Die Entscheidungen einer KI verbergen sich meist hinter einer Black Box. Dabei müssten sie für alle Beteiligten nachvollziehbar sein. Im Interview plädiert Thomas Cotic (Foto), Beiratsvorsitzender von Actico, für mehr Transparenz. Das schaffe Rechtssicherheit, Glaubwürdigkeit und erhöhe die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz im eigenen Unternehmen.
Herr Cotic, derzeit befinden wir uns mitten in einer Diskussion, die da lautet: Die Unternehmen ertrinken in Daten. Ein Luxusproblem?
Thomas Cotic: Ein Luxus ist es allemal, dass Unternehmen heute über so viele kundenspezifische Daten verfügen. Das Problem dahinter besteht in der Herausforderung, die Daten auch nutzbar zu machen. Menschliche Arbeitskräfte brauchen für die Datenmengen zu viel Zeit. Die Lösung dieses Problems ist offensichtlich und heißt Intelligent Automation Tools. Um die Daten so kundenorientiert wie möglich in Echtzeit nutzen zu können, müssen die Daten effizient und schnell auf Muster und Zusammenhänge hin durchsucht werden. Eine Künstliche Intelligenz schafft das ganz automatisch mithilfe von maschinellem Lernen. Sie trifft basierend auf diesen Nutzerdaten und Business Rules, die von Experten konfiguriert werden, Entscheidungen, auf deren Grundlage das Team hinter der Maschine Strategien zur kundenorientierten Nutzung entwickeln kann.
Ihr Unternehmen befasst sich seit Ende der 90er Jahre damit, aus vorhandenen Daten neues Wissen zu generieren. Wo stehen wir Ihrer Einschätzung nach gerade?
Cotic: Das neue Wissen, das mittels KI-basierten Lösungen und maschinellem Lernen ans Tageslicht befördert wird, schafft für Unternehmen neue Dimensionen und Geschäftsmodelle. Doch gibt es meiner Einschätzung nach noch keine Blaupause für erfolgreiche Machine-Learning-Projekte, an der sich Unternehmen orientieren können. Die Unternehmen müssen heute weiterhin, über Trial-and-Error selbst herauszufinden, welche Methoden und Lösungen sie zum Erfolg führen. Jedoch sehen wir einen positiven Trend. Viele Unternehmen haben die Tragweite von Datenanalyse und deren Bedeutsamkeit für den Erfolg und die Entwicklung ihrer Unternehmen verstanden und fangen spätestens jetzt an, sich mit ihren angesammelten Daten immer stärker auseinanderzusetzen.
Machine Learning kommt auch auf Ihrer Plattform zum Einsatz. Von welchen Unternehmen wird Ihre Plattform vorwiegend genutzt?
Cotic: Wir kommen ursprünglich aus dem Finanz- und Versicherungswesen, in dem die Automatisierung und Optimierung von komplexen Entscheidungsprozessen einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserflog beiträgt. Doch die Technologie lässt sich auf erdenklich viele Branchen ausweiten. Deshalb haben zum Beispiel auch Marketing und E-Commerce die Vorteile von intelligenten Automatisierungsmaßnahmen heute erkannt und setzen auf die Lösung, um den hohen Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden.
Was bringen diese Lösungen genau?
Cotic: Online-Händler profitieren zum Beispiel von der Möglichkeit, ihre Preise dynamisch an die Entwicklungen auf dem Markt anzupassen. Banken sind in der Lage, das Kredit-Ausfallrisiko ihrer Kunden abzuschätzen. Versicherungen können aufgrund der gesteigerten Transparenz der Entscheidungsprozesse ihren Kunden präzise erklären, wieso sie in bestimmte Tarife eingestuft werden. Insgesamt schaffen es Intelligent Automation Tools, branchenübergreifend Betrugsprävention zu betreiben, indem sie Transaktionen und verdächtige Vorgänge in Echtzeit schnell und präzise erkennen und überwachen. Außerdem können Marketer zielgruppenorientierte und kontextabhängige Werbestrategien entwickeln und Maßnahmen für personalisierte Inhalte und Angebote treffen. Die Ergebnisse einer Online-Umfrage, die Actico in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Marktforschungsinstitut YouGov unter mehr als 2.000 deutschen Verbrauchern durchführte, zeigen nämlich, dass 43 Prozent der Befragten personalisierte Inhalte bevorzugen.
Handelshäuser können mit den Tools auch die Preisgestaltung ihrer Produkte optimieren. Ist denn das Dynamic Pricing inzwischen im Mainstream angekommen oder wird es bislang nur von wenigen Anbietern eingesetzt?
Cotic: Der Trend bewegt sich definitiv in diese Richtung. Die dynamische Preisanpassung ist heute mittlerweile zu einer essenziellen Voraussetzung geworden, damit Online-Händler in der Menge ihrer Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben. Da es sich bei den Informationen, die den Preis bestimmen, um Variablen handelt, die sich ständig verändern können, muss sich auch der Preis dynamisch an diese Veränderungen anpassen können. Mithilfe von maschinellem Lernen und Informationen, wie Nachfrage, Verfügbarkeit und „In-Faktor“ der Produkte ermittelt die KI unter anderem den optimalen Preis und Rabatte.
Wie wichtig ist es für ein Unternehmen, selbst die Entscheidungen einer KI nachvollziehen zu können?
Cotic: In den meisten Fällen verbergen sich bei einer KI die Entscheidungsprozesse hinter einer undurchsichtigen Black Box. Doch die Entscheidungen, die eine KI mithilfe von Machine Learning trifft, müssen nachvollziehbar und erklärbar sein. Durch diese Transparenz verstehen nicht nur die Nutzer beziehungsweise nutzenden Unternehmen, wie die KI zu einer Entscheidung gelangt. Unternehmen können ihren Kunden wichtige Prozesse bis ins kleinste Detail plausibel erklären. So sind Finanzdienstleister zum Beispiel in der Lage, ihren Kunden zu erläutern, wie genau die Vergabe eines Darlehens funktioniert und auf welcher Grundlage diese fußt oder warum man in einen bestimmten Versicherungstarif eingestuft wird. Besonders vorteilhaft ist die transparente Entscheidungsfindung einer KI für Branchen, die der Aufsicht einer Regulierungsbehörde unterliegen. Darunter fallen zum Beispiel das Bank-, Versicherungs- und Gesundheitswesen. Diesen Behörden können Unternehmen präzise darlegen, wie es zu einer bestimmten Entscheidung gekommen ist.
Sollte eine KI also immer transparent arbeiten?
Cotic: Transparenz ist nicht nur für Unternehmen in Sachen Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse förderlich, sondern auch für deren Kunden. Sie bringt Kunden in Bezug auf die Entscheidungsfindung nicht nur auf eine Augenhöhe mit dem jeweiligen Unternehmen, da die Entscheidungen für sie nachvollziehbar begründet werden können, sondern schafft darüber hinaus Glaubwürdigkeit. Dies führt zu einem steigenden Vertrauen in die Unternehmen. Durch die Transparenz werden Menschen für die Nutzung dieses technologischen Fortschritts sensibilisiert, was für Akzeptanz sorgt.
Mit Blick auf das Marketing: In welchen Bereichen wird sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den kommenden Monaten durchsetzen?
Cotic: Früher waren es Preisgestaltung und die Produkte und Services selbst, die im Fokus der Marketers standen, um die Kundenzufriedenheit hochzuschrauben. Zielgruppenorientiertes Werbevorgehen und personalisierte Inhalte und Angebote, die in Echtzeit passgenau auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden zugeschnitten sind, werden dennoch immer wichtiger, um unter anderem die Customer Experience so angenehm wie möglich zu gestalten. Eine gute Customer Experience verspricht heute zufriedene Kunden, Loyalität, Umsatzwachstum und Reputation. Wir konnten im Rahmen von ersten Projekten nachweisen, dass die Effektivität von Bannern mit individuellen Produktempfehlungen um bis zu 50 Prozent gestiegen ist.
KI-basierte Tools schaffen es, die kundenspezifischen Daten, die für die Personalisierung nötig sind, schnell und präzise zu aggregieren und nutzbar zu machen. Danach obliegt es den menschlichen Mitarbeitern, ihre Kunden persönlich anzusprechen, ohne dass es aufdringlich wirkt. Der Mensch wird nicht von der Maschine abgelöst, sondern die Kompetenzen und Fähigkeiten beider Entitäten müssen sich ergänzen, damit von dem „Luxusproblem“ lediglich der Luxus bleibt.
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Thomas Cotic ist Bereitsvorsitzender von Actico und Experte für Künstliche Intelligenz. Der studierte Informatiker hat das Unternehmen 1997 als Innovations Softwaretechnologie GmbH in der Bosch-Gruppe mitgegründet. Durch einen Management- Buy-out firmiert das Unternehmen seit 2015 als Actico.
Die Entscheidungen einer KI verbergen sich meist hinter einer Black Box. Dabei müssten sie für alle Beteiligten nachvollziehbar sein. Im Interview plädiert Thomas Cotic (Foto), Beiratsvorsitzender von Actico, für mehr Transparenz. Das schaffe Rechtssicherheit, Glaubwürdigkeit und erhöhe die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz im eigenen Unternehmen.
Herr Cotic, derzeit befinden wir uns mitten in einer Diskussion, die da lautet: Die Unternehmen ertrinken in Daten. Ein Luxusproblem?
Thomas Cotic: Ein Luxus ist es allemal, dass Unternehmen heute über so viele kundenspezifische Daten verfügen. Das Problem dahinter besteht in der Herausforderung, die Daten auch nutzbar zu machen. Menschliche Arbeitskräfte brauchen für die Datenmengen zu viel Zeit. Die Lösung dieses Problems ist offensichtlich und heißt Intelligent Automation Tools. Um die Daten so kundenorientiert wie möglich in Echtzeit nutzen zu können, müssen die Daten effizient und schnell auf Muster und Zusammenhänge hin durchsucht werden. Eine Künstliche Intelligenz schafft das ganz automatisch mithilfe von maschinellem Lernen. Sie trifft basierend auf diesen Nutzerdaten und Business Rules, die von Experten konfiguriert werden, Entscheidungen, auf deren Grundlage das Team hinter der Maschine Strategien zur kundenorientierten Nutzung entwickeln kann.
Ihr Unternehmen befasst sich seit Ende der 90er Jahre damit, aus vorhandenen Daten neues Wissen zu generieren. Wo stehen wir Ihrer Einschätzung nach gerade?
Cotic: Das neue Wissen, das mittels KI-basierten Lösungen und maschinellem Lernen ans Tageslicht befördert wird, schafft für Unternehmen neue Dimensionen und Geschäftsmodelle. Doch gibt es meiner Einschätzung nach noch keine Blaupause für erfolgreiche Machine-Learning-Projekte, an der sich Unternehmen orientieren können. Die Unternehmen müssen heute weiterhin, über Trial-and-Error selbst herauszufinden, welche Methoden und Lösungen sie zum Erfolg führen. Jedoch sehen wir einen positiven Trend. Viele Unternehmen haben die Tragweite von Datenanalyse und deren Bedeutsamkeit für den Erfolg und die Entwicklung ihrer Unternehmen verstanden und fangen spätestens jetzt an, sich mit ihren angesammelten Daten immer stärker auseinanderzusetzen.
Machine Learning kommt auch auf Ihrer Plattform zum Einsatz. Von welchen Unternehmen wird Ihre Plattform vorwiegend genutzt?
Cotic: Wir kommen ursprünglich aus dem Finanz- und Versicherungswesen, in dem die Automatisierung und Optimierung von komplexen Entscheidungsprozessen einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserflog beiträgt. Doch die Technologie lässt sich auf erdenklich viele Branchen ausweiten. Deshalb haben zum Beispiel auch Marketing und E-Commerce die Vorteile von intelligenten Automatisierungsmaßnahmen heute erkannt und setzen auf die Lösung, um den hohen Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden.
Was bringen diese Lösungen genau?
Cotic: Online-Händler profitieren zum Beispiel von der Möglichkeit, ihre Preise dynamisch an die Entwicklungen auf dem Markt anzupassen. Banken sind in der Lage, das Kredit-Ausfallrisiko ihrer Kunden abzuschätzen. Versicherungen können aufgrund der gesteigerten Transparenz der Entscheidungsprozesse ihren Kunden präzise erklären, wieso sie in bestimmte Tarife eingestuft werden. Insgesamt schaffen es Intelligent Automation Tools, branchenübergreifend Betrugsprävention zu betreiben, indem sie Transaktionen und verdächtige Vorgänge in Echtzeit schnell und präzise erkennen und überwachen. Außerdem können Marketer zielgruppenorientierte und kontextabhängige Werbestrategien entwickeln und Maßnahmen für personalisierte Inhalte und Angebote treffen. Die Ergebnisse einer Online-Umfrage, die Actico in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Marktforschungsinstitut YouGov unter mehr als 2.000 deutschen Verbrauchern durchführte, zeigen nämlich, dass 43 Prozent der Befragten personalisierte Inhalte bevorzugen.
Handelshäuser können mit den Tools auch die Preisgestaltung ihrer Produkte optimieren. Ist denn das Dynamic Pricing inzwischen im Mainstream angekommen oder wird es bislang nur von wenigen Anbietern eingesetzt?
Cotic: Der Trend bewegt sich definitiv in diese Richtung. Die dynamische Preisanpassung ist heute mittlerweile zu einer essenziellen Voraussetzung geworden, damit Online-Händler in der Menge ihrer Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben. Da es sich bei den Informationen, die den Preis bestimmen, um Variablen handelt, die sich ständig verändern können, muss sich auch der Preis dynamisch an diese Veränderungen anpassen können. Mithilfe von maschinellem Lernen und Informationen, wie Nachfrage, Verfügbarkeit und „In-Faktor“ der Produkte ermittelt die KI unter anderem den optimalen Preis und Rabatte.
Wie wichtig ist es für ein Unternehmen, selbst die Entscheidungen einer KI nachvollziehen zu können?
Cotic: In den meisten Fällen verbergen sich bei einer KI die Entscheidungsprozesse hinter einer undurchsichtigen Black Box. Doch die Entscheidungen, die eine KI mithilfe von Machine Learning trifft, müssen nachvollziehbar und erklärbar sein. Durch diese Transparenz verstehen nicht nur die Nutzer beziehungsweise nutzenden Unternehmen, wie die KI zu einer Entscheidung gelangt. Unternehmen können ihren Kunden wichtige Prozesse bis ins kleinste Detail plausibel erklären. So sind Finanzdienstleister zum Beispiel in der Lage, ihren Kunden zu erläutern, wie genau die Vergabe eines Darlehens funktioniert und auf welcher Grundlage diese fußt oder warum man in einen bestimmten Versicherungstarif eingestuft wird. Besonders vorteilhaft ist die transparente Entscheidungsfindung einer KI für Branchen, die der Aufsicht einer Regulierungsbehörde unterliegen. Darunter fallen zum Beispiel das Bank-, Versicherungs- und Gesundheitswesen. Diesen Behörden können Unternehmen präzise darlegen, wie es zu einer bestimmten Entscheidung gekommen ist.
Sollte eine KI also immer transparent arbeiten?
Cotic: Transparenz ist nicht nur für Unternehmen in Sachen Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse förderlich, sondern auch für deren Kunden. Sie bringt Kunden in Bezug auf die Entscheidungsfindung nicht nur auf eine Augenhöhe mit dem jeweiligen Unternehmen, da die Entscheidungen für sie nachvollziehbar begründet werden können, sondern schafft darüber hinaus Glaubwürdigkeit. Dies führt zu einem steigenden Vertrauen in die Unternehmen. Durch die Transparenz werden Menschen für die Nutzung dieses technologischen Fortschritts sensibilisiert, was für Akzeptanz sorgt.
Mit Blick auf das Marketing: In welchen Bereichen wird sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den kommenden Monaten durchsetzen?
Cotic: Früher waren es Preisgestaltung und die Produkte und Services selbst, die im Fokus der Marketers standen, um die Kundenzufriedenheit hochzuschrauben. Zielgruppenorientiertes Werbevorgehen und personalisierte Inhalte und Angebote, die in Echtzeit passgenau auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden zugeschnitten sind, werden dennoch immer wichtiger, um unter anderem die Customer Experience so angenehm wie möglich zu gestalten. Eine gute Customer Experience verspricht heute zufriedene Kunden, Loyalität, Umsatzwachstum und Reputation. Wir konnten im Rahmen von ersten Projekten nachweisen, dass die Effektivität von Bannern mit individuellen Produktempfehlungen um bis zu 50 Prozent gestiegen ist.
KI-basierte Tools schaffen es, die kundenspezifischen Daten, die für die Personalisierung nötig sind, schnell und präzise zu aggregieren und nutzbar zu machen. Danach obliegt es den menschlichen Mitarbeitern, ihre Kunden persönlich anzusprechen, ohne dass es aufdringlich wirkt. Der Mensch wird nicht von der Maschine abgelöst, sondern die Kompetenzen und Fähigkeiten beider Entitäten müssen sich ergänzen, damit von dem „Luxusproblem“ lediglich der Luxus bleibt.
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Thomas Cotic ist Bereitsvorsitzender von Actico und Experte für Künstliche Intelligenz. Der studierte Informatiker hat das Unternehmen 1997 als Innovations Softwaretechnologie GmbH in der Bosch-Gruppe mitgegründet. Durch einen Management- Buy-out firmiert das Unternehmen seit 2015 als Actico.
Die Entscheidungen einer KI verbergen sich meist hinter einer Black Box. Dabei müssten sie für alle Beteiligten nachvollziehbar sein. Im Interview plädiert Thomas Cotic (Foto), Beiratsvorsitzender von Actico, für mehr Transparenz. Das schaffe Rechtssicherheit, Glaubwürdigkeit und erhöhe die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz im eigenen Unternehmen.
Herr Cotic, derzeit befinden wir uns mitten in einer Diskussion, die da lautet: Die Unternehmen ertrinken in Daten. Ein Luxusproblem?
Thomas Cotic: Ein Luxus ist es allemal, dass Unternehmen heute über so viele kundenspezifische Daten verfügen. Das Problem dahinter besteht in der Herausforderung, die Daten auch nutzbar zu machen. Menschliche Arbeitskräfte brauchen für die Datenmengen zu viel Zeit. Die Lösung dieses Problems ist offensichtlich und heißt Intelligent Automation Tools. Um die Daten so kundenorientiert wie möglich in Echtzeit nutzen zu können, müssen die Daten effizient und schnell auf Muster und Zusammenhänge hin durchsucht werden. Eine Künstliche Intelligenz schafft das ganz automatisch mithilfe von maschinellem Lernen. Sie trifft basierend auf diesen Nutzerdaten und Business Rules, die von Experten konfiguriert werden, Entscheidungen, auf deren Grundlage das Team hinter der Maschine Strategien zur kundenorientierten Nutzung entwickeln kann.
Ihr Unternehmen befasst sich seit Ende der 90er Jahre damit, aus vorhandenen Daten neues Wissen zu generieren. Wo stehen wir Ihrer Einschätzung nach gerade?
Cotic: Das neue Wissen, das mittels KI-basierten Lösungen und maschinellem Lernen ans Tageslicht befördert wird, schafft für Unternehmen neue Dimensionen und Geschäftsmodelle. Doch gibt es meiner Einschätzung nach noch keine Blaupause für erfolgreiche Machine-Learning-Projekte, an der sich Unternehmen orientieren können. Die Unternehmen müssen heute weiterhin, über Trial-and-Error selbst herauszufinden, welche Methoden und Lösungen sie zum Erfolg führen. Jedoch sehen wir einen positiven Trend. Viele Unternehmen haben die Tragweite von Datenanalyse und deren Bedeutsamkeit für den Erfolg und die Entwicklung ihrer Unternehmen verstanden und fangen spätestens jetzt an, sich mit ihren angesammelten Daten immer stärker auseinanderzusetzen.
Machine Learning kommt auch auf Ihrer Plattform zum Einsatz. Von welchen Unternehmen wird Ihre Plattform vorwiegend genutzt?
Cotic: Wir kommen ursprünglich aus dem Finanz- und Versicherungswesen, in dem die Automatisierung und Optimierung von komplexen Entscheidungsprozessen einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserflog beiträgt. Doch die Technologie lässt sich auf erdenklich viele Branchen ausweiten. Deshalb haben zum Beispiel auch Marketing und E-Commerce die Vorteile von intelligenten Automatisierungsmaßnahmen heute erkannt und setzen auf die Lösung, um den hohen Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden.
Was bringen diese Lösungen genau?
Cotic: Online-Händler profitieren zum Beispiel von der Möglichkeit, ihre Preise dynamisch an die Entwicklungen auf dem Markt anzupassen. Banken sind in der Lage, das Kredit-Ausfallrisiko ihrer Kunden abzuschätzen. Versicherungen können aufgrund der gesteigerten Transparenz der Entscheidungsprozesse ihren Kunden präzise erklären, wieso sie in bestimmte Tarife eingestuft werden. Insgesamt schaffen es Intelligent Automation Tools, branchenübergreifend Betrugsprävention zu betreiben, indem sie Transaktionen und verdächtige Vorgänge in Echtzeit schnell und präzise erkennen und überwachen. Außerdem können Marketer zielgruppenorientierte und kontextabhängige Werbestrategien entwickeln und Maßnahmen für personalisierte Inhalte und Angebote treffen. Die Ergebnisse einer Online-Umfrage, die Actico in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Marktforschungsinstitut YouGov unter mehr als 2.000 deutschen Verbrauchern durchführte, zeigen nämlich, dass 43 Prozent der Befragten personalisierte Inhalte bevorzugen.
Handelshäuser können mit den Tools auch die Preisgestaltung ihrer Produkte optimieren. Ist denn das Dynamic Pricing inzwischen im Mainstream angekommen oder wird es bislang nur von wenigen Anbietern eingesetzt?
Cotic: Der Trend bewegt sich definitiv in diese Richtung. Die dynamische Preisanpassung ist heute mittlerweile zu einer essenziellen Voraussetzung geworden, damit Online-Händler in der Menge ihrer Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben. Da es sich bei den Informationen, die den Preis bestimmen, um Variablen handelt, die sich ständig verändern können, muss sich auch der Preis dynamisch an diese Veränderungen anpassen können. Mithilfe von maschinellem Lernen und Informationen, wie Nachfrage, Verfügbarkeit und „In-Faktor“ der Produkte ermittelt die KI unter anderem den optimalen Preis und Rabatte.
Wie wichtig ist es für ein Unternehmen, selbst die Entscheidungen einer KI nachvollziehen zu können?
Cotic: In den meisten Fällen verbergen sich bei einer KI die Entscheidungsprozesse hinter einer undurchsichtigen Black Box. Doch die Entscheidungen, die eine KI mithilfe von Machine Learning trifft, müssen nachvollziehbar und erklärbar sein. Durch diese Transparenz verstehen nicht nur die Nutzer beziehungsweise nutzenden Unternehmen, wie die KI zu einer Entscheidung gelangt. Unternehmen können ihren Kunden wichtige Prozesse bis ins kleinste Detail plausibel erklären. So sind Finanzdienstleister zum Beispiel in der Lage, ihren Kunden zu erläutern, wie genau die Vergabe eines Darlehens funktioniert und auf welcher Grundlage diese fußt oder warum man in einen bestimmten Versicherungstarif eingestuft wird. Besonders vorteilhaft ist die transparente Entscheidungsfindung einer KI für Branchen, die der Aufsicht einer Regulierungsbehörde unterliegen. Darunter fallen zum Beispiel das Bank-, Versicherungs- und Gesundheitswesen. Diesen Behörden können Unternehmen präzise darlegen, wie es zu einer bestimmten Entscheidung gekommen ist.
Sollte eine KI also immer transparent arbeiten?
Cotic: Transparenz ist nicht nur für Unternehmen in Sachen Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse förderlich, sondern auch für deren Kunden. Sie bringt Kunden in Bezug auf die Entscheidungsfindung nicht nur auf eine Augenhöhe mit dem jeweiligen Unternehmen, da die Entscheidungen für sie nachvollziehbar begründet werden können, sondern schafft darüber hinaus Glaubwürdigkeit. Dies führt zu einem steigenden Vertrauen in die Unternehmen. Durch die Transparenz werden Menschen für die Nutzung dieses technologischen Fortschritts sensibilisiert, was für Akzeptanz sorgt.
Mit Blick auf das Marketing: In welchen Bereichen wird sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den kommenden Monaten durchsetzen?
Cotic: Früher waren es Preisgestaltung und die Produkte und Services selbst, die im Fokus der Marketers standen, um die Kundenzufriedenheit hochzuschrauben. Zielgruppenorientiertes Werbevorgehen und personalisierte Inhalte und Angebote, die in Echtzeit passgenau auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden zugeschnitten sind, werden dennoch immer wichtiger, um unter anderem die Customer Experience so angenehm wie möglich zu gestalten. Eine gute Customer Experience verspricht heute zufriedene Kunden, Loyalität, Umsatzwachstum und Reputation. Wir konnten im Rahmen von ersten Projekten nachweisen, dass die Effektivität von Bannern mit individuellen Produktempfehlungen um bis zu 50 Prozent gestiegen ist.
KI-basierte Tools schaffen es, die kundenspezifischen Daten, die für die Personalisierung nötig sind, schnell und präzise zu aggregieren und nutzbar zu machen. Danach obliegt es den menschlichen Mitarbeitern, ihre Kunden persönlich anzusprechen, ohne dass es aufdringlich wirkt. Der Mensch wird nicht von der Maschine abgelöst, sondern die Kompetenzen und Fähigkeiten beider Entitäten müssen sich ergänzen, damit von dem „Luxusproblem“ lediglich der Luxus bleibt.
Das Interview führte Helmut van Rinsum
Thomas Cotic ist Bereitsvorsitzender von Actico und Experte für Künstliche Intelligenz. Der studierte Informatiker hat das Unternehmen 1997 als Innovations Softwaretechnologie GmbH in der Bosch-Gruppe mitgegründet. Durch einen Management- Buy-out firmiert das Unternehmen seit 2015 als Actico.
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