Julia Saswito: „Den entscheidenden Unterschied machen Daten"

Interview

7 Minuten

03.09.2024

Foto von Julia Saswito, aimpower

Der Erfolg des Marketing ist davon abhängig, ob man die Konsumenten wirklich erreicht. Wirklich heißt, dass die Werbebotschaft wahrgenommen wird und dabei positive Gefühle und Gedanken auslöst. Julia Saswito, Chief Marketing Officer und Head of Strategy, aimpower, sagt, dass ihre AI-Plattform das ziemlich genau vorhersagen kann. Ein Gespräch über das Zusammenspiel von KI und Neurowissenschaft und die Frage, welche Trends sich abzeichnen.

Frau Saswito, auf Ihrer Website steht: brainsuite ist die einzige AI-Plattform mit der man alle Arten von Werbemitteln testen kann. Alle Arten bedeutet…?

Julia Saswito: … dass unsere Plattform sowohl above-the-line als auch below-the-line-Werbung testen kann. Dies umfasst Videos, Print- und Out-of-Home-Anzeigen, digitale Anzeigen, Verpackungsdesign, TV-Spots, Regale sowie Social-Media- oder E-Commerce-Inhalte. Unser Ziel ist es, eine umfassende Lösung zu bieten, die alle gängigen Formate abdeckt.

Welche KI-Modelle und Methoden kommen zum Einsatz?

Saswito: Wir kombinieren maschinelles Lernen und neuronale Netze. Wir nutzen über 200 KI-Module, die darauf spezialisiert sind, vorherzusagen, wie ein Konsumentengehirn Bild, Text, Video und Audio verarbeitet. Diese Module beruhen auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, die wir so jedem Brand-Team einfach und schnell zugänglich machen. Die AI-Modelle wurden mit über einer Milliarde echter menschlicher Datenpunkte trainiert und validiert, was für eine präzise Mustererkennung sorgt. Beispielsweise nutzen wir reale Eyetracking-Daten aus der Marktforschung, um die Aufmerksamkeit und das Engagement der Konsumenten zu messen. Alle Apps in der brainsuite sind mit über 50 Millionen Datenpunkten auf Brand Management spezialisiert und bieten unseren Kunden spezifische Benchmarks und Normen für diese Anwendungen. Das Testen dauert im Schnitt drei Minuten. Es ist deutlich schneller als klassische Marktforschungsmethoden.

Wie werden die neuesten Entwicklungen im Bereich KI wie Transformer-Modelle in die Plattform integriert?

Saswito: Wir nutzen neue Entwicklungen wie Transformer, wenn wir sehen, dass wir damit einen oder mehrere unserer KPIs noch besser erreichen können. "Besser" bedeutet, dass wir durch eine neue Architektur wie Transformer eine höhere prädiktive Genauigkeit für unsere relevanten Metriken erzielen können, zum Beispiel Sentimentanalysen von Texten oder Erinnerbarkeit von Bildern, jeweils bezogen auf menschliche Ground-Truth-Daten. Allerdings zeigt sich in der Praxis: Den entscheidenden Unterschied machen fast immer die Daten selbst, fast unabhängig von der zugrunde liegenden Architektur – zum Beispiel Convolutional Networks versus Transformer bei Bildverarbeitung oder RNN versus Transformer bei Texten. Je besser die Daten, desto besser das Ergebnis – darin sind sich die KI-Experten einig.

KI-Modelle ähneln der menschlichen Wahrnehmung

Für welche konkreten Anwendungsfälle setzen Kunden wie PepsiCo Ihre Plattform ein?

Saswito: PepsiCo nutzt sie, um die Effektivität ihrer Shopper-Marketing-Kampagnen am Point of Sale zu maximieren. Vor der Einführung der brainsuite fehlten standardisierte Tools und Prozesse, um die Wirksamkeit der Marketingmaterialien zu bewerten. Mit dem Einsatz unserer Lösungen kann PepsiCo nun schnell und effizient vorhersagen, wie Werbung von Konsumenten wahrgenommen wird und welche Wirkung sie am Point of Sale hat.  Dies wird durch eine Kombination aus Verhaltenswissenschaften, Computer Vision und Deep-Learning-Modellen ermöglicht.

Welche Metriken und KPIs werden typischerweise gemessen, um die Werbewirksamkeit zu bewerten?

Saswito: Die KI-Modelle sind darauf trainiert, visuelle, textliche und auditive Inhalte so zu verarbeiten und wahrzunehmen, dass es der menschlichen Verarbeitung ähnelt. Dabei werden sechs zentrale Wirksamkeitstreiber analysiert: Aufmerksamkeit, Branding, Verarbeitungsflüssigkeit, Strategischer Fit, Emotionale Aktivierung und Überzeugungskraft.  Die Aufmerksamkeit zeigt, wie gut die Werbung die Blicke der Konsumenten auf sich zieht. Wir untersuchen das Branding, um festzustellen, inwieweit die Marke klar und positiv wahrgenommen wird. Ein weiterer Aspekt ist die Verarbeitungsflüssigkeit, die bewertet, ob der Inhalt der Werbung leicht verständlich ist. Um die strategische Ausrichtung zu prüfen, analysieren wir den strategischen Fit, der zeigt, wie gut die Werbung zur übergeordneten Marketingstrategie und den Zielgruppen passt. Die emotionale Aktivierung spielt ebenfalls eine große Rolle, indem sie erfasst, welche Emotionen bei den Konsumenten ausgelöst werden. Schließlich betrachten wir die Überzeugungskraft, um zu messen, in welchem Maße die Werbung die Kaufabsicht der Konsumenten beeinflusst.

Welche Weiterentwicklungen und neuen Funktionen sind geplant?

Saswito: Derzeit arbeiten wir an neuen Funktionen für das Category Management, um noch immersivere und realitätsnähere Testumgebungen zu schaffen. Vor Kurzem haben wir unsere neue Lösung Pack+Shelf eingeführt, die unseren Kunden hilft, die Wirkung ihrer Werbemittel im Regal-Kontext besser zu verstehen und zu optimieren.

Zudem planen wir, nicht nur immer präzisere Empfehlungen zu geben, sondern auch die Anzahl spezifischer Anwendungsfelder zu erweitern. Der Ausbau unseres Cockpits zum Monitoring hat ebenfalls Priorität, um eine umfassende Übersicht der Datenanalyse über Assets und Kampagnen hinweg zu ermöglichen. Die brainsuite soll dabei zum zentralen Werkzeug für Marketeers, Brand Manager und andere Marketingverantwortliche werden, damit jedem Anwender jederzeit alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen.

KI übernimmt die Rolle des Assistenten

Wie können Marketing-Teams erfolgreich an die Nutzung von KI herangeführt werden?

Saswito: Dies erfordert einen strukturierten Ansatz. Zunächst ist es wichtig, dass Teams ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von KI entwickeln. Wir erklären dabei ausführlich, warum wir bestimmte Metriken messen, wie diese in die bestehenden Frameworks integriert werden können, wie sich KI-basierte Methoden zum Beispiel von traditionellen Konsumentenbefragungen unterscheiden und warum sie eine evidenzbasierte Grundlage bieten. Gleichzeitig werden auch die Limitationen der KI klar kommuniziert, um Erwartungen und Ängste der Teams offen anzusprechen. Wir zeigen außerdem konkret, an welchen Stellen im Marketingprozess KI-Lösungen am effektivsten eingesetzt werden können – sei es im Pretesting von Werbemitteln, bei der Optimierung laufender Kampagnen oder im strategischen Entscheidungsprozess.

Wie schätzen Sie die zukünftige Rolle von KI im Marketing ein? Welche Trends zeichnen sich ab?

Saswito: KI wird im Marketing eine unterstützende Rolle einnehmen und die Arbeit der Marketing-Teams erleichtern. Während KI besonders bei der datengestützten Entscheidungsfindung und der Optimierung von Kampagnen hilft, bleibt die menschliche Kreativität unersetzlich. KI kann den kreativen Prozess und das Storytelling punktuell unterstützen, doch die wertvolle menschliche Erfahrung und kreative Fähigkeiten sind nach wie vor entscheidend. KI wird also vielmehr die Rolle eines wertvollen Assistenten übernehmen und Marketeers nicht ersetzen.

Ein klarer Trend ist die Integration von KI zur Personalisierung von Inhalten und zur Echtzeitanalyse der Werbewirkung. Dies ermöglicht es Marketing-Teams, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Strategien dynamisch anzupassen. Insgesamt wird KI die Effizienz und Präzision im Marketing erhöhen.

Wo sehen Sie Grenzen von KI im Marketingkontext?

Saswito: Obwohl KI viele Vorteile bietet, gibt es auch Grenzen. Eine davon ist die Abhängigkeit von qualitativ hochwertigen Daten – ohne diese kann die KI keine genauen Vorhersagen treffen. Zudem kann KI Kreativität und menschliches Einfühlungsvermögen nicht komplett ersetzen. Beispielsweise sind Humor und Ironie wichtige Werkzeuge in der Werbung, die von der KI derzeit noch nicht immer verstanden und vorhergesagt werden.  Auch beim Erkennen von Prominenten in Werbekampagnen tut sich die KI mitunter schwer. Es wird immer eine Balance zwischen technologischen Lösungen und menschlicher Intuition geben müssen.  KI ist eine große Unterstützung, aber für die Entwicklung initialer Ideen und die endgültigen Entscheidungen ist nach wie vor der Mensch unverzichtbar.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Julia Saswito ist Digitalpionierin und Spezialistin für Customer Experience und Markenführung. Nach dem erfolgreichen Aufbau der Digitalagentur Triplesense und ihrer Zeit als Partnerin bei der internationalen Reply-Gruppe wechselte sie 2021 ins Management-Team des KI-Start-ups aimpower. Als CMO und Head of Strategy prägt sie dort die noch junge KI-Szene mit und arbeitet an neuen Lösungen für Brand Management und Effektivitätsmessung.

Julia Saswito: „Den entscheidenden Unterschied machen Daten"

Interview

7 Minuten

03.09.2024

Foto von Julia Saswito, aimpower

Der Erfolg des Marketing ist davon abhängig, ob man die Konsumenten wirklich erreicht. Wirklich heißt, dass die Werbebotschaft wahrgenommen wird und dabei positive Gefühle und Gedanken auslöst. Julia Saswito, Chief Marketing Officer und Head of Strategy, aimpower, sagt, dass ihre AI-Plattform das ziemlich genau vorhersagen kann. Ein Gespräch über das Zusammenspiel von KI und Neurowissenschaft und die Frage, welche Trends sich abzeichnen.

Frau Saswito, auf Ihrer Website steht: brainsuite ist die einzige AI-Plattform mit der man alle Arten von Werbemitteln testen kann. Alle Arten bedeutet…?

Julia Saswito: … dass unsere Plattform sowohl above-the-line als auch below-the-line-Werbung testen kann. Dies umfasst Videos, Print- und Out-of-Home-Anzeigen, digitale Anzeigen, Verpackungsdesign, TV-Spots, Regale sowie Social-Media- oder E-Commerce-Inhalte. Unser Ziel ist es, eine umfassende Lösung zu bieten, die alle gängigen Formate abdeckt.

Welche KI-Modelle und Methoden kommen zum Einsatz?

Saswito: Wir kombinieren maschinelles Lernen und neuronale Netze. Wir nutzen über 200 KI-Module, die darauf spezialisiert sind, vorherzusagen, wie ein Konsumentengehirn Bild, Text, Video und Audio verarbeitet. Diese Module beruhen auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, die wir so jedem Brand-Team einfach und schnell zugänglich machen. Die AI-Modelle wurden mit über einer Milliarde echter menschlicher Datenpunkte trainiert und validiert, was für eine präzise Mustererkennung sorgt. Beispielsweise nutzen wir reale Eyetracking-Daten aus der Marktforschung, um die Aufmerksamkeit und das Engagement der Konsumenten zu messen. Alle Apps in der brainsuite sind mit über 50 Millionen Datenpunkten auf Brand Management spezialisiert und bieten unseren Kunden spezifische Benchmarks und Normen für diese Anwendungen. Das Testen dauert im Schnitt drei Minuten. Es ist deutlich schneller als klassische Marktforschungsmethoden.

Wie werden die neuesten Entwicklungen im Bereich KI wie Transformer-Modelle in die Plattform integriert?

Saswito: Wir nutzen neue Entwicklungen wie Transformer, wenn wir sehen, dass wir damit einen oder mehrere unserer KPIs noch besser erreichen können. "Besser" bedeutet, dass wir durch eine neue Architektur wie Transformer eine höhere prädiktive Genauigkeit für unsere relevanten Metriken erzielen können, zum Beispiel Sentimentanalysen von Texten oder Erinnerbarkeit von Bildern, jeweils bezogen auf menschliche Ground-Truth-Daten. Allerdings zeigt sich in der Praxis: Den entscheidenden Unterschied machen fast immer die Daten selbst, fast unabhängig von der zugrunde liegenden Architektur – zum Beispiel Convolutional Networks versus Transformer bei Bildverarbeitung oder RNN versus Transformer bei Texten. Je besser die Daten, desto besser das Ergebnis – darin sind sich die KI-Experten einig.

KI-Modelle ähneln der menschlichen Wahrnehmung

Für welche konkreten Anwendungsfälle setzen Kunden wie PepsiCo Ihre Plattform ein?

Saswito: PepsiCo nutzt sie, um die Effektivität ihrer Shopper-Marketing-Kampagnen am Point of Sale zu maximieren. Vor der Einführung der brainsuite fehlten standardisierte Tools und Prozesse, um die Wirksamkeit der Marketingmaterialien zu bewerten. Mit dem Einsatz unserer Lösungen kann PepsiCo nun schnell und effizient vorhersagen, wie Werbung von Konsumenten wahrgenommen wird und welche Wirkung sie am Point of Sale hat.  Dies wird durch eine Kombination aus Verhaltenswissenschaften, Computer Vision und Deep-Learning-Modellen ermöglicht.

Welche Metriken und KPIs werden typischerweise gemessen, um die Werbewirksamkeit zu bewerten?

Saswito: Die KI-Modelle sind darauf trainiert, visuelle, textliche und auditive Inhalte so zu verarbeiten und wahrzunehmen, dass es der menschlichen Verarbeitung ähnelt. Dabei werden sechs zentrale Wirksamkeitstreiber analysiert: Aufmerksamkeit, Branding, Verarbeitungsflüssigkeit, Strategischer Fit, Emotionale Aktivierung und Überzeugungskraft.  Die Aufmerksamkeit zeigt, wie gut die Werbung die Blicke der Konsumenten auf sich zieht. Wir untersuchen das Branding, um festzustellen, inwieweit die Marke klar und positiv wahrgenommen wird. Ein weiterer Aspekt ist die Verarbeitungsflüssigkeit, die bewertet, ob der Inhalt der Werbung leicht verständlich ist. Um die strategische Ausrichtung zu prüfen, analysieren wir den strategischen Fit, der zeigt, wie gut die Werbung zur übergeordneten Marketingstrategie und den Zielgruppen passt. Die emotionale Aktivierung spielt ebenfalls eine große Rolle, indem sie erfasst, welche Emotionen bei den Konsumenten ausgelöst werden. Schließlich betrachten wir die Überzeugungskraft, um zu messen, in welchem Maße die Werbung die Kaufabsicht der Konsumenten beeinflusst.

Welche Weiterentwicklungen und neuen Funktionen sind geplant?

Saswito: Derzeit arbeiten wir an neuen Funktionen für das Category Management, um noch immersivere und realitätsnähere Testumgebungen zu schaffen. Vor Kurzem haben wir unsere neue Lösung Pack+Shelf eingeführt, die unseren Kunden hilft, die Wirkung ihrer Werbemittel im Regal-Kontext besser zu verstehen und zu optimieren.

Zudem planen wir, nicht nur immer präzisere Empfehlungen zu geben, sondern auch die Anzahl spezifischer Anwendungsfelder zu erweitern. Der Ausbau unseres Cockpits zum Monitoring hat ebenfalls Priorität, um eine umfassende Übersicht der Datenanalyse über Assets und Kampagnen hinweg zu ermöglichen. Die brainsuite soll dabei zum zentralen Werkzeug für Marketeers, Brand Manager und andere Marketingverantwortliche werden, damit jedem Anwender jederzeit alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen.

KI übernimmt die Rolle des Assistenten

Wie können Marketing-Teams erfolgreich an die Nutzung von KI herangeführt werden?

Saswito: Dies erfordert einen strukturierten Ansatz. Zunächst ist es wichtig, dass Teams ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von KI entwickeln. Wir erklären dabei ausführlich, warum wir bestimmte Metriken messen, wie diese in die bestehenden Frameworks integriert werden können, wie sich KI-basierte Methoden zum Beispiel von traditionellen Konsumentenbefragungen unterscheiden und warum sie eine evidenzbasierte Grundlage bieten. Gleichzeitig werden auch die Limitationen der KI klar kommuniziert, um Erwartungen und Ängste der Teams offen anzusprechen. Wir zeigen außerdem konkret, an welchen Stellen im Marketingprozess KI-Lösungen am effektivsten eingesetzt werden können – sei es im Pretesting von Werbemitteln, bei der Optimierung laufender Kampagnen oder im strategischen Entscheidungsprozess.

Wie schätzen Sie die zukünftige Rolle von KI im Marketing ein? Welche Trends zeichnen sich ab?

Saswito: KI wird im Marketing eine unterstützende Rolle einnehmen und die Arbeit der Marketing-Teams erleichtern. Während KI besonders bei der datengestützten Entscheidungsfindung und der Optimierung von Kampagnen hilft, bleibt die menschliche Kreativität unersetzlich. KI kann den kreativen Prozess und das Storytelling punktuell unterstützen, doch die wertvolle menschliche Erfahrung und kreative Fähigkeiten sind nach wie vor entscheidend. KI wird also vielmehr die Rolle eines wertvollen Assistenten übernehmen und Marketeers nicht ersetzen.

Ein klarer Trend ist die Integration von KI zur Personalisierung von Inhalten und zur Echtzeitanalyse der Werbewirkung. Dies ermöglicht es Marketing-Teams, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Strategien dynamisch anzupassen. Insgesamt wird KI die Effizienz und Präzision im Marketing erhöhen.

Wo sehen Sie Grenzen von KI im Marketingkontext?

Saswito: Obwohl KI viele Vorteile bietet, gibt es auch Grenzen. Eine davon ist die Abhängigkeit von qualitativ hochwertigen Daten – ohne diese kann die KI keine genauen Vorhersagen treffen. Zudem kann KI Kreativität und menschliches Einfühlungsvermögen nicht komplett ersetzen. Beispielsweise sind Humor und Ironie wichtige Werkzeuge in der Werbung, die von der KI derzeit noch nicht immer verstanden und vorhergesagt werden.  Auch beim Erkennen von Prominenten in Werbekampagnen tut sich die KI mitunter schwer. Es wird immer eine Balance zwischen technologischen Lösungen und menschlicher Intuition geben müssen.  KI ist eine große Unterstützung, aber für die Entwicklung initialer Ideen und die endgültigen Entscheidungen ist nach wie vor der Mensch unverzichtbar.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Julia Saswito ist Digitalpionierin und Spezialistin für Customer Experience und Markenführung. Nach dem erfolgreichen Aufbau der Digitalagentur Triplesense und ihrer Zeit als Partnerin bei der internationalen Reply-Gruppe wechselte sie 2021 ins Management-Team des KI-Start-ups aimpower. Als CMO und Head of Strategy prägt sie dort die noch junge KI-Szene mit und arbeitet an neuen Lösungen für Brand Management und Effektivitätsmessung.

Julia Saswito: „Den entscheidenden Unterschied machen Daten"

Interview

7 Minuten

03.09.2024

Foto von Julia Saswito, aimpower

Der Erfolg des Marketing ist davon abhängig, ob man die Konsumenten wirklich erreicht. Wirklich heißt, dass die Werbebotschaft wahrgenommen wird und dabei positive Gefühle und Gedanken auslöst. Julia Saswito, Chief Marketing Officer und Head of Strategy, aimpower, sagt, dass ihre AI-Plattform das ziemlich genau vorhersagen kann. Ein Gespräch über das Zusammenspiel von KI und Neurowissenschaft und die Frage, welche Trends sich abzeichnen.

Frau Saswito, auf Ihrer Website steht: brainsuite ist die einzige AI-Plattform mit der man alle Arten von Werbemitteln testen kann. Alle Arten bedeutet…?

Julia Saswito: … dass unsere Plattform sowohl above-the-line als auch below-the-line-Werbung testen kann. Dies umfasst Videos, Print- und Out-of-Home-Anzeigen, digitale Anzeigen, Verpackungsdesign, TV-Spots, Regale sowie Social-Media- oder E-Commerce-Inhalte. Unser Ziel ist es, eine umfassende Lösung zu bieten, die alle gängigen Formate abdeckt.

Welche KI-Modelle und Methoden kommen zum Einsatz?

Saswito: Wir kombinieren maschinelles Lernen und neuronale Netze. Wir nutzen über 200 KI-Module, die darauf spezialisiert sind, vorherzusagen, wie ein Konsumentengehirn Bild, Text, Video und Audio verarbeitet. Diese Module beruhen auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, die wir so jedem Brand-Team einfach und schnell zugänglich machen. Die AI-Modelle wurden mit über einer Milliarde echter menschlicher Datenpunkte trainiert und validiert, was für eine präzise Mustererkennung sorgt. Beispielsweise nutzen wir reale Eyetracking-Daten aus der Marktforschung, um die Aufmerksamkeit und das Engagement der Konsumenten zu messen. Alle Apps in der brainsuite sind mit über 50 Millionen Datenpunkten auf Brand Management spezialisiert und bieten unseren Kunden spezifische Benchmarks und Normen für diese Anwendungen. Das Testen dauert im Schnitt drei Minuten. Es ist deutlich schneller als klassische Marktforschungsmethoden.

Wie werden die neuesten Entwicklungen im Bereich KI wie Transformer-Modelle in die Plattform integriert?

Saswito: Wir nutzen neue Entwicklungen wie Transformer, wenn wir sehen, dass wir damit einen oder mehrere unserer KPIs noch besser erreichen können. "Besser" bedeutet, dass wir durch eine neue Architektur wie Transformer eine höhere prädiktive Genauigkeit für unsere relevanten Metriken erzielen können, zum Beispiel Sentimentanalysen von Texten oder Erinnerbarkeit von Bildern, jeweils bezogen auf menschliche Ground-Truth-Daten. Allerdings zeigt sich in der Praxis: Den entscheidenden Unterschied machen fast immer die Daten selbst, fast unabhängig von der zugrunde liegenden Architektur – zum Beispiel Convolutional Networks versus Transformer bei Bildverarbeitung oder RNN versus Transformer bei Texten. Je besser die Daten, desto besser das Ergebnis – darin sind sich die KI-Experten einig.

KI-Modelle ähneln der menschlichen Wahrnehmung

Für welche konkreten Anwendungsfälle setzen Kunden wie PepsiCo Ihre Plattform ein?

Saswito: PepsiCo nutzt sie, um die Effektivität ihrer Shopper-Marketing-Kampagnen am Point of Sale zu maximieren. Vor der Einführung der brainsuite fehlten standardisierte Tools und Prozesse, um die Wirksamkeit der Marketingmaterialien zu bewerten. Mit dem Einsatz unserer Lösungen kann PepsiCo nun schnell und effizient vorhersagen, wie Werbung von Konsumenten wahrgenommen wird und welche Wirkung sie am Point of Sale hat.  Dies wird durch eine Kombination aus Verhaltenswissenschaften, Computer Vision und Deep-Learning-Modellen ermöglicht.

Welche Metriken und KPIs werden typischerweise gemessen, um die Werbewirksamkeit zu bewerten?

Saswito: Die KI-Modelle sind darauf trainiert, visuelle, textliche und auditive Inhalte so zu verarbeiten und wahrzunehmen, dass es der menschlichen Verarbeitung ähnelt. Dabei werden sechs zentrale Wirksamkeitstreiber analysiert: Aufmerksamkeit, Branding, Verarbeitungsflüssigkeit, Strategischer Fit, Emotionale Aktivierung und Überzeugungskraft.  Die Aufmerksamkeit zeigt, wie gut die Werbung die Blicke der Konsumenten auf sich zieht. Wir untersuchen das Branding, um festzustellen, inwieweit die Marke klar und positiv wahrgenommen wird. Ein weiterer Aspekt ist die Verarbeitungsflüssigkeit, die bewertet, ob der Inhalt der Werbung leicht verständlich ist. Um die strategische Ausrichtung zu prüfen, analysieren wir den strategischen Fit, der zeigt, wie gut die Werbung zur übergeordneten Marketingstrategie und den Zielgruppen passt. Die emotionale Aktivierung spielt ebenfalls eine große Rolle, indem sie erfasst, welche Emotionen bei den Konsumenten ausgelöst werden. Schließlich betrachten wir die Überzeugungskraft, um zu messen, in welchem Maße die Werbung die Kaufabsicht der Konsumenten beeinflusst.

Welche Weiterentwicklungen und neuen Funktionen sind geplant?

Saswito: Derzeit arbeiten wir an neuen Funktionen für das Category Management, um noch immersivere und realitätsnähere Testumgebungen zu schaffen. Vor Kurzem haben wir unsere neue Lösung Pack+Shelf eingeführt, die unseren Kunden hilft, die Wirkung ihrer Werbemittel im Regal-Kontext besser zu verstehen und zu optimieren.

Zudem planen wir, nicht nur immer präzisere Empfehlungen zu geben, sondern auch die Anzahl spezifischer Anwendungsfelder zu erweitern. Der Ausbau unseres Cockpits zum Monitoring hat ebenfalls Priorität, um eine umfassende Übersicht der Datenanalyse über Assets und Kampagnen hinweg zu ermöglichen. Die brainsuite soll dabei zum zentralen Werkzeug für Marketeers, Brand Manager und andere Marketingverantwortliche werden, damit jedem Anwender jederzeit alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen.

KI übernimmt die Rolle des Assistenten

Wie können Marketing-Teams erfolgreich an die Nutzung von KI herangeführt werden?

Saswito: Dies erfordert einen strukturierten Ansatz. Zunächst ist es wichtig, dass Teams ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von KI entwickeln. Wir erklären dabei ausführlich, warum wir bestimmte Metriken messen, wie diese in die bestehenden Frameworks integriert werden können, wie sich KI-basierte Methoden zum Beispiel von traditionellen Konsumentenbefragungen unterscheiden und warum sie eine evidenzbasierte Grundlage bieten. Gleichzeitig werden auch die Limitationen der KI klar kommuniziert, um Erwartungen und Ängste der Teams offen anzusprechen. Wir zeigen außerdem konkret, an welchen Stellen im Marketingprozess KI-Lösungen am effektivsten eingesetzt werden können – sei es im Pretesting von Werbemitteln, bei der Optimierung laufender Kampagnen oder im strategischen Entscheidungsprozess.

Wie schätzen Sie die zukünftige Rolle von KI im Marketing ein? Welche Trends zeichnen sich ab?

Saswito: KI wird im Marketing eine unterstützende Rolle einnehmen und die Arbeit der Marketing-Teams erleichtern. Während KI besonders bei der datengestützten Entscheidungsfindung und der Optimierung von Kampagnen hilft, bleibt die menschliche Kreativität unersetzlich. KI kann den kreativen Prozess und das Storytelling punktuell unterstützen, doch die wertvolle menschliche Erfahrung und kreative Fähigkeiten sind nach wie vor entscheidend. KI wird also vielmehr die Rolle eines wertvollen Assistenten übernehmen und Marketeers nicht ersetzen.

Ein klarer Trend ist die Integration von KI zur Personalisierung von Inhalten und zur Echtzeitanalyse der Werbewirkung. Dies ermöglicht es Marketing-Teams, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Strategien dynamisch anzupassen. Insgesamt wird KI die Effizienz und Präzision im Marketing erhöhen.

Wo sehen Sie Grenzen von KI im Marketingkontext?

Saswito: Obwohl KI viele Vorteile bietet, gibt es auch Grenzen. Eine davon ist die Abhängigkeit von qualitativ hochwertigen Daten – ohne diese kann die KI keine genauen Vorhersagen treffen. Zudem kann KI Kreativität und menschliches Einfühlungsvermögen nicht komplett ersetzen. Beispielsweise sind Humor und Ironie wichtige Werkzeuge in der Werbung, die von der KI derzeit noch nicht immer verstanden und vorhergesagt werden.  Auch beim Erkennen von Prominenten in Werbekampagnen tut sich die KI mitunter schwer. Es wird immer eine Balance zwischen technologischen Lösungen und menschlicher Intuition geben müssen.  KI ist eine große Unterstützung, aber für die Entwicklung initialer Ideen und die endgültigen Entscheidungen ist nach wie vor der Mensch unverzichtbar.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Julia Saswito ist Digitalpionierin und Spezialistin für Customer Experience und Markenführung. Nach dem erfolgreichen Aufbau der Digitalagentur Triplesense und ihrer Zeit als Partnerin bei der internationalen Reply-Gruppe wechselte sie 2021 ins Management-Team des KI-Start-ups aimpower. Als CMO und Head of Strategy prägt sie dort die noch junge KI-Szene mit und arbeitet an neuen Lösungen für Brand Management und Effektivitätsmessung.

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