Neue KI-Tools, neue generative Text-Bild-Modelle, neue Berufsbilder: Die Kreativen sehen sich derzeit mit einer disruptiven Phase konfrontiert, die an die Anfänge der Digitalisierung erinnert. Im Interview spricht Peter Kabel, Digitalexperte, Entrepreneur und Hochschulprofessor, über die immensen Herausforderungen für die Kreativbranche, die Notwendigkeit neuer Skills und sein Projekt cogniwerk.ai.
Generative KI-Modelle sind gerade schwer angesagt. Wie stark verändern sie die Arbeit der Kreativen?
Peter Kabel: Das Selbstverständnis von Kreativen, man kann es dem Wort schon entnehmen, ist, dass sie etwas kreieren, selber etwas schaffen. Je professioneller sie dabei vorgehen, umso klarer ist auch, dass sie nicht einfach so aus dem Nichts etwas schaffen und dass ihre Arbeit einen Prozess durchläuft. Einen Teil dieses Prozesses haben wir heute schon outgesourct, beispielsweise die Recherche. Jeder nutzt Google zur Recherche oder Inspiration, oder auch Instagram.
Jetzt kommt eine neue disruptive Phase, weil das eigentliche Generieren von Maschinen übernommen wird und das lässt viele Menschen an ihrem Selbstverständnis zweifeln. Aber es schafft eben auch neue Möglichkeiten für Menschen, die das erkennen und damit zurechtkommen.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „zurechtkommen“?
Kabel: Zurechtkommen heißt, dass man diese Tools nutzt. Ich trage beispielsweise eine Brille. Ohne Brille könnte ich gar nichts sehen. Aber mit Brille kann ich alles erkennen und eben meiner Kreativarbeit nachgehen. Die KI-Tools sind wie eine Brille, nur viel mächtiger. Diese Art an Kollaboration wird jetzt kommen, und das wird die Kreativwirtschaft maßgeblich prägen.
Ist das vergleichbar mit der Digitalisierung, als Kreative und Grafiker plötzlich den Stift weglegen und den Umgang mit Designprogrammen lernen mussten?
Kabel: Das Bild bemühe ich auch sehr gerne. Ich erinnere mich an das Programm „Page Maker“ Mitte der 80er Jahre. Das führte in zwei Richtungen: Plötzlich konnten normale Computernutzer eine Zeitschrift gestalten. Gleichzeitig führte es zu einer Verbesserung der professionellen kreativen Leistung, zu einer Beschleunigung, zu einer Eskalation. Wofür ein Grafiker eine Woche gebraucht hatte, war nun in wenigen Stunden möglich. Es gab also einerseits eine Verbreiterung der kreativen Leistung, andererseits eine krasse Beschleunigung, und letztendlich auch eine Verbesserung von Ästhetiken.
Beschleunigung und Verbesserung kann es aber nur geben, wenn ich mich als Kreativer mit den Tools intensiv auseinandersetze. Ich muss ja wissen, was mir dieses neue Werkzeug bietet.
Kabel: Auf jeden Fall. Man kann sagen, dass das jetzt ein Moment ist, in dem wichtige Weichen gestellt werden. Diejenigen, die bereit sind, sich mit Maschinen im Zusammenspiel in der Kreativarbeit auseinanderzusetzen, die können jetzt einen unglaublichen Vorsprung erzielen. Und all diejenigen, die das nicht tun, werden verlieren. An dieser Stelle versuchen wir mit cogniwerk.ai, eine Brücke zu bauen. Wir kommen aus der Denke des Kreativen, der wissen will, wie er aus einem Text ein Bild generieren kann, oder aus einem Bild einen Text, oder wie er ein bestehendes Bild modifizieren kann. Auf unserer Plattform kann er diese Modelle finden, so dass er verstehen kann, was diese im Einzelnen wirklich leisten. Das heißt, du kannst sie suchen, finden und gleich nutzen. Und das, glauben wir, ist für Profis, die professionell kreativ arbeiten machen, eine ganz große Hilfe.
Website cogniwerk.ai: Zentrale Anlaufstelle für Generative AI Modelle
Ein Problem ist häufig, dass die Tools oft nicht selbsterklärend sind und ich mich erst mühsam durch die verschiedenen Interfaces arbeiten muss…
Kabel: Tatsache. Wenn man sich die Interfaces anguckt, dann wimmelt es von irgendwelchen Einstellungen und Dingen, die man auswählen soll und dann ist man schnell überfordert. Auch deswegen, weil sie seltsame Namen haben und nicht mit der Denke eines Kreativen entwickelt wurden. Deshalb sind wir jetzt dabei, ein Interface für alle Anwendungen zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass das ein ganz wichtiger, zusätzlicher Layer für diesen Markt ist, damit die Tools von Kreativen wirklich genutzt werden.
Welche Tools werden von Euch aufgenommen?
Kabel: Wir haben nicht den Ehrgeiz, alle Modelle zu listen. Sondern wir haben den Ehrgeiz, sinnvolle Modelle zu listen. Dafür gibt es natürlich unterschiedliche Vektoren, nach denen man das beurteilen kann. Da sind Modelle dabei, die gerade groß angesagt sind. Aber auch viele Tools, die einfach stabil sind und mit denen man heute schon arbeiten kann. Die meisten Modelle können heute eine Sache und sonst eigentlich nichts, da wollen wir auch Brücken schlagen, denn die Zukunft gehört den Tool Chains. Beispiel: Man lässt sich ein Bild generieren, macht dann daraus eine 3D-Ansicht, anschließend ein Video, das man dann mit Sprache und Musik unterlegt.
Welches Geschäftsmodell steht hinter cogniwerk.ai? Wird es eines Tages einen kostenpflichtigen Zugang geben?
Kabel: Das überlegen wir. Es gibt ja auch in anderen Bereichen vergleichbare Ansätze, die gut funktionieren.
Wie ist denn die Resonanz von Kreativagenturen auf das Angebot?
Kabel: Wir haben großen Zuspruch, das ist sehr ermutigend. Es gibt Agenturen, aber auch Freelancer, die uns viel positives Feedback geben. Wir haben auch viele Entwickler, die bei uns gelistet werden wollen, das ist ja auch eine Art von Zuspruch. Die Kreativberufe stehen gerade im Mittelpunkt einer Diskussion, da können wir viel beitragen.
Rechnest Du jetzt eigentlich mit einem kreativen Schub, wenn alle schneller Output liefern können. Eine Werbeanzeige lässt sich ja nun vergleichsweise schnell entwerfen?
Kabel: Zum einen glaube ich, dass es exzessiv mehr Content geben wird. Einfach, weil er viel einfacher zu produzieren ist. Darauf müssen wir uns einstellen. Es wird künftig mehr um die Frage gehen, wer mit den Tools umgehen kann. Mal eben drei Worte irgendwo einzugeben und das Ergebnis auf Instagram zu posten, kann jeder. Aber um richtig professionell zu arbeiten, musst Du Dich beim Prompt Crafting schon auskennen. Das sind essentielle, wichtige, Skills, wenn man das machen möchte. Und dann musst du dich in der ganzen Welt des Out Paintings, der Retusche mit Hilfe von Tools und so weiter beschäftigen, damit Du genau das hinkriegst, was Du möchtest. Es ist eben nicht so, dass der Marketing-Mitarbeiter das mal so nebenbei machen kann. Es wird auch weiter Designerinnen und Designer geben. Nur rücken die nicht mehr mit dem eigenen Pinselkasten an, sondern mit ihren eigenen Tools. Es ist doch so: Je einfacher die Dinge zu nutzen sind, desto weniger Kontrolle hast Du über den Output. Wenn Du mehr Kontrolle haben willst, wird es komplizierter, dann musst Du mit den Tools umgehen können. Du willst aber Kontrolle, weil Kommunikation etwas Kontrolliertes ist. Sie ist kein zufälliges Ergebnis, sondern eine bestimmte Botschaft, die übermittelt werden soll. Das wird auch künftig schwierig sein. Die Kreativen, die diese Komplexität nicht leisten können, werden definitiv verlieren. Diejenigen, die das draufhaben, werden gewinnen. Das sind aber nicht die, die irgendwie einfach draufdrücken und sagen: Mach mir das Bild hübsch!
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Peter Kabel ist Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) für Interaction Design und Service Design, Hamburg. Im Rahmen seiner Tätigkeit an der Hochschule hat er zahlreiche Innovationsinitiativen gestartet, u.a. auch das Projekt cogniwerk.ai. Außerdem ist er Gründer mehrerer Unternehmen im Bereich Medien, Technologie und Design, darunter Kabel New Media. Von 2004 bis 2007 war er Vorstandsmitglied der Jung von Matt AG.
Weitere Interviews:
Nick Sohnemann: Ein blinder Umgang mit KI bringt nichts
Patrick Bunk: Corporate Intelligence – Frühwarnsystem mit KI
Andrea Anders: Verlage sollten sich mit Robotic Journalism auseinandersetzen
Neue KI-Tools, neue generative Text-Bild-Modelle, neue Berufsbilder: Die Kreativen sehen sich derzeit mit einer disruptiven Phase konfrontiert, die an die Anfänge der Digitalisierung erinnert. Im Interview spricht Peter Kabel, Digitalexperte, Entrepreneur und Hochschulprofessor, über die immensen Herausforderungen für die Kreativbranche, die Notwendigkeit neuer Skills und sein Projekt cogniwerk.ai.
Generative KI-Modelle sind gerade schwer angesagt. Wie stark verändern sie die Arbeit der Kreativen?
Peter Kabel: Das Selbstverständnis von Kreativen, man kann es dem Wort schon entnehmen, ist, dass sie etwas kreieren, selber etwas schaffen. Je professioneller sie dabei vorgehen, umso klarer ist auch, dass sie nicht einfach so aus dem Nichts etwas schaffen und dass ihre Arbeit einen Prozess durchläuft. Einen Teil dieses Prozesses haben wir heute schon outgesourct, beispielsweise die Recherche. Jeder nutzt Google zur Recherche oder Inspiration, oder auch Instagram.
Jetzt kommt eine neue disruptive Phase, weil das eigentliche Generieren von Maschinen übernommen wird und das lässt viele Menschen an ihrem Selbstverständnis zweifeln. Aber es schafft eben auch neue Möglichkeiten für Menschen, die das erkennen und damit zurechtkommen.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „zurechtkommen“?
Kabel: Zurechtkommen heißt, dass man diese Tools nutzt. Ich trage beispielsweise eine Brille. Ohne Brille könnte ich gar nichts sehen. Aber mit Brille kann ich alles erkennen und eben meiner Kreativarbeit nachgehen. Die KI-Tools sind wie eine Brille, nur viel mächtiger. Diese Art an Kollaboration wird jetzt kommen, und das wird die Kreativwirtschaft maßgeblich prägen.
Ist das vergleichbar mit der Digitalisierung, als Kreative und Grafiker plötzlich den Stift weglegen und den Umgang mit Designprogrammen lernen mussten?
Kabel: Das Bild bemühe ich auch sehr gerne. Ich erinnere mich an das Programm „Page Maker“ Mitte der 80er Jahre. Das führte in zwei Richtungen: Plötzlich konnten normale Computernutzer eine Zeitschrift gestalten. Gleichzeitig führte es zu einer Verbesserung der professionellen kreativen Leistung, zu einer Beschleunigung, zu einer Eskalation. Wofür ein Grafiker eine Woche gebraucht hatte, war nun in wenigen Stunden möglich. Es gab also einerseits eine Verbreiterung der kreativen Leistung, andererseits eine krasse Beschleunigung, und letztendlich auch eine Verbesserung von Ästhetiken.
Beschleunigung und Verbesserung kann es aber nur geben, wenn ich mich als Kreativer mit den Tools intensiv auseinandersetze. Ich muss ja wissen, was mir dieses neue Werkzeug bietet.
Kabel: Auf jeden Fall. Man kann sagen, dass das jetzt ein Moment ist, in dem wichtige Weichen gestellt werden. Diejenigen, die bereit sind, sich mit Maschinen im Zusammenspiel in der Kreativarbeit auseinanderzusetzen, die können jetzt einen unglaublichen Vorsprung erzielen. Und all diejenigen, die das nicht tun, werden verlieren. An dieser Stelle versuchen wir mit cogniwerk.ai, eine Brücke zu bauen. Wir kommen aus der Denke des Kreativen, der wissen will, wie er aus einem Text ein Bild generieren kann, oder aus einem Bild einen Text, oder wie er ein bestehendes Bild modifizieren kann. Auf unserer Plattform kann er diese Modelle finden, so dass er verstehen kann, was diese im Einzelnen wirklich leisten. Das heißt, du kannst sie suchen, finden und gleich nutzen. Und das, glauben wir, ist für Profis, die professionell kreativ arbeiten machen, eine ganz große Hilfe.
Website cogniwerk.ai: Zentrale Anlaufstelle für Generative AI Modelle
Ein Problem ist häufig, dass die Tools oft nicht selbsterklärend sind und ich mich erst mühsam durch die verschiedenen Interfaces arbeiten muss…
Kabel: Tatsache. Wenn man sich die Interfaces anguckt, dann wimmelt es von irgendwelchen Einstellungen und Dingen, die man auswählen soll und dann ist man schnell überfordert. Auch deswegen, weil sie seltsame Namen haben und nicht mit der Denke eines Kreativen entwickelt wurden. Deshalb sind wir jetzt dabei, ein Interface für alle Anwendungen zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass das ein ganz wichtiger, zusätzlicher Layer für diesen Markt ist, damit die Tools von Kreativen wirklich genutzt werden.
Welche Tools werden von Euch aufgenommen?
Kabel: Wir haben nicht den Ehrgeiz, alle Modelle zu listen. Sondern wir haben den Ehrgeiz, sinnvolle Modelle zu listen. Dafür gibt es natürlich unterschiedliche Vektoren, nach denen man das beurteilen kann. Da sind Modelle dabei, die gerade groß angesagt sind. Aber auch viele Tools, die einfach stabil sind und mit denen man heute schon arbeiten kann. Die meisten Modelle können heute eine Sache und sonst eigentlich nichts, da wollen wir auch Brücken schlagen, denn die Zukunft gehört den Tool Chains. Beispiel: Man lässt sich ein Bild generieren, macht dann daraus eine 3D-Ansicht, anschließend ein Video, das man dann mit Sprache und Musik unterlegt.
Welches Geschäftsmodell steht hinter cogniwerk.ai? Wird es eines Tages einen kostenpflichtigen Zugang geben?
Kabel: Das überlegen wir. Es gibt ja auch in anderen Bereichen vergleichbare Ansätze, die gut funktionieren.
Wie ist denn die Resonanz von Kreativagenturen auf das Angebot?
Kabel: Wir haben großen Zuspruch, das ist sehr ermutigend. Es gibt Agenturen, aber auch Freelancer, die uns viel positives Feedback geben. Wir haben auch viele Entwickler, die bei uns gelistet werden wollen, das ist ja auch eine Art von Zuspruch. Die Kreativberufe stehen gerade im Mittelpunkt einer Diskussion, da können wir viel beitragen.
Rechnest Du jetzt eigentlich mit einem kreativen Schub, wenn alle schneller Output liefern können. Eine Werbeanzeige lässt sich ja nun vergleichsweise schnell entwerfen?
Kabel: Zum einen glaube ich, dass es exzessiv mehr Content geben wird. Einfach, weil er viel einfacher zu produzieren ist. Darauf müssen wir uns einstellen. Es wird künftig mehr um die Frage gehen, wer mit den Tools umgehen kann. Mal eben drei Worte irgendwo einzugeben und das Ergebnis auf Instagram zu posten, kann jeder. Aber um richtig professionell zu arbeiten, musst Du Dich beim Prompt Crafting schon auskennen. Das sind essentielle, wichtige, Skills, wenn man das machen möchte. Und dann musst du dich in der ganzen Welt des Out Paintings, der Retusche mit Hilfe von Tools und so weiter beschäftigen, damit Du genau das hinkriegst, was Du möchtest. Es ist eben nicht so, dass der Marketing-Mitarbeiter das mal so nebenbei machen kann. Es wird auch weiter Designerinnen und Designer geben. Nur rücken die nicht mehr mit dem eigenen Pinselkasten an, sondern mit ihren eigenen Tools. Es ist doch so: Je einfacher die Dinge zu nutzen sind, desto weniger Kontrolle hast Du über den Output. Wenn Du mehr Kontrolle haben willst, wird es komplizierter, dann musst Du mit den Tools umgehen können. Du willst aber Kontrolle, weil Kommunikation etwas Kontrolliertes ist. Sie ist kein zufälliges Ergebnis, sondern eine bestimmte Botschaft, die übermittelt werden soll. Das wird auch künftig schwierig sein. Die Kreativen, die diese Komplexität nicht leisten können, werden definitiv verlieren. Diejenigen, die das draufhaben, werden gewinnen. Das sind aber nicht die, die irgendwie einfach draufdrücken und sagen: Mach mir das Bild hübsch!
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Peter Kabel ist Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) für Interaction Design und Service Design, Hamburg. Im Rahmen seiner Tätigkeit an der Hochschule hat er zahlreiche Innovationsinitiativen gestartet, u.a. auch das Projekt cogniwerk.ai. Außerdem ist er Gründer mehrerer Unternehmen im Bereich Medien, Technologie und Design, darunter Kabel New Media. Von 2004 bis 2007 war er Vorstandsmitglied der Jung von Matt AG.
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Generative KI-Modelle sind gerade schwer angesagt. Wie stark verändern sie die Arbeit der Kreativen?
Peter Kabel: Das Selbstverständnis von Kreativen, man kann es dem Wort schon entnehmen, ist, dass sie etwas kreieren, selber etwas schaffen. Je professioneller sie dabei vorgehen, umso klarer ist auch, dass sie nicht einfach so aus dem Nichts etwas schaffen und dass ihre Arbeit einen Prozess durchläuft. Einen Teil dieses Prozesses haben wir heute schon outgesourct, beispielsweise die Recherche. Jeder nutzt Google zur Recherche oder Inspiration, oder auch Instagram.
Jetzt kommt eine neue disruptive Phase, weil das eigentliche Generieren von Maschinen übernommen wird und das lässt viele Menschen an ihrem Selbstverständnis zweifeln. Aber es schafft eben auch neue Möglichkeiten für Menschen, die das erkennen und damit zurechtkommen.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „zurechtkommen“?
Kabel: Zurechtkommen heißt, dass man diese Tools nutzt. Ich trage beispielsweise eine Brille. Ohne Brille könnte ich gar nichts sehen. Aber mit Brille kann ich alles erkennen und eben meiner Kreativarbeit nachgehen. Die KI-Tools sind wie eine Brille, nur viel mächtiger. Diese Art an Kollaboration wird jetzt kommen, und das wird die Kreativwirtschaft maßgeblich prägen.
Ist das vergleichbar mit der Digitalisierung, als Kreative und Grafiker plötzlich den Stift weglegen und den Umgang mit Designprogrammen lernen mussten?
Kabel: Das Bild bemühe ich auch sehr gerne. Ich erinnere mich an das Programm „Page Maker“ Mitte der 80er Jahre. Das führte in zwei Richtungen: Plötzlich konnten normale Computernutzer eine Zeitschrift gestalten. Gleichzeitig führte es zu einer Verbesserung der professionellen kreativen Leistung, zu einer Beschleunigung, zu einer Eskalation. Wofür ein Grafiker eine Woche gebraucht hatte, war nun in wenigen Stunden möglich. Es gab also einerseits eine Verbreiterung der kreativen Leistung, andererseits eine krasse Beschleunigung, und letztendlich auch eine Verbesserung von Ästhetiken.
Beschleunigung und Verbesserung kann es aber nur geben, wenn ich mich als Kreativer mit den Tools intensiv auseinandersetze. Ich muss ja wissen, was mir dieses neue Werkzeug bietet.
Kabel: Auf jeden Fall. Man kann sagen, dass das jetzt ein Moment ist, in dem wichtige Weichen gestellt werden. Diejenigen, die bereit sind, sich mit Maschinen im Zusammenspiel in der Kreativarbeit auseinanderzusetzen, die können jetzt einen unglaublichen Vorsprung erzielen. Und all diejenigen, die das nicht tun, werden verlieren. An dieser Stelle versuchen wir mit cogniwerk.ai, eine Brücke zu bauen. Wir kommen aus der Denke des Kreativen, der wissen will, wie er aus einem Text ein Bild generieren kann, oder aus einem Bild einen Text, oder wie er ein bestehendes Bild modifizieren kann. Auf unserer Plattform kann er diese Modelle finden, so dass er verstehen kann, was diese im Einzelnen wirklich leisten. Das heißt, du kannst sie suchen, finden und gleich nutzen. Und das, glauben wir, ist für Profis, die professionell kreativ arbeiten machen, eine ganz große Hilfe.
Website cogniwerk.ai: Zentrale Anlaufstelle für Generative AI Modelle
Ein Problem ist häufig, dass die Tools oft nicht selbsterklärend sind und ich mich erst mühsam durch die verschiedenen Interfaces arbeiten muss…
Kabel: Tatsache. Wenn man sich die Interfaces anguckt, dann wimmelt es von irgendwelchen Einstellungen und Dingen, die man auswählen soll und dann ist man schnell überfordert. Auch deswegen, weil sie seltsame Namen haben und nicht mit der Denke eines Kreativen entwickelt wurden. Deshalb sind wir jetzt dabei, ein Interface für alle Anwendungen zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass das ein ganz wichtiger, zusätzlicher Layer für diesen Markt ist, damit die Tools von Kreativen wirklich genutzt werden.
Welche Tools werden von Euch aufgenommen?
Kabel: Wir haben nicht den Ehrgeiz, alle Modelle zu listen. Sondern wir haben den Ehrgeiz, sinnvolle Modelle zu listen. Dafür gibt es natürlich unterschiedliche Vektoren, nach denen man das beurteilen kann. Da sind Modelle dabei, die gerade groß angesagt sind. Aber auch viele Tools, die einfach stabil sind und mit denen man heute schon arbeiten kann. Die meisten Modelle können heute eine Sache und sonst eigentlich nichts, da wollen wir auch Brücken schlagen, denn die Zukunft gehört den Tool Chains. Beispiel: Man lässt sich ein Bild generieren, macht dann daraus eine 3D-Ansicht, anschließend ein Video, das man dann mit Sprache und Musik unterlegt.
Welches Geschäftsmodell steht hinter cogniwerk.ai? Wird es eines Tages einen kostenpflichtigen Zugang geben?
Kabel: Das überlegen wir. Es gibt ja auch in anderen Bereichen vergleichbare Ansätze, die gut funktionieren.
Wie ist denn die Resonanz von Kreativagenturen auf das Angebot?
Kabel: Wir haben großen Zuspruch, das ist sehr ermutigend. Es gibt Agenturen, aber auch Freelancer, die uns viel positives Feedback geben. Wir haben auch viele Entwickler, die bei uns gelistet werden wollen, das ist ja auch eine Art von Zuspruch. Die Kreativberufe stehen gerade im Mittelpunkt einer Diskussion, da können wir viel beitragen.
Rechnest Du jetzt eigentlich mit einem kreativen Schub, wenn alle schneller Output liefern können. Eine Werbeanzeige lässt sich ja nun vergleichsweise schnell entwerfen?
Kabel: Zum einen glaube ich, dass es exzessiv mehr Content geben wird. Einfach, weil er viel einfacher zu produzieren ist. Darauf müssen wir uns einstellen. Es wird künftig mehr um die Frage gehen, wer mit den Tools umgehen kann. Mal eben drei Worte irgendwo einzugeben und das Ergebnis auf Instagram zu posten, kann jeder. Aber um richtig professionell zu arbeiten, musst Du Dich beim Prompt Crafting schon auskennen. Das sind essentielle, wichtige, Skills, wenn man das machen möchte. Und dann musst du dich in der ganzen Welt des Out Paintings, der Retusche mit Hilfe von Tools und so weiter beschäftigen, damit Du genau das hinkriegst, was Du möchtest. Es ist eben nicht so, dass der Marketing-Mitarbeiter das mal so nebenbei machen kann. Es wird auch weiter Designerinnen und Designer geben. Nur rücken die nicht mehr mit dem eigenen Pinselkasten an, sondern mit ihren eigenen Tools. Es ist doch so: Je einfacher die Dinge zu nutzen sind, desto weniger Kontrolle hast Du über den Output. Wenn Du mehr Kontrolle haben willst, wird es komplizierter, dann musst Du mit den Tools umgehen können. Du willst aber Kontrolle, weil Kommunikation etwas Kontrolliertes ist. Sie ist kein zufälliges Ergebnis, sondern eine bestimmte Botschaft, die übermittelt werden soll. Das wird auch künftig schwierig sein. Die Kreativen, die diese Komplexität nicht leisten können, werden definitiv verlieren. Diejenigen, die das draufhaben, werden gewinnen. Das sind aber nicht die, die irgendwie einfach draufdrücken und sagen: Mach mir das Bild hübsch!
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Peter Kabel ist Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) für Interaction Design und Service Design, Hamburg. Im Rahmen seiner Tätigkeit an der Hochschule hat er zahlreiche Innovationsinitiativen gestartet, u.a. auch das Projekt cogniwerk.ai. Außerdem ist er Gründer mehrerer Unternehmen im Bereich Medien, Technologie und Design, darunter Kabel New Media. Von 2004 bis 2007 war er Vorstandsmitglied der Jung von Matt AG.
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