Inkasso im KI- Zeitalter: Zwischen Technologie und Empathie
Inkasso im KI- Zeitalter: Zwischen Technologie und Empathie
Interview
7 Minuten
12.02.2025
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Inkasso hat oft einen schlechten Ruf – doch Sebastian Ludwig, CEO der coeo Group, will das ändern. Er nutzt generative KI, um Schuldner individuell anzusprechen, Stimmungen zu erkennen und empathische Lösungen zu finden. Doch wo sind die Grenzen der Automatisierung? Und bleibt der Mensch am Ende doch unersetzlich?
Herr Ludwig, die coeo Group setzt stark auf generative KI im Inkassoprozess. Wie hat sich durch den Einsatz von KI Ihre Herangehensweise an das Forderungsmanagement verändert?
Unsere grundsätzliche Herangehensweise hat sich durch den Einsatz von KI nicht verändert: Nach wie vor agieren wir besonders kundenzentriert und setzen auf die bestmögliche Customer Experience. Was sich jedoch verändert hat, sind die Mittel und Möglichkeiten, mit denen wir dieses Ziel erreichen. Dank generativer KI können wir bestehende Kommunikationskanäle – wie die sprachliche und schriftliche Interaktion mit Konsumenten – auf völlig neue Weise nutzen und steuern. Generative KI schreibt und spricht, wobei dies im Wesentlichen auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen und Datenanalysen basiert, während der Mensch die Prozesse überblickt, steuert und optimiert. Dadurch können wir individueller auf die Kunden eingehen und in Echtzeit reagieren – und das 24/7.
"KI ist kein Ersatz für menschliche Kompetenz"
Besonders innovativ ist, dass unsere KI-Technologie durch Sentimentanalysen Stimmungen erkennen kann. So wird etwa bei einem Anruf die emotionale Lage des Schuldners oder der Schuldnerin analysiert, um den weiteren Prozess optimal und einfühlsam zu steuern. Diese Kombination aus Technologie und Empathie ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten, die Erfolgsquoten zu steigern und gleichzeitig für alle Beteiligten eine faire, schnelle und positive Lösung zu schaffen. KI ist für uns daher kein Ersatz für menschliche Kompetenz, sondern eine wertvolle Unterstützung, die unser Engagement für eine herausragende Customer Experience auf das nächste Level hebt.
Ihr Unternehmen nutzt ein modulares KI-Ökosystem namens cAI, das speziell für das Forderungsmanagement entwickelt wurde. Was genau unterscheidet es von herkömmlichen Automatisierungssystemen?
Durch seine Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen, sich anzupassen und dabei menschliches Denken zu imitieren. Während traditionelle Systeme auf festgelegten Regeln basieren und oft starr sind, nutzt cAI generative KI, um kontextbezogen und flexibel auf individuelle Kundenbedürfnisse einzugehen. Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal ist sein modularer Aufbau, der weit über die klassischen Forderungsmanagement-Prozesse hinausgeht. Es integriert sich nahtlos in unsere sämtlichen Geschäftsprozesse – von Budget- und Buchhaltungsprozessen bis hin zu Pricing-Strategien.
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Ein weiterer Aspekt ist die Fähigkeit zur Nutzung spezialisierter KI-Agenten, die fachspezifische Aufgaben autonom analysieren, priorisieren und effizient bearbeiten. Diese Agenten arbeiten datengetrieben und können Prozesse dynamisch anpassen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. cAI unterstützt uns mit zehn spezialisierten Modulen und sogenannten Co-Piloten, die Routineaufgaben effizient erledigen, Informationen schneller verarbeiten und den Arbeitsalltag erheblich erleichtern. Zusätzlich gewährleistet es eine 24/7-Erreichbarkeit und reagiert in Echtzeit auf Anliegen. Diese Fähigkeiten ermöglichen eine Flexibilität und Skalierbarkeit, die weit über die Möglichkeiten traditioneller Automatisierungssysteme hinausgehen.
Statt einzelne Chatbots zu verwenden, übernimmt Ihre KI den kompletten Forderungsprozess und reagiert auf Kundenanfragen in Echtzeit. Welche Rolle spielt dabei die Verhaltensforschung, um Kunden individuell und gezielt zu betreuen?
"Dem Menschen hinter der Akte helfen"
Verhaltensforschung spielt eine zentrale Rolle in unserem Ansatz, KonsumentInnen individuell und gezielt zu betreuen. Unsere KI nutzt verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, um nicht nur die Situation der Schuldner zu verstehen, sondern auch deren Reaktionen und Emotionen einzuschätzen. Während früher Kategorien wie „Personas“ gebildet und genutzt wurden, können wir eine viel tiefergehende Analyse der Kommunikation, etwa zur Stimmung oder Tonalität, erstellen. So können wir zum Beispiel auf konfrontative Kunden deeskalierend reagieren oder positive Signale verstärken – und dabei die Bedürfnisse des Kunden individuell berücksichtigen.
Inkassounternehmen gelten oft als „Schuldeneintreiber“. Wie beeinflusst die generative KI bei Ihnen die Kundenkommunikation?
Natürlich liegt es im Geschäftsmodell von Inkassounternehmen, offenstehende Forderungen zu realisieren, "einzutreiben". Die generative KI beeinflusst dabei jedoch die Kommunikation grundlegend positiv: Sie ist 24/7 verfügbar, reagiert in Echtzeit und personalisiert jede Interaktion, um eine empathische und individuelle Kundenansprache zu ermöglichen. Auch wenn die KI beim Schuldner keine finanzielle Zahlungsfähigkeit herbeiführen kann, liegt unser Fokus darauf, dem Menschen hinter der Akte zu helfen. Das kann zum Beispiel durch individuelle Lösungen wie flexible Ratenzahlungen geschehen, die sich an den Möglichkeiten der Schuldner orientieren.
KI ersetzt starre Prozesse
Trägt dies zu einem Imagewandel der Branche bei?
Definitiv. Seit der Gründung ist es unser Ziel, das Image von Inkasso in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Wir möchten zeigen, dass wir keine klassischen "Schuldeneintreiber" sind, sondern ein modernes, technologiegetriebenes Unternehmen, das kundenorientiert und ethisch handelt. Der Einsatz von generativer KI spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch empathische, individuelle Kommunikation, die den Menschen und seine Situation in den Mittelpunkt stellt, schaffen wir Vertrauen und verändern die Wahrnehmung der Branche. Unsere KI ermöglicht es uns, flexibel und lösungsorientiert zu agieren, statt auf starre Prozesse und Konfrontation zu setzen. Dieser Ansatz professionalisiert die Wahrnehmung des Inkassos und baut Vorurteile ab. Das spiegelt sich unter anderem in unseren Google-Bewertungen wider, wo wir mit Abstand das beste Ranking der Branche haben. Mit moderner Technologie und einem klaren Fokus auf Menschlichkeit gestalten wir Inkasso neu – fair, transparent und zukunftsorientiert.
Welche Grenzen und Herausforderungen sehen Sie bei der Nutzung von KI für die individuelle Kundenkommunikation?
Eine der größten Grenzen ist die Tatsache, dass KI – so intelligent sie auch sein mag – niemals ein echtes menschliches Urteilsvermögen oder tiefes Mitgefühl vollständig nachbilden kann. Gerade in sensiblen Fällen, die komplexe finanzielle oder emotionale Situationen betreffen, bleibt der Mensch unersetzlich. Deshalb haben Schuldner:innen bei uns jederzeit die Möglichkeit, mit einem Menschen zu sprechen. Unsere Mitarbeitenden sind und bleiben essenziell, denn Empathie und situative Urteilsfähigkeit sind Fähigkeiten, die nur Menschen wirklich beherrschen. Wir sind überzeugt, dass die Kombination aus menschlicher Intelligenz, Empathie und künstlicher Intelligenz der Schlüssel zum langfristigen Erfolg ist.
Viele Module sind international einsetzbar
Perspektivisch bleibt zudem die Abhängigkeit von KI-Technologien ein kritischer Punkt, den wir stets im Auge behalten müssen. Für uns steht fest: KI ist ein mächtiges Werkzeug, doch der Mensch bleibt der zentrale Faktor – und der "Chef" der KI.
Ihr Unternehmen ist inzwischen in sieben europäischen Ländern aktiv. Wie kompliziert war es, die KI für die länderspezifischen Anforderungen zu trainieren?
Wir befinden uns noch am Anfang des Entwicklungsprozesses und arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung. Derzeit ist unsere KI-Lösung vor allem in Deutschland – unserem größten Markt – im Einsatz. Dennoch konnten wir bereits erfolgreich erste Module in anderen Ländern integrieren. Die Internationalisierung der Technologie gestaltet sich vergleichsweise einfach, da viele Module, wie beispielsweise die Sprach- und Textanalyse, universell einsetzbar sind. Die eigentlichen Herausforderungen liegen weniger in der Technologie selbst, sondern vielmehr in der operativen Umsetzung und den länderspezifischen Regulierungen.
Der Energiebedarf und die Nachhaltigkeit von KI werden intensiv diskutiert. Was unternehmen Sie, damit der Einsatz der generativen KI auch langfristig ökologisch vertretbar ist?
Ein zentraler Ansatz liegt in der Optimierung der Effizienz unserer Modelle. Unsere Entwicklerteams arbeiten bei uns kontinuierlich daran, die Rechenleistung und Energieeffizienz zu steigern – und das, ohne Kompromisse bei der Leistung einzugehen. Ergänzend setzen wir auf modulare Lösungen, die den Ressourceneinsatz auf das wirklich Notwendige beschränken. Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit liegt zudem in der Digitalisierung der Kundenkommunikation. Während herkömmliche Inkassounternehmen pro Forderungsangelegenheit häufig eine Vielzahl von Briefen versenden, ermöglicht uns cAI, diese traditionellen Versandprozesse noch effizienter zu ersetzen als es mit bisherigen Automatisierungslösungen möglich war. Das spart erhebliche Mengen Papier und reduziert den CO₂-Ausstoß spürbar.
Sebastian Ludwig leitet seit 2020 als CEO DACH die coeo Group. Unter seiner Leitung wuchs der Jahresumsatz von 50 Millionen Euro im Jahr 2018 auf prognostizierte 265 Millionen Euro für 2024. Vor seiner Tätigkeit bei der coeo Group sammelte Ludwig umfangreiche Erfahrungen in leitenden Positionen bei der Lowell Group, Tesch Inkasso und der Deutschen Telekom. Er hat mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung im Finanz- und Inkassosektor
Herr Ludwig, die coeo Group setzt stark auf generative KI im Inkassoprozess. Wie hat sich durch den Einsatz von KI Ihre Herangehensweise an das Forderungsmanagement verändert?
Unsere grundsätzliche Herangehensweise hat sich durch den Einsatz von KI nicht verändert: Nach wie vor agieren wir besonders kundenzentriert und setzen auf die bestmögliche Customer Experience. Was sich jedoch verändert hat, sind die Mittel und Möglichkeiten, mit denen wir dieses Ziel erreichen. Dank generativer KI können wir bestehende Kommunikationskanäle – wie die sprachliche und schriftliche Interaktion mit Konsumenten – auf völlig neue Weise nutzen und steuern. Generative KI schreibt und spricht, wobei dies im Wesentlichen auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen und Datenanalysen basiert, während der Mensch die Prozesse überblickt, steuert und optimiert. Dadurch können wir individueller auf die Kunden eingehen und in Echtzeit reagieren – und das 24/7.
"KI ist kein Ersatz für menschliche Kompetenz"
Besonders innovativ ist, dass unsere KI-Technologie durch Sentimentanalysen Stimmungen erkennen kann. So wird etwa bei einem Anruf die emotionale Lage des Schuldners oder der Schuldnerin analysiert, um den weiteren Prozess optimal und einfühlsam zu steuern. Diese Kombination aus Technologie und Empathie ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten, die Erfolgsquoten zu steigern und gleichzeitig für alle Beteiligten eine faire, schnelle und positive Lösung zu schaffen. KI ist für uns daher kein Ersatz für menschliche Kompetenz, sondern eine wertvolle Unterstützung, die unser Engagement für eine herausragende Customer Experience auf das nächste Level hebt.
Ihr Unternehmen nutzt ein modulares KI-Ökosystem namens cAI, das speziell für das Forderungsmanagement entwickelt wurde. Was genau unterscheidet es von herkömmlichen Automatisierungssystemen?
Durch seine Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen, sich anzupassen und dabei menschliches Denken zu imitieren. Während traditionelle Systeme auf festgelegten Regeln basieren und oft starr sind, nutzt cAI generative KI, um kontextbezogen und flexibel auf individuelle Kundenbedürfnisse einzugehen. Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal ist sein modularer Aufbau, der weit über die klassischen Forderungsmanagement-Prozesse hinausgeht. Es integriert sich nahtlos in unsere sämtlichen Geschäftsprozesse – von Budget- und Buchhaltungsprozessen bis hin zu Pricing-Strategien.
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Ein weiterer Aspekt ist die Fähigkeit zur Nutzung spezialisierter KI-Agenten, die fachspezifische Aufgaben autonom analysieren, priorisieren und effizient bearbeiten. Diese Agenten arbeiten datengetrieben und können Prozesse dynamisch anpassen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. cAI unterstützt uns mit zehn spezialisierten Modulen und sogenannten Co-Piloten, die Routineaufgaben effizient erledigen, Informationen schneller verarbeiten und den Arbeitsalltag erheblich erleichtern. Zusätzlich gewährleistet es eine 24/7-Erreichbarkeit und reagiert in Echtzeit auf Anliegen. Diese Fähigkeiten ermöglichen eine Flexibilität und Skalierbarkeit, die weit über die Möglichkeiten traditioneller Automatisierungssysteme hinausgehen.
Statt einzelne Chatbots zu verwenden, übernimmt Ihre KI den kompletten Forderungsprozess und reagiert auf Kundenanfragen in Echtzeit. Welche Rolle spielt dabei die Verhaltensforschung, um Kunden individuell und gezielt zu betreuen?
"Dem Menschen hinter der Akte helfen"
Verhaltensforschung spielt eine zentrale Rolle in unserem Ansatz, KonsumentInnen individuell und gezielt zu betreuen. Unsere KI nutzt verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, um nicht nur die Situation der Schuldner zu verstehen, sondern auch deren Reaktionen und Emotionen einzuschätzen. Während früher Kategorien wie „Personas“ gebildet und genutzt wurden, können wir eine viel tiefergehende Analyse der Kommunikation, etwa zur Stimmung oder Tonalität, erstellen. So können wir zum Beispiel auf konfrontative Kunden deeskalierend reagieren oder positive Signale verstärken – und dabei die Bedürfnisse des Kunden individuell berücksichtigen.
Inkassounternehmen gelten oft als „Schuldeneintreiber“. Wie beeinflusst die generative KI bei Ihnen die Kundenkommunikation?
Natürlich liegt es im Geschäftsmodell von Inkassounternehmen, offenstehende Forderungen zu realisieren, "einzutreiben". Die generative KI beeinflusst dabei jedoch die Kommunikation grundlegend positiv: Sie ist 24/7 verfügbar, reagiert in Echtzeit und personalisiert jede Interaktion, um eine empathische und individuelle Kundenansprache zu ermöglichen. Auch wenn die KI beim Schuldner keine finanzielle Zahlungsfähigkeit herbeiführen kann, liegt unser Fokus darauf, dem Menschen hinter der Akte zu helfen. Das kann zum Beispiel durch individuelle Lösungen wie flexible Ratenzahlungen geschehen, die sich an den Möglichkeiten der Schuldner orientieren.
KI ersetzt starre Prozesse
Trägt dies zu einem Imagewandel der Branche bei?
Definitiv. Seit der Gründung ist es unser Ziel, das Image von Inkasso in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Wir möchten zeigen, dass wir keine klassischen "Schuldeneintreiber" sind, sondern ein modernes, technologiegetriebenes Unternehmen, das kundenorientiert und ethisch handelt. Der Einsatz von generativer KI spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch empathische, individuelle Kommunikation, die den Menschen und seine Situation in den Mittelpunkt stellt, schaffen wir Vertrauen und verändern die Wahrnehmung der Branche. Unsere KI ermöglicht es uns, flexibel und lösungsorientiert zu agieren, statt auf starre Prozesse und Konfrontation zu setzen. Dieser Ansatz professionalisiert die Wahrnehmung des Inkassos und baut Vorurteile ab. Das spiegelt sich unter anderem in unseren Google-Bewertungen wider, wo wir mit Abstand das beste Ranking der Branche haben. Mit moderner Technologie und einem klaren Fokus auf Menschlichkeit gestalten wir Inkasso neu – fair, transparent und zukunftsorientiert.
Welche Grenzen und Herausforderungen sehen Sie bei der Nutzung von KI für die individuelle Kundenkommunikation?
Eine der größten Grenzen ist die Tatsache, dass KI – so intelligent sie auch sein mag – niemals ein echtes menschliches Urteilsvermögen oder tiefes Mitgefühl vollständig nachbilden kann. Gerade in sensiblen Fällen, die komplexe finanzielle oder emotionale Situationen betreffen, bleibt der Mensch unersetzlich. Deshalb haben Schuldner:innen bei uns jederzeit die Möglichkeit, mit einem Menschen zu sprechen. Unsere Mitarbeitenden sind und bleiben essenziell, denn Empathie und situative Urteilsfähigkeit sind Fähigkeiten, die nur Menschen wirklich beherrschen. Wir sind überzeugt, dass die Kombination aus menschlicher Intelligenz, Empathie und künstlicher Intelligenz der Schlüssel zum langfristigen Erfolg ist.
Viele Module sind international einsetzbar
Perspektivisch bleibt zudem die Abhängigkeit von KI-Technologien ein kritischer Punkt, den wir stets im Auge behalten müssen. Für uns steht fest: KI ist ein mächtiges Werkzeug, doch der Mensch bleibt der zentrale Faktor – und der "Chef" der KI.
Ihr Unternehmen ist inzwischen in sieben europäischen Ländern aktiv. Wie kompliziert war es, die KI für die länderspezifischen Anforderungen zu trainieren?
Wir befinden uns noch am Anfang des Entwicklungsprozesses und arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung. Derzeit ist unsere KI-Lösung vor allem in Deutschland – unserem größten Markt – im Einsatz. Dennoch konnten wir bereits erfolgreich erste Module in anderen Ländern integrieren. Die Internationalisierung der Technologie gestaltet sich vergleichsweise einfach, da viele Module, wie beispielsweise die Sprach- und Textanalyse, universell einsetzbar sind. Die eigentlichen Herausforderungen liegen weniger in der Technologie selbst, sondern vielmehr in der operativen Umsetzung und den länderspezifischen Regulierungen.
Der Energiebedarf und die Nachhaltigkeit von KI werden intensiv diskutiert. Was unternehmen Sie, damit der Einsatz der generativen KI auch langfristig ökologisch vertretbar ist?
Ein zentraler Ansatz liegt in der Optimierung der Effizienz unserer Modelle. Unsere Entwicklerteams arbeiten bei uns kontinuierlich daran, die Rechenleistung und Energieeffizienz zu steigern – und das, ohne Kompromisse bei der Leistung einzugehen. Ergänzend setzen wir auf modulare Lösungen, die den Ressourceneinsatz auf das wirklich Notwendige beschränken. Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit liegt zudem in der Digitalisierung der Kundenkommunikation. Während herkömmliche Inkassounternehmen pro Forderungsangelegenheit häufig eine Vielzahl von Briefen versenden, ermöglicht uns cAI, diese traditionellen Versandprozesse noch effizienter zu ersetzen als es mit bisherigen Automatisierungslösungen möglich war. Das spart erhebliche Mengen Papier und reduziert den CO₂-Ausstoß spürbar.
Sebastian Ludwig leitet seit 2020 als CEO DACH die coeo Group. Unter seiner Leitung wuchs der Jahresumsatz von 50 Millionen Euro im Jahr 2018 auf prognostizierte 265 Millionen Euro für 2024. Vor seiner Tätigkeit bei der coeo Group sammelte Ludwig umfangreiche Erfahrungen in leitenden Positionen bei der Lowell Group, Tesch Inkasso und der Deutschen Telekom. Er hat mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung im Finanz- und Inkassosektor
Herr Ludwig, die coeo Group setzt stark auf generative KI im Inkassoprozess. Wie hat sich durch den Einsatz von KI Ihre Herangehensweise an das Forderungsmanagement verändert?
Unsere grundsätzliche Herangehensweise hat sich durch den Einsatz von KI nicht verändert: Nach wie vor agieren wir besonders kundenzentriert und setzen auf die bestmögliche Customer Experience. Was sich jedoch verändert hat, sind die Mittel und Möglichkeiten, mit denen wir dieses Ziel erreichen. Dank generativer KI können wir bestehende Kommunikationskanäle – wie die sprachliche und schriftliche Interaktion mit Konsumenten – auf völlig neue Weise nutzen und steuern. Generative KI schreibt und spricht, wobei dies im Wesentlichen auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen und Datenanalysen basiert, während der Mensch die Prozesse überblickt, steuert und optimiert. Dadurch können wir individueller auf die Kunden eingehen und in Echtzeit reagieren – und das 24/7.
"KI ist kein Ersatz für menschliche Kompetenz"
Besonders innovativ ist, dass unsere KI-Technologie durch Sentimentanalysen Stimmungen erkennen kann. So wird etwa bei einem Anruf die emotionale Lage des Schuldners oder der Schuldnerin analysiert, um den weiteren Prozess optimal und einfühlsam zu steuern. Diese Kombination aus Technologie und Empathie ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten, die Erfolgsquoten zu steigern und gleichzeitig für alle Beteiligten eine faire, schnelle und positive Lösung zu schaffen. KI ist für uns daher kein Ersatz für menschliche Kompetenz, sondern eine wertvolle Unterstützung, die unser Engagement für eine herausragende Customer Experience auf das nächste Level hebt.
Ihr Unternehmen nutzt ein modulares KI-Ökosystem namens cAI, das speziell für das Forderungsmanagement entwickelt wurde. Was genau unterscheidet es von herkömmlichen Automatisierungssystemen?
Durch seine Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen, sich anzupassen und dabei menschliches Denken zu imitieren. Während traditionelle Systeme auf festgelegten Regeln basieren und oft starr sind, nutzt cAI generative KI, um kontextbezogen und flexibel auf individuelle Kundenbedürfnisse einzugehen. Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal ist sein modularer Aufbau, der weit über die klassischen Forderungsmanagement-Prozesse hinausgeht. Es integriert sich nahtlos in unsere sämtlichen Geschäftsprozesse – von Budget- und Buchhaltungsprozessen bis hin zu Pricing-Strategien.
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Ein weiterer Aspekt ist die Fähigkeit zur Nutzung spezialisierter KI-Agenten, die fachspezifische Aufgaben autonom analysieren, priorisieren und effizient bearbeiten. Diese Agenten arbeiten datengetrieben und können Prozesse dynamisch anpassen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. cAI unterstützt uns mit zehn spezialisierten Modulen und sogenannten Co-Piloten, die Routineaufgaben effizient erledigen, Informationen schneller verarbeiten und den Arbeitsalltag erheblich erleichtern. Zusätzlich gewährleistet es eine 24/7-Erreichbarkeit und reagiert in Echtzeit auf Anliegen. Diese Fähigkeiten ermöglichen eine Flexibilität und Skalierbarkeit, die weit über die Möglichkeiten traditioneller Automatisierungssysteme hinausgehen.
Statt einzelne Chatbots zu verwenden, übernimmt Ihre KI den kompletten Forderungsprozess und reagiert auf Kundenanfragen in Echtzeit. Welche Rolle spielt dabei die Verhaltensforschung, um Kunden individuell und gezielt zu betreuen?
"Dem Menschen hinter der Akte helfen"
Verhaltensforschung spielt eine zentrale Rolle in unserem Ansatz, KonsumentInnen individuell und gezielt zu betreuen. Unsere KI nutzt verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, um nicht nur die Situation der Schuldner zu verstehen, sondern auch deren Reaktionen und Emotionen einzuschätzen. Während früher Kategorien wie „Personas“ gebildet und genutzt wurden, können wir eine viel tiefergehende Analyse der Kommunikation, etwa zur Stimmung oder Tonalität, erstellen. So können wir zum Beispiel auf konfrontative Kunden deeskalierend reagieren oder positive Signale verstärken – und dabei die Bedürfnisse des Kunden individuell berücksichtigen.
Inkassounternehmen gelten oft als „Schuldeneintreiber“. Wie beeinflusst die generative KI bei Ihnen die Kundenkommunikation?
Natürlich liegt es im Geschäftsmodell von Inkassounternehmen, offenstehende Forderungen zu realisieren, "einzutreiben". Die generative KI beeinflusst dabei jedoch die Kommunikation grundlegend positiv: Sie ist 24/7 verfügbar, reagiert in Echtzeit und personalisiert jede Interaktion, um eine empathische und individuelle Kundenansprache zu ermöglichen. Auch wenn die KI beim Schuldner keine finanzielle Zahlungsfähigkeit herbeiführen kann, liegt unser Fokus darauf, dem Menschen hinter der Akte zu helfen. Das kann zum Beispiel durch individuelle Lösungen wie flexible Ratenzahlungen geschehen, die sich an den Möglichkeiten der Schuldner orientieren.
KI ersetzt starre Prozesse
Trägt dies zu einem Imagewandel der Branche bei?
Definitiv. Seit der Gründung ist es unser Ziel, das Image von Inkasso in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Wir möchten zeigen, dass wir keine klassischen "Schuldeneintreiber" sind, sondern ein modernes, technologiegetriebenes Unternehmen, das kundenorientiert und ethisch handelt. Der Einsatz von generativer KI spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch empathische, individuelle Kommunikation, die den Menschen und seine Situation in den Mittelpunkt stellt, schaffen wir Vertrauen und verändern die Wahrnehmung der Branche. Unsere KI ermöglicht es uns, flexibel und lösungsorientiert zu agieren, statt auf starre Prozesse und Konfrontation zu setzen. Dieser Ansatz professionalisiert die Wahrnehmung des Inkassos und baut Vorurteile ab. Das spiegelt sich unter anderem in unseren Google-Bewertungen wider, wo wir mit Abstand das beste Ranking der Branche haben. Mit moderner Technologie und einem klaren Fokus auf Menschlichkeit gestalten wir Inkasso neu – fair, transparent und zukunftsorientiert.
Welche Grenzen und Herausforderungen sehen Sie bei der Nutzung von KI für die individuelle Kundenkommunikation?
Eine der größten Grenzen ist die Tatsache, dass KI – so intelligent sie auch sein mag – niemals ein echtes menschliches Urteilsvermögen oder tiefes Mitgefühl vollständig nachbilden kann. Gerade in sensiblen Fällen, die komplexe finanzielle oder emotionale Situationen betreffen, bleibt der Mensch unersetzlich. Deshalb haben Schuldner:innen bei uns jederzeit die Möglichkeit, mit einem Menschen zu sprechen. Unsere Mitarbeitenden sind und bleiben essenziell, denn Empathie und situative Urteilsfähigkeit sind Fähigkeiten, die nur Menschen wirklich beherrschen. Wir sind überzeugt, dass die Kombination aus menschlicher Intelligenz, Empathie und künstlicher Intelligenz der Schlüssel zum langfristigen Erfolg ist.
Viele Module sind international einsetzbar
Perspektivisch bleibt zudem die Abhängigkeit von KI-Technologien ein kritischer Punkt, den wir stets im Auge behalten müssen. Für uns steht fest: KI ist ein mächtiges Werkzeug, doch der Mensch bleibt der zentrale Faktor – und der "Chef" der KI.
Ihr Unternehmen ist inzwischen in sieben europäischen Ländern aktiv. Wie kompliziert war es, die KI für die länderspezifischen Anforderungen zu trainieren?
Wir befinden uns noch am Anfang des Entwicklungsprozesses und arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung. Derzeit ist unsere KI-Lösung vor allem in Deutschland – unserem größten Markt – im Einsatz. Dennoch konnten wir bereits erfolgreich erste Module in anderen Ländern integrieren. Die Internationalisierung der Technologie gestaltet sich vergleichsweise einfach, da viele Module, wie beispielsweise die Sprach- und Textanalyse, universell einsetzbar sind. Die eigentlichen Herausforderungen liegen weniger in der Technologie selbst, sondern vielmehr in der operativen Umsetzung und den länderspezifischen Regulierungen.
Der Energiebedarf und die Nachhaltigkeit von KI werden intensiv diskutiert. Was unternehmen Sie, damit der Einsatz der generativen KI auch langfristig ökologisch vertretbar ist?
Ein zentraler Ansatz liegt in der Optimierung der Effizienz unserer Modelle. Unsere Entwicklerteams arbeiten bei uns kontinuierlich daran, die Rechenleistung und Energieeffizienz zu steigern – und das, ohne Kompromisse bei der Leistung einzugehen. Ergänzend setzen wir auf modulare Lösungen, die den Ressourceneinsatz auf das wirklich Notwendige beschränken. Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit liegt zudem in der Digitalisierung der Kundenkommunikation. Während herkömmliche Inkassounternehmen pro Forderungsangelegenheit häufig eine Vielzahl von Briefen versenden, ermöglicht uns cAI, diese traditionellen Versandprozesse noch effizienter zu ersetzen als es mit bisherigen Automatisierungslösungen möglich war. Das spart erhebliche Mengen Papier und reduziert den CO₂-Ausstoß spürbar.
Sebastian Ludwig leitet seit 2020 als CEO DACH die coeo Group. Unter seiner Leitung wuchs der Jahresumsatz von 50 Millionen Euro im Jahr 2018 auf prognostizierte 265 Millionen Euro für 2024. Vor seiner Tätigkeit bei der coeo Group sammelte Ludwig umfangreiche Erfahrungen in leitenden Positionen bei der Lowell Group, Tesch Inkasso und der Deutschen Telekom. Er hat mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung im Finanz- und Inkassosektor
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