geht nicht um eine komplette Automatisierung, sondern um ein optimales Zusammenspiel von Mensch und Technologie, wobei die Technologie Vorarbeiten übernimmt, Prozesse beschleunigt und neue Erkenntnisse bietet.

Welche KPIs sollte man verfolgen, wenn man den Erfolg der Maßnahmen realistisch beurteilen will?

Reiniger: Bei dem Einsatz einer neuen, innovativen Technologie sollte gerade am Anfang nicht nur völlig zahlengetrieben gedacht werden. Wichtig sind auch “weiche” Faktoren wie: Hat sich die Kundenzufriedenheit verbessert, fühlen sie sich nun besser betreut? Werden die Mitarbeiter:innen besser unterstützt, entlastet oder haben mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben, statt dröger Routinen, sodass sich ihre Zufriedenheit verbessert? Solche Faktoren zahlen sich mittel- und langfristig für Unternehmen aus. Ansonsten gibt es, je nach Maßnahme, natürlich noch konkrete Kennzahlen, die gemessen werden können. Beispielsweise die Zeit bis zur ersten Kontaktaufnahme nach einer Kundenanfrage, die bis zur Lösung eines Problems benötigte Zeit oder auch die Anzahl an vollständig automatisierten Anfragen.

Bei der Integration verfolgen Unternehmen unterschiedliche Strategien. Wann macht es Sinn, die Lösungen im eigenen Hause zu entwickeln? Und wann sollte man besser outsourcen?

Reiniger: Die Entwicklung einer Lösung Inhouse ist vor allem notwendig, wenn kein entsprechendes Produkt bereits auf dem Markt angeboten wird. Dann sollte abgewogen werden, welchen Mehrwert diese Lösung verspricht, welcher ROI erwartet werden kann und in welchem Bereich sich die Entwicklungs- und Wartungskosten der Technologie bewegen.

Und wann ist ein Outsourcing sinnvoller?

Reiniger: SaaS-Lösungen eignen sich für Unternehmen, die hohen Wert auf eine schnelle Implementierung legen. Bei einer ”gekauften” Lösung eines Anbieters entfallen die Konzeptions- und Entwicklungszeit, auch etwaige Testphasen inklusive anschließender Fehlerbehebung fallen üblicherweise deutlich kürzer aus – aufgrund des vorherigen Testings durch den Anbieter bei anderen Unternehmen. Ein weiterer Aspekt: Qualifizierte Entwickler:innen, die Unternehmen für die das Erstellen einer KI-Lösung bräuchten, sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden – und dementsprechend teuer. Die anfallenden Kosten und Mühen für das Recruiting dieses Fachpersonals können Unternehmen durch eine SaaS-Lösung einsparen.

Bei SaaS-Lösungen gibt es manchmal die Bedenken, dass das Know-how außer Haus ist und vielleicht eines Tages die aktuellen Entwicklungen gar nicht mehr selbst beurteilen kann. Nachvollziehbar oder unbegründet?

Reiniger: In meinen Augen ist diese Sorge unbegründet, da Unternehmen auch Inhouse zumeist nur wenige, speziell geschulte Expert:innen auf dem jeweiligen Gebiet haben würden. Verlassen diese das Unternehmen, dann würden sie ebenfalls ihr Wissen mitnehmen. Darüber hinaus profitieren Unternehmen in der Praxis zumeist sehr von dem Know-how der Mitarbeiter:innen des SaaS-Anbieters, das ihnen, je nach Service-Level-Agreement, oftmals sogar rund um die Uhr zur Verfügung steht.

Sie betreuen mit Ihrem Unternehmen Kunden aus der Versicherungsbranche. Wie wird dort KI im Kundenservice genutzt?

Reiniger: Unsere Software wird flexibel in die Systeme oder digitalen Kundenprozesse der Versicherungsunternehmen eingebunden. Durch den Zugriff auf die strukturierten sowie unstrukturierten Daten, die im System der Versicherungsgesellschaft vorliegen, ist unsere Lösung in der Lage, die wichtigsten Kundeninformationen anzuzeigen und auf dieser Basis intelligente Prognosen und Vorschläge für die Mitarbeiter:innen oder Kund:innen zu generieren – und das in Echtzeit. Darauf basierend können die Berater:innen ihren Service entsprechend anpassen beziehungsweise kann die digitale Customer Journey individuell auf den Kund:innen angepasst werden. Hierbei gilt: Je mehr Daten der KI zur Verfügung gestellt werden, desto erfolgversprechender sind die durch Machine-Learning-Prozesse gegebenen Empfehlungen.

Wo sehen Sie Optimierungspotenzial?

Reiniger: Unsere – oder ganz generell gesprochen – jede Lösung ist nie fertig programmiert, sondern durch den technischen Fortschritt immer “Work in Progress”. Es kommen immer wieder neue Umstände, Angebote und Fälle hinzu, die neu integriert werden müssen. Das ist ein ganz normaler Prozess.

Hat die Branche ganz spezielle Anforderungen? Oder könnten Sie Ihre Dienstleistung auch in anderen Branche anbieten?

Reiniger: Prinzipiell legen wir bei Zelros’ KI-Lösung den Fokus auf das B2B-Geschäft. Die von uns entwickelte Lösung ist klar auf die Anforderungen von Versicherungsunternehmen zugeschnitten. Unsere Vision ist es, in fünf Jahren als weltweit führender Tech-Enabler für Versicherer wahrgenommen zu werden – und wir arbeiten täglich mit unseren Programmieren daran, dies Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Gero Reiniger ist Sales Director DACH bei Zelros, einem Software-Vendor, der künstliche Intelligenz für die Finanzwirtschaft entwickelt. In München verantwortet er die Erschließung des deutschen Marktes und arbeitet mit seinem Team an der Schnittstelle von Technologie, Anforderungen der Versicherungsunternehmen und den (rechtlichen) Rahmenbedingungen in der Versicherungswirtschaft.

Weitere Interviews:
Peter Kabel: Kreativberufe werden sich stark verändern
Andreas Stiegler: KI Übernimmt Aufgaben des Designers
Alex Frolov: KI enttarnt Fake-Follower im Influencer Marketing

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Interview

5 Minuten

17.05.2021

Helmut van Rinsum

Portrait von Gero Reiniger

Untersuchungen belegen: Wird Künstliche Intelligenz im Service eingesetzt, steigt die Zufriedenheit der Kunden. Dabei geht es nicht darum, die Kundenbetreuung so weit wie möglich über KI zu steuern. Sondern darum, ein möglichst reibungsloses Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologie zu erreichen. Ein Gespräch mit Gero Reiniger von Zelros.

Herr Reiniger, der Einsatz von KI zur Kundenbindung wird oftmals noch unterschätzt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Gero Reiniger: Diese Aussage trifft in meinen Augen nicht auf alle Branchen und Unternehmen in gleichem Maße zu,  da in einigen Firmen KI bereits fester Bestandteil des Kundenservices ist, beispielsweise durch den Einsatz von Bild- und Sprachanalyse sowie zur Kategorisierung von Dokumenten und Vorgängen. Zudem ist zu beobachten, dass sich selbst in den Branchen, die technisch tendenziell nicht zu den Vorreitern zählen, viel tut: Lassen Sie mich ganz konkret einen Blick auf den Banken- und Versicherungssektor werfen: Laut einer von Capgemini veröffentlichten Studie verzeichnen 25 Prozent der Banken und 19 Prozent der Versicherungen eine 20 bis 40prozentige Steigerung der Kundenbindung durch die Einbindung einer KI in den Kundenservice. Somit zeigt sich: Der Einsatz von KI im Kundenservice kann sich schnell auszahlen – und deutliche Verbesserungen bewirken.

Was ist dabei wichtig? Auf was muss geachtet werden?

Reiniger: Vor allem sollte auf die Datensicherheit geachtet werden. Diese spielt nicht nur innerhalb Deutschlands oder der EU, sondern weltweit eine wichtige Rolle. Das wissen sowohl die SaaS-Anbieter als auch deren Kund:innen. Außerdem kann eine entsprechend trainierte KI menschliche Vorbehalte aus Arbeitsprozessen entfernen – und so die Basis für Gleichbehandlung und Inklusion bieten. Das haben auch  Banken und Versicherungsunternehmen entdeckt und setzen zunehmend auf KI.

Welche Fehler werden in diesem Zusammenhang trotzdem häufig gemacht?

Reiniger: Tatsächlich nimmt die Anzahl der Fehler stetig ab, da die aktuellen Fähigkeiten der KI immer besser genutzt werden. Ein Beispiel: Der Einsatz einer KI-basierten Bild- & Sprachanalyse im Kundenservice kann erstklassige Resultate erzielen, unter anderem um Standard-Anfragen automatisiert und rund um die Uhr zu beantworten – und so Service-Mitarbeiter:innen zu entlasten. Dabei ist die Sprachanalyse mittlerweile in der Lage, auch Emotionen der Nutzer:innen bis zu einem bestimmten Grad zu erkennen. Bei Bedarf können dann Mitarbeiter:innen übernehmen, für die die KI eine wichtige Vorarbeit geleistet hat. Somit ist mit den vorher von der KI gewonnenen Erkenntnissen eine bessere Kundenbetreuung möglich. Wichtig ist also die Erkenntnis: Es geht nicht um eine komplette Automatisierung, sondern um ein optimales Zusammenspiel von Mensch und Technologie, wobei die Technologie Vorarbeiten übernimmt, Prozesse beschleunigt und neue Erkenntnisse bietet.

Welche KPIs sollte man verfolgen, wenn man den Erfolg der Maßnahmen realistisch beurteilen will?

Reiniger: Bei dem Einsatz einer neuen, innovativen Technologie sollte gerade am Anfang nicht nur völlig zahlengetrieben gedacht werden. Wichtig sind auch “weiche” Faktoren wie: Hat sich die Kundenzufriedenheit verbessert, fühlen sie sich nun besser betreut? Werden die Mitarbeiter:innen besser unterstützt, entlastet oder haben mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben, statt dröger Routinen, sodass sich ihre Zufriedenheit verbessert? Solche Faktoren zahlen sich mittel- und langfristig für Unternehmen aus. Ansonsten gibt es, je nach Maßnahme, natürlich noch konkrete Kennzahlen, die gemessen werden können. Beispielsweise die Zeit bis zur ersten Kontaktaufnahme nach einer Kundenanfrage, die bis zur Lösung eines Problems benötigte Zeit oder auch die Anzahl an vollständig automatisierten Anfragen.

Bei der Integration verfolgen Unternehmen unterschiedliche Strategien. Wann macht es Sinn, die Lösungen im eigenen Hause zu entwickeln? Und wann sollte man besser outsourcen?

Reiniger: Die Entwicklung einer Lösung Inhouse ist vor allem notwendig, wenn kein entsprechendes Produkt bereits auf dem Markt angeboten wird. Dann sollte abgewogen werden, welchen Mehrwert diese Lösung verspricht, welcher ROI erwartet werden kann und in welchem Bereich sich die Entwicklungs- und Wartungskosten der Technologie bewegen.

Und wann ist ein Outsourcing sinnvoller?

Reiniger: SaaS-Lösungen eignen sich für Unternehmen, die hohen Wert auf eine schnelle Implementierung legen. Bei einer ”gekauften” Lösung eines Anbieters entfallen die Konzeptions- und Entwicklungszeit, auch etwaige Testphasen inklusive anschließender Fehlerbehebung fallen üblicherweise deutlich kürzer aus – aufgrund des vorherigen Testings durch den Anbieter bei anderen Unternehmen. Ein weiterer Aspekt: Qualifizierte Entwickler:innen, die Unternehmen für die das Erstellen einer KI-Lösung bräuchten, sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden – und dementsprechend teuer. Die anfallenden Kosten und Mühen für das Recruiting dieses Fachpersonals können Unternehmen durch eine SaaS-Lösung einsparen.

Bei SaaS-Lösungen gibt es manchmal die Bedenken, dass das Know-how außer Haus ist und vielleicht eines Tages die aktuellen Entwicklungen gar nicht mehr selbst beurteilen kann. Nachvollziehbar oder unbegründet?

Reiniger: In meinen Augen ist diese Sorge unbegründet, da Unternehmen auch Inhouse zumeist nur wenige, speziell geschulte Expert:innen auf dem jeweiligen Gebiet haben würden. Verlassen diese das Unternehmen, dann würden sie ebenfalls ihr Wissen mitnehmen. Darüber hinaus profitieren Unternehmen in der Praxis zumeist sehr von dem Know-how der Mitarbeiter:innen des SaaS-Anbieters, das ihnen, je nach Service-Level-Agreement, oftmals sogar rund um die Uhr zur Verfügung steht.

Sie betreuen mit Ihrem Unternehmen Kunden aus der Versicherungsbranche. Wie wird dort KI im Kundenservice genutzt?

Reiniger: Unsere Software wird flexibel in die Systeme oder digitalen Kundenprozesse der Versicherungsunternehmen eingebunden. Durch den Zugriff auf die strukturierten sowie unstrukturierten Daten, die im System der Versicherungsgesellschaft vorliegen, ist unsere Lösung in der Lage, die wichtigsten Kundeninformationen anzuzeigen und auf dieser Basis intelligente Prognosen und Vorschläge für die Mitarbeiter:innen oder Kund:innen zu generieren – und das in Echtzeit. Darauf basierend können die Berater:innen ihren Service entsprechend anpassen beziehungsweise kann die digitale Customer Journey individuell auf den Kund:innen angepasst werden. Hierbei gilt: Je mehr Daten der KI zur Verfügung gestellt werden, desto erfolgversprechender sind die durch Machine-Learning-Prozesse gegebenen Empfehlungen.

Wo sehen Sie Optimierungspotenzial?

Reiniger: Unsere – oder ganz generell gesprochen – jede Lösung ist nie fertig programmiert, sondern durch den technischen Fortschritt immer “Work in Progress”. Es kommen immer wieder neue Umstände, Angebote und Fälle hinzu, die neu integriert werden müssen. Das ist ein ganz normaler Prozess.

Hat die Branche ganz spezielle Anforderungen? Oder könnten Sie Ihre Dienstleistung auch in anderen Branche anbieten?

Reiniger: Prinzipiell legen wir bei Zelros’ KI-Lösung den Fokus auf das B2B-Geschäft. Die von uns entwickelte Lösung ist klar auf die Anforderungen von Versicherungsunternehmen zugeschnitten. Unsere Vision ist es, in fünf Jahren als weltweit führender Tech-Enabler für Versicherer wahrgenommen zu werden – und wir arbeiten täglich mit unseren Programmieren daran, dies Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Gero Reiniger ist Sales Director DACH bei Zelros, einem Software-Vendor, der künstliche Intelligenz für die Finanzwirtschaft entwickelt. In München verantwortet er die Erschließung des deutschen Marktes und arbeitet mit seinem Team an der Schnittstelle von Technologie, Anforderungen der Versicherungsunternehmen und den (rechtlichen) Rahmenbedingungen in der Versicherungswirtschaft.

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5 Minuten

17.05.2021

Helmut van Rinsum

Portrait von Gero Reiniger

Untersuchungen belegen: Wird Künstliche Intelligenz im Service eingesetzt, steigt die Zufriedenheit der Kunden. Dabei geht es nicht darum, die Kundenbetreuung so weit wie möglich über KI zu steuern. Sondern darum, ein möglichst reibungsloses Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologie zu erreichen. Ein Gespräch mit Gero Reiniger von Zelros.

Herr Reiniger, der Einsatz von KI zur Kundenbindung wird oftmals noch unterschätzt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Gero Reiniger: Diese Aussage trifft in meinen Augen nicht auf alle Branchen und Unternehmen in gleichem Maße zu,  da in einigen Firmen KI bereits fester Bestandteil des Kundenservices ist, beispielsweise durch den Einsatz von Bild- und Sprachanalyse sowie zur Kategorisierung von Dokumenten und Vorgängen. Zudem ist zu beobachten, dass sich selbst in den Branchen, die technisch tendenziell nicht zu den Vorreitern zählen, viel tut: Lassen Sie mich ganz konkret einen Blick auf den Banken- und Versicherungssektor werfen: Laut einer von Capgemini veröffentlichten Studie verzeichnen 25 Prozent der Banken und 19 Prozent der Versicherungen eine 20 bis 40prozentige Steigerung der Kundenbindung durch die Einbindung einer KI in den Kundenservice. Somit zeigt sich: Der Einsatz von KI im Kundenservice kann sich schnell auszahlen – und deutliche Verbesserungen bewirken.

Was ist dabei wichtig? Auf was muss geachtet werden?

Reiniger: Vor allem sollte auf die Datensicherheit geachtet werden. Diese spielt nicht nur innerhalb Deutschlands oder der EU, sondern weltweit eine wichtige Rolle. Das wissen sowohl die SaaS-Anbieter als auch deren Kund:innen. Außerdem kann eine entsprechend trainierte KI menschliche Vorbehalte aus Arbeitsprozessen entfernen – und so die Basis für Gleichbehandlung und Inklusion bieten. Das haben auch  Banken und Versicherungsunternehmen entdeckt und setzen zunehmend auf KI.

Welche Fehler werden in diesem Zusammenhang trotzdem häufig gemacht?

Reiniger: Tatsächlich nimmt die Anzahl der Fehler stetig ab, da die aktuellen Fähigkeiten der KI immer besser genutzt werden. Ein Beispiel: Der Einsatz einer KI-basierten Bild- & Sprachanalyse im Kundenservice kann erstklassige Resultate erzielen, unter anderem um Standard-Anfragen automatisiert und rund um die Uhr zu beantworten – und so Service-Mitarbeiter:innen zu entlasten. Dabei ist die Sprachanalyse mittlerweile in der Lage, auch Emotionen der Nutzer:innen bis zu einem bestimmten Grad zu erkennen. Bei Bedarf können dann Mitarbeiter:innen übernehmen, für die die KI eine wichtige Vorarbeit geleistet hat. Somit ist mit den vorher von der KI gewonnenen Erkenntnissen eine bessere Kundenbetreuung möglich. Wichtig ist also die Erkenntnis: Es geht nicht um eine komplette Automatisierung, sondern um ein optimales Zusammenspiel von Mensch und Technologie, wobei die Technologie Vorarbeiten übernimmt, Prozesse beschleunigt und neue Erkenntnisse bietet.

Welche KPIs sollte man verfolgen, wenn man den Erfolg der Maßnahmen realistisch beurteilen will?

Reiniger: Bei dem Einsatz einer neuen, innovativen Technologie sollte gerade am Anfang nicht nur völlig zahlengetrieben gedacht werden. Wichtig sind auch “weiche” Faktoren wie: Hat sich die Kundenzufriedenheit verbessert, fühlen sie sich nun besser betreut? Werden die Mitarbeiter:innen besser unterstützt, entlastet oder haben mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben, statt dröger Routinen, sodass sich ihre Zufriedenheit verbessert? Solche Faktoren zahlen sich mittel- und langfristig für Unternehmen aus. Ansonsten gibt es, je nach Maßnahme, natürlich noch konkrete Kennzahlen, die gemessen werden können. Beispielsweise die Zeit bis zur ersten Kontaktaufnahme nach einer Kundenanfrage, die bis zur Lösung eines Problems benötigte Zeit oder auch die Anzahl an vollständig automatisierten Anfragen.

Bei der Integration verfolgen Unternehmen unterschiedliche Strategien. Wann macht es Sinn, die Lösungen im eigenen Hause zu entwickeln? Und wann sollte man besser outsourcen?

Reiniger: Die Entwicklung einer Lösung Inhouse ist vor allem notwendig, wenn kein entsprechendes Produkt bereits auf dem Markt angeboten wird. Dann sollte abgewogen werden, welchen Mehrwert diese Lösung verspricht, welcher ROI erwartet werden kann und in welchem Bereich sich die Entwicklungs- und Wartungskosten der Technologie bewegen.

Und wann ist ein Outsourcing sinnvoller?

Reiniger: SaaS-Lösungen eignen sich für Unternehmen, die hohen Wert auf eine schnelle Implementierung legen. Bei einer ”gekauften” Lösung eines Anbieters entfallen die Konzeptions- und Entwicklungszeit, auch etwaige Testphasen inklusive anschließender Fehlerbehebung fallen üblicherweise deutlich kürzer aus – aufgrund des vorherigen Testings durch den Anbieter bei anderen Unternehmen. Ein weiterer Aspekt: Qualifizierte Entwickler:innen, die Unternehmen für die das Erstellen einer KI-Lösung bräuchten, sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden – und dementsprechend teuer. Die anfallenden Kosten und Mühen für das Recruiting dieses Fachpersonals können Unternehmen durch eine SaaS-Lösung einsparen.

Bei SaaS-Lösungen gibt es manchmal die Bedenken, dass das Know-how außer Haus ist und vielleicht eines Tages die aktuellen Entwicklungen gar nicht mehr selbst beurteilen kann. Nachvollziehbar oder unbegründet?

Reiniger: In meinen Augen ist diese Sorge unbegründet, da Unternehmen auch Inhouse zumeist nur wenige, speziell geschulte Expert:innen auf dem jeweiligen Gebiet haben würden. Verlassen diese das Unternehmen, dann würden sie ebenfalls ihr Wissen mitnehmen. Darüber hinaus profitieren Unternehmen in der Praxis zumeist sehr von dem Know-how der Mitarbeiter:innen des SaaS-Anbieters, das ihnen, je nach Service-Level-Agreement, oftmals sogar rund um die Uhr zur Verfügung steht.

Sie betreuen mit Ihrem Unternehmen Kunden aus der Versicherungsbranche. Wie wird dort KI im Kundenservice genutzt?

Reiniger: Unsere Software wird flexibel in die Systeme oder digitalen Kundenprozesse der Versicherungsunternehmen eingebunden. Durch den Zugriff auf die strukturierten sowie unstrukturierten Daten, die im System der Versicherungsgesellschaft vorliegen, ist unsere Lösung in der Lage, die wichtigsten Kundeninformationen anzuzeigen und auf dieser Basis intelligente Prognosen und Vorschläge für die Mitarbeiter:innen oder Kund:innen zu generieren – und das in Echtzeit. Darauf basierend können die Berater:innen ihren Service entsprechend anpassen beziehungsweise kann die digitale Customer Journey individuell auf den Kund:innen angepasst werden. Hierbei gilt: Je mehr Daten der KI zur Verfügung gestellt werden, desto erfolgversprechender sind die durch Machine-Learning-Prozesse gegebenen Empfehlungen.

Wo sehen Sie Optimierungspotenzial?

Reiniger: Unsere – oder ganz generell gesprochen – jede Lösung ist nie fertig programmiert, sondern durch den technischen Fortschritt immer “Work in Progress”. Es kommen immer wieder neue Umstände, Angebote und Fälle hinzu, die neu integriert werden müssen. Das ist ein ganz normaler Prozess.

Hat die Branche ganz spezielle Anforderungen? Oder könnten Sie Ihre Dienstleistung auch in anderen Branche anbieten?

Reiniger: Prinzipiell legen wir bei Zelros’ KI-Lösung den Fokus auf das B2B-Geschäft. Die von uns entwickelte Lösung ist klar auf die Anforderungen von Versicherungsunternehmen zugeschnitten. Unsere Vision ist es, in fünf Jahren als weltweit führender Tech-Enabler für Versicherer wahrgenommen zu werden – und wir arbeiten täglich mit unseren Programmieren daran, dies Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Gero Reiniger ist Sales Director DACH bei Zelros, einem Software-Vendor, der künstliche Intelligenz für die Finanzwirtschaft entwickelt. In München verantwortet er die Erschließung des deutschen Marktes und arbeitet mit seinem Team an der Schnittstelle von Technologie, Anforderungen der Versicherungsunternehmen und den (rechtlichen) Rahmenbedingungen in der Versicherungswirtschaft.

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