Gute Daten, schlechte Daten

Interview

5 Minuten

09.12.2019

Portrait von Sara Sihelnik

Künstliche Intelligenz kann dem Marketing zu bemerkenswerten Erfolgen verhelfen. Voraussetzung dafür allerdings ist, dass die KI mit den richtigen Daten versorgt wird. Die Frage ist nur, wie erkenne ich das? Und was muss beachtet werden? Ein Fachbeitrag von Sara Sihelnik (Foto), Country Manager DACH bei Quantcast.

Jeder kennt die Situation und jeder hasst sie: Morgens sagt das Smartphone eine stabile Wetterlage voraus. Regenwahrscheinlichkeit null Prozent. Man nimmt das Rad für den Weg zur Arbeit. Leider schüttet es abends dann aus Eimern, wenn man wieder nach Hause fahren will. Die Wetter-App hat mit ihrer Prognose ordentlich danebengelegen. Ähnlich schwer vorherzusagen wie das Wetter ist auch das menschliche Verhalten. Selbst wenn Informationen über die Handlungsweise und die Interessen eines Verbrauchers vorliegen, können diese Daten von jetzt auf gleich veraltet sein. Jede Customer Journey ist unterschiedlich und häufig fallen Kaufentscheidungen spontan, wenn der Nutzer beispielsweise ein gutes Angebot sieht oder an dem Punkt angelangt ist, an dem er für sich ausreichend Informationen gesammelt hat. Ab hier ist eine Werbung für das Produkt für den Nutzer nicht nur irrelevant, oft empfindet er sie sogar als störend.

Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir diesen Punkt erkennen, an dem Werbung für eine Marke oder ein Produkt keinen Mehrwert mehr bringt?

Künstliche Intelligenz in Form von maschinellem Lernen kann Marketingentscheidern dabei unter die Arme greifen: Sie kann innerhalb kürzester Zeit gigantische Datenmengen auswerten, Muster erkennen und auf deren Grundlage beispielsweise Zielgruppenprofile erstellen sowie Mediakaufentscheidungen treffen. Das hilft dabei, Kampagnen auf ein gewünschtes Ergebnis wie die Conversion oder auch die Steigerung der Markenbekanntheit automatisch auszusteuern, die Relevanz von Onlinewerbung zu verbessern und bessere Ergebnisse zu erzielen. Damit das funktionieren kann, ist ein Faktor essentiell: Daten – und damit einhergehend die Datenqualität.

Künstliche Intelligenz: Gute Daten bilden die Basis

Derzeit krankt der Ausbau der datengetriebenen Marketingkommunikation allzu häufig noch an der Qualität der Daten: Das ist in 58 Prozent der Unternehmen der Fall, wie eine Erhebung der Hochschule der Medien in Kooperation mit United Internet Media offenlegt. Und das, obwohl eine andere Umfrage von Brain Consulting unter 100 Marketingverantwortlichen ergab, dass für 70 Prozent der Befragten eine bessere Planbarkeit und Auslastung von Ressourcen durch die systematische Datennutzung das größte Plus im Rahmen der Digitalisierung darstellt. Jedoch sind nur sechs Prozent der Meinung, dass ihre verfügbaren Daten bereits gut genug ausgewertet werden, um davon tatsächlich zu profitieren. Das ist derzeit noch eine zentrale Herausforderung für den wirkungsvollen Einsatz von maschinellem Lernen im Marketing. Denn nur, wenn die Datenqualität stimmt und die vorhandenen Datensätze sinnvoll analysiert werden, können sie ihr volles Potenzial entfalten.

Küchenquelle: Maschinell optimierte Zielgruppenprofile

Wie das heute schon erfolgreich funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Küchenquelle. Ziel des Unternehmens war es, anlässlich des Firmenjubiläums mit einer Online-Kampagne die Markenpräsenz zu stärken und neue Kunden zu gewinnen. Mithilfe eines Pixels auf der Marken-Website wurden die Daten von Seitenbesuchern und konvertierenden Nutzern live erhoben. In diesen über das Pixel erfassten Cookie-Informationen wurden durch maschinelles Lernen Merkmale herausgefiltert, die konvertierende Nutzer vom Durchschnitt der Internetnutzer unterschieden und dadurch als Gradmesser dienten, wie wahrscheinlich ein vergleichbarer Nutzer die gewünschte Conversion bei Küchenquelle auslöst. Durch den auf der Website eingebauten Pixel war die KI zudem in der Lage, dieses Zielgruppenprofil auf Basis der permanent neu eintreffenden Datenpunkte weiter zu optimieren. Durch dieses Vorgehen wurden zu jeder Zeit nur die jeweils relevantesten Nutzer angesprochen und gleichzeitig verhindert, dass Nutzer, die nicht im Markt für eine Küchenberatung waren, von der Kampagne zeitnah ausgeschlossen wurden.  Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Kosten pro Terminanfrage waren um 30 Prozent geringer als der vorgegebene Zielwert und Nutzer, die über das daten- und KI-basierte Targeting angesprochen wurden, konvertierten fast doppelt so oft im Vergleich zum Website-Durchschnitt.

Das Beispiel zeigt: Wird die Maschine mit den richtigen Daten gefüttert, also in diesem Fall den Daten zu den jeweils aktuellsten konvertierenden Nutzern, kann sie zum Ausbau einer Marke und der Steigerung der Umsätze maßgeblich beitragen.

Das kleine Einmaleins „guter“ Daten

Doch woran erkenne ich „gute“ Daten? Hier gibt es drei zentrale Aspekte. Zum einen muss ich mir die Frage stellen: Woher kommen meine Daten? Handelt es sich dabei um First-Party-Daten? Stammen sie beispielsweise direkt von meiner eigenen Website oder meinem eigenen Onlineshop? Oder beziehe ich sie von einem externen Anbieter? Wenn ja, wie und wo hat er diese Daten erfasst?

Die Art und Weise, wie die Daten erhoben werden, die ich für meine Werbekampagne verwende, spielt für das Ergebnis eine ausschlaggebende Rolle. Ebenso wie im Fall Küchenquelle kann ich über ein eingebautes Pixel auf meiner Website eine direkte Datenerhebung vornehmen. Diese Methode läuft permanent im Hintergrund und erfasst alle Seitenbesucher. Die KI erkennt in diesen Daten selbstständig relevante Muster und lässt eventuelle Veränderungen unmittelbar in das Zielgruppenprofil einfließen. Anders sieht es bei panelbasierten Daten aus: Hier werden in der Regel basierend auf sehr begrenzten Stichproben einer Zielgruppe Daten erhoben und statistisch hochgerechnt. Zudem werden Panels nur in größeren Zeitabständen aktualisiert. Der Nachteil: Wenn die Daten aus einem Panel für das Marketing nutzbar sind, sind sie in Teilen schon überholt – vor allem bei Produkten und Dienstleistungen mit kurzen Entscheidungszeiträumen. Zudem ist die statistische Hochrechnung bei kleinen Stichproben mit Ungenauigkeiten behaftet. Werbetreibende laufen daher Gefahr, dass die KI auf alten und potenziell fehlerbehafteten Daten falsche Schlüsse für das Targeting zieht.

Ebenso wichtig ist die Frage nach der Segmentierung: Handelt es sich bei meinen Daten um Segmente, die aus verschiedenen Quellen kombiniert wurden? Oder wähle ich für mich die Methode des „Segment of One“, bei dem jeder Cookie für sich allein betrachtet wird? Auch dies hat einen großen Einfluss auf die letztendliche Targeting-Präzision.

Jede Customer Journey ist anders

Was die Erhebungsmethode betrifft, sollte ich mich außerdem fragen: Liegen die erforderlichen Einwilligungen der Nutzer für die Erhebung und Verarbeitung der Daten vor? Die Antworten auf diese und weitere Fragen sind essentiell, um beurteilen zu können, wie wertig die Daten sind, die ich zur Zielgruppenansprache nutzen möchte. Denn wenn die Datengrundlage nicht stimmt, ist das Targeting einer Onlinekampagne ähnlich verlässlich wie die Wettervorhersage für die kommenden 14 Tage.

Der letzte Punkt, der beim Einsatz von Daten im Marketing eine wichtige Rolle spielt, ist die Aktualität. In welchem Zeitraum wurden die Daten erhoben, die ich für das maschinelle Lernen heranziehe? Wie häufig ist dies geschehen? Und wie zeitnah werden die jeweils aktuellsten Daten in meinem Zielgruppenmodeling reflektiert? Wie eingangs erwähnt, fallen Kaufentscheidungen häufig scheinbar spontan. Es gibt nicht die eine immer gleiche Customer Journey für ein Produkt. Nutze ich also beispielsweise Verhaltens- oder Interessensdaten zu Nutzern, die 14 Tage oder älter sind, kann die Kaufentscheidung bereits gefallen sein, ohne dass ich als Werbetreibender das erkannt habe. Das führt zu Werbeausspielungen, die keine Wirkung erzielen und im schlimmsten Fall sogar die Wahrnehmung meiner Marke nachhaltig schädigen können. Das ist vergleichbar mit der 90-Minuten-Prognose in Wetter-Apps, die deutlich verlässlicher ist als die Vorhersagen für die nächsten drei Tage.

Die beste Kombi: Mensch und Maschine

Auch die beste KI ist nur so gut wie die ihr zugeführten Daten. Ist bereits die Grundlage minderwertig, weil zu alt oder ungenau oder schlimmstenfalls sogar beides, kann auch die vermeintlich intelligenteste Maschine die Ergebnisse nicht mehr retten. Daher sollte für Marketer die Datenqualität ganz oben auf der Liste stehen, wenn es um eine solide Basis ihrer datenbasierten und maschinell ausgesteuerten Kampagnen geht.   

 

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Jeder kennt die Situation und jeder hasst sie: Morgens sagt das Smartphone eine stabile Wetterlage voraus. Regenwahrscheinlichkeit null Prozent. Man nimmt das Rad für den Weg zur Arbeit. Leider schüttet es abends dann aus Eimern, wenn man wieder nach Hause fahren will. Die Wetter-App hat mit ihrer Prognose ordentlich danebengelegen. Ähnlich schwer vorherzusagen wie das Wetter ist auch das menschliche Verhalten. Selbst wenn Informationen über die Handlungsweise und die Interessen eines Verbrauchers vorliegen, können diese Daten von jetzt auf gleich veraltet sein. Jede Customer Journey ist unterschiedlich und häufig fallen Kaufentscheidungen spontan, wenn der Nutzer beispielsweise ein gutes Angebot sieht oder an dem Punkt angelangt ist, an dem er für sich ausreichend Informationen gesammelt hat. Ab hier ist eine Werbung für das Produkt für den Nutzer nicht nur irrelevant, oft empfindet er sie sogar als störend.

Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir diesen Punkt erkennen, an dem Werbung für eine Marke oder ein Produkt keinen Mehrwert mehr bringt?

Künstliche Intelligenz in Form von maschinellem Lernen kann Marketingentscheidern dabei unter die Arme greifen: Sie kann innerhalb kürzester Zeit gigantische Datenmengen auswerten, Muster erkennen und auf deren Grundlage beispielsweise Zielgruppenprofile erstellen sowie Mediakaufentscheidungen treffen. Das hilft dabei, Kampagnen auf ein gewünschtes Ergebnis wie die Conversion oder auch die Steigerung der Markenbekanntheit automatisch auszusteuern, die Relevanz von Onlinewerbung zu verbessern und bessere Ergebnisse zu erzielen. Damit das funktionieren kann, ist ein Faktor essentiell: Daten – und damit einhergehend die Datenqualität.

Künstliche Intelligenz: Gute Daten bilden die Basis

Derzeit krankt der Ausbau der datengetriebenen Marketingkommunikation allzu häufig noch an der Qualität der Daten: Das ist in 58 Prozent der Unternehmen der Fall, wie eine Erhebung der Hochschule der Medien in Kooperation mit United Internet Media offenlegt. Und das, obwohl eine andere Umfrage von Brain Consulting unter 100 Marketingverantwortlichen ergab, dass für 70 Prozent der Befragten eine bessere Planbarkeit und Auslastung von Ressourcen durch die systematische Datennutzung das größte Plus im Rahmen der Digitalisierung darstellt. Jedoch sind nur sechs Prozent der Meinung, dass ihre verfügbaren Daten bereits gut genug ausgewertet werden, um davon tatsächlich zu profitieren. Das ist derzeit noch eine zentrale Herausforderung für den wirkungsvollen Einsatz von maschinellem Lernen im Marketing. Denn nur, wenn die Datenqualität stimmt und die vorhandenen Datensätze sinnvoll analysiert werden, können sie ihr volles Potenzial entfalten.

Küchenquelle: Maschinell optimierte Zielgruppenprofile

Wie das heute schon erfolgreich funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Küchenquelle. Ziel des Unternehmens war es, anlässlich des Firmenjubiläums mit einer Online-Kampagne die Markenpräsenz zu stärken und neue Kunden zu gewinnen. Mithilfe eines Pixels auf der Marken-Website wurden die Daten von Seitenbesuchern und konvertierenden Nutzern live erhoben. In diesen über das Pixel erfassten Cookie-Informationen wurden durch maschinelles Lernen Merkmale herausgefiltert, die konvertierende Nutzer vom Durchschnitt der Internetnutzer unterschieden und dadurch als Gradmesser dienten, wie wahrscheinlich ein vergleichbarer Nutzer die gewünschte Conversion bei Küchenquelle auslöst. Durch den auf der Website eingebauten Pixel war die KI zudem in der Lage, dieses Zielgruppenprofil auf Basis der permanent neu eintreffenden Datenpunkte weiter zu optimieren. Durch dieses Vorgehen wurden zu jeder Zeit nur die jeweils relevantesten Nutzer angesprochen und gleichzeitig verhindert, dass Nutzer, die nicht im Markt für eine Küchenberatung waren, von der Kampagne zeitnah ausgeschlossen wurden.  Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Kosten pro Terminanfrage waren um 30 Prozent geringer als der vorgegebene Zielwert und Nutzer, die über das daten- und KI-basierte Targeting angesprochen wurden, konvertierten fast doppelt so oft im Vergleich zum Website-Durchschnitt.

Das Beispiel zeigt: Wird die Maschine mit den richtigen Daten gefüttert, also in diesem Fall den Daten zu den jeweils aktuellsten konvertierenden Nutzern, kann sie zum Ausbau einer Marke und der Steigerung der Umsätze maßgeblich beitragen.

Das kleine Einmaleins „guter“ Daten

Doch woran erkenne ich „gute“ Daten? Hier gibt es drei zentrale Aspekte. Zum einen muss ich mir die Frage stellen: Woher kommen meine Daten? Handelt es sich dabei um First-Party-Daten? Stammen sie beispielsweise direkt von meiner eigenen Website oder meinem eigenen Onlineshop? Oder beziehe ich sie von einem externen Anbieter? Wenn ja, wie und wo hat er diese Daten erfasst?

Die Art und Weise, wie die Daten erhoben werden, die ich für meine Werbekampagne verwende, spielt für das Ergebnis eine ausschlaggebende Rolle. Ebenso wie im Fall Küchenquelle kann ich über ein eingebautes Pixel auf meiner Website eine direkte Datenerhebung vornehmen. Diese Methode läuft permanent im Hintergrund und erfasst alle Seitenbesucher. Die KI erkennt in diesen Daten selbstständig relevante Muster und lässt eventuelle Veränderungen unmittelbar in das Zielgruppenprofil einfließen. Anders sieht es bei panelbasierten Daten aus: Hier werden in der Regel basierend auf sehr begrenzten Stichproben einer Zielgruppe Daten erhoben und statistisch hochgerechnt. Zudem werden Panels nur in größeren Zeitabständen aktualisiert. Der Nachteil: Wenn die Daten aus einem Panel für das Marketing nutzbar sind, sind sie in Teilen schon überholt – vor allem bei Produkten und Dienstleistungen mit kurzen Entscheidungszeiträumen. Zudem ist die statistische Hochrechnung bei kleinen Stichproben mit Ungenauigkeiten behaftet. Werbetreibende laufen daher Gefahr, dass die KI auf alten und potenziell fehlerbehafteten Daten falsche Schlüsse für das Targeting zieht.

Ebenso wichtig ist die Frage nach der Segmentierung: Handelt es sich bei meinen Daten um Segmente, die aus verschiedenen Quellen kombiniert wurden? Oder wähle ich für mich die Methode des „Segment of One“, bei dem jeder Cookie für sich allein betrachtet wird? Auch dies hat einen großen Einfluss auf die letztendliche Targeting-Präzision.

Jede Customer Journey ist anders

Was die Erhebungsmethode betrifft, sollte ich mich außerdem fragen: Liegen die erforderlichen Einwilligungen der Nutzer für die Erhebung und Verarbeitung der Daten vor? Die Antworten auf diese und weitere Fragen sind essentiell, um beurteilen zu können, wie wertig die Daten sind, die ich zur Zielgruppenansprache nutzen möchte. Denn wenn die Datengrundlage nicht stimmt, ist das Targeting einer Onlinekampagne ähnlich verlässlich wie die Wettervorhersage für die kommenden 14 Tage.

Der letzte Punkt, der beim Einsatz von Daten im Marketing eine wichtige Rolle spielt, ist die Aktualität. In welchem Zeitraum wurden die Daten erhoben, die ich für das maschinelle Lernen heranziehe? Wie häufig ist dies geschehen? Und wie zeitnah werden die jeweils aktuellsten Daten in meinem Zielgruppenmodeling reflektiert? Wie eingangs erwähnt, fallen Kaufentscheidungen häufig scheinbar spontan. Es gibt nicht die eine immer gleiche Customer Journey für ein Produkt. Nutze ich also beispielsweise Verhaltens- oder Interessensdaten zu Nutzern, die 14 Tage oder älter sind, kann die Kaufentscheidung bereits gefallen sein, ohne dass ich als Werbetreibender das erkannt habe. Das führt zu Werbeausspielungen, die keine Wirkung erzielen und im schlimmsten Fall sogar die Wahrnehmung meiner Marke nachhaltig schädigen können. Das ist vergleichbar mit der 90-Minuten-Prognose in Wetter-Apps, die deutlich verlässlicher ist als die Vorhersagen für die nächsten drei Tage.

Die beste Kombi: Mensch und Maschine

Auch die beste KI ist nur so gut wie die ihr zugeführten Daten. Ist bereits die Grundlage minderwertig, weil zu alt oder ungenau oder schlimmstenfalls sogar beides, kann auch die vermeintlich intelligenteste Maschine die Ergebnisse nicht mehr retten. Daher sollte für Marketer die Datenqualität ganz oben auf der Liste stehen, wenn es um eine solide Basis ihrer datenbasierten und maschinell ausgesteuerten Kampagnen geht.   

 

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Jeder kennt die Situation und jeder hasst sie: Morgens sagt das Smartphone eine stabile Wetterlage voraus. Regenwahrscheinlichkeit null Prozent. Man nimmt das Rad für den Weg zur Arbeit. Leider schüttet es abends dann aus Eimern, wenn man wieder nach Hause fahren will. Die Wetter-App hat mit ihrer Prognose ordentlich danebengelegen. Ähnlich schwer vorherzusagen wie das Wetter ist auch das menschliche Verhalten. Selbst wenn Informationen über die Handlungsweise und die Interessen eines Verbrauchers vorliegen, können diese Daten von jetzt auf gleich veraltet sein. Jede Customer Journey ist unterschiedlich und häufig fallen Kaufentscheidungen spontan, wenn der Nutzer beispielsweise ein gutes Angebot sieht oder an dem Punkt angelangt ist, an dem er für sich ausreichend Informationen gesammelt hat. Ab hier ist eine Werbung für das Produkt für den Nutzer nicht nur irrelevant, oft empfindet er sie sogar als störend.

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Derzeit krankt der Ausbau der datengetriebenen Marketingkommunikation allzu häufig noch an der Qualität der Daten: Das ist in 58 Prozent der Unternehmen der Fall, wie eine Erhebung der Hochschule der Medien in Kooperation mit United Internet Media offenlegt. Und das, obwohl eine andere Umfrage von Brain Consulting unter 100 Marketingverantwortlichen ergab, dass für 70 Prozent der Befragten eine bessere Planbarkeit und Auslastung von Ressourcen durch die systematische Datennutzung das größte Plus im Rahmen der Digitalisierung darstellt. Jedoch sind nur sechs Prozent der Meinung, dass ihre verfügbaren Daten bereits gut genug ausgewertet werden, um davon tatsächlich zu profitieren. Das ist derzeit noch eine zentrale Herausforderung für den wirkungsvollen Einsatz von maschinellem Lernen im Marketing. Denn nur, wenn die Datenqualität stimmt und die vorhandenen Datensätze sinnvoll analysiert werden, können sie ihr volles Potenzial entfalten.

Küchenquelle: Maschinell optimierte Zielgruppenprofile

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Das Beispiel zeigt: Wird die Maschine mit den richtigen Daten gefüttert, also in diesem Fall den Daten zu den jeweils aktuellsten konvertierenden Nutzern, kann sie zum Ausbau einer Marke und der Steigerung der Umsätze maßgeblich beitragen.

Das kleine Einmaleins „guter“ Daten

Doch woran erkenne ich „gute“ Daten? Hier gibt es drei zentrale Aspekte. Zum einen muss ich mir die Frage stellen: Woher kommen meine Daten? Handelt es sich dabei um First-Party-Daten? Stammen sie beispielsweise direkt von meiner eigenen Website oder meinem eigenen Onlineshop? Oder beziehe ich sie von einem externen Anbieter? Wenn ja, wie und wo hat er diese Daten erfasst?

Die Art und Weise, wie die Daten erhoben werden, die ich für meine Werbekampagne verwende, spielt für das Ergebnis eine ausschlaggebende Rolle. Ebenso wie im Fall Küchenquelle kann ich über ein eingebautes Pixel auf meiner Website eine direkte Datenerhebung vornehmen. Diese Methode läuft permanent im Hintergrund und erfasst alle Seitenbesucher. Die KI erkennt in diesen Daten selbstständig relevante Muster und lässt eventuelle Veränderungen unmittelbar in das Zielgruppenprofil einfließen. Anders sieht es bei panelbasierten Daten aus: Hier werden in der Regel basierend auf sehr begrenzten Stichproben einer Zielgruppe Daten erhoben und statistisch hochgerechnt. Zudem werden Panels nur in größeren Zeitabständen aktualisiert. Der Nachteil: Wenn die Daten aus einem Panel für das Marketing nutzbar sind, sind sie in Teilen schon überholt – vor allem bei Produkten und Dienstleistungen mit kurzen Entscheidungszeiträumen. Zudem ist die statistische Hochrechnung bei kleinen Stichproben mit Ungenauigkeiten behaftet. Werbetreibende laufen daher Gefahr, dass die KI auf alten und potenziell fehlerbehafteten Daten falsche Schlüsse für das Targeting zieht.

Ebenso wichtig ist die Frage nach der Segmentierung: Handelt es sich bei meinen Daten um Segmente, die aus verschiedenen Quellen kombiniert wurden? Oder wähle ich für mich die Methode des „Segment of One“, bei dem jeder Cookie für sich allein betrachtet wird? Auch dies hat einen großen Einfluss auf die letztendliche Targeting-Präzision.

Jede Customer Journey ist anders

Was die Erhebungsmethode betrifft, sollte ich mich außerdem fragen: Liegen die erforderlichen Einwilligungen der Nutzer für die Erhebung und Verarbeitung der Daten vor? Die Antworten auf diese und weitere Fragen sind essentiell, um beurteilen zu können, wie wertig die Daten sind, die ich zur Zielgruppenansprache nutzen möchte. Denn wenn die Datengrundlage nicht stimmt, ist das Targeting einer Onlinekampagne ähnlich verlässlich wie die Wettervorhersage für die kommenden 14 Tage.

Der letzte Punkt, der beim Einsatz von Daten im Marketing eine wichtige Rolle spielt, ist die Aktualität. In welchem Zeitraum wurden die Daten erhoben, die ich für das maschinelle Lernen heranziehe? Wie häufig ist dies geschehen? Und wie zeitnah werden die jeweils aktuellsten Daten in meinem Zielgruppenmodeling reflektiert? Wie eingangs erwähnt, fallen Kaufentscheidungen häufig scheinbar spontan. Es gibt nicht die eine immer gleiche Customer Journey für ein Produkt. Nutze ich also beispielsweise Verhaltens- oder Interessensdaten zu Nutzern, die 14 Tage oder älter sind, kann die Kaufentscheidung bereits gefallen sein, ohne dass ich als Werbetreibender das erkannt habe. Das führt zu Werbeausspielungen, die keine Wirkung erzielen und im schlimmsten Fall sogar die Wahrnehmung meiner Marke nachhaltig schädigen können. Das ist vergleichbar mit der 90-Minuten-Prognose in Wetter-Apps, die deutlich verlässlicher ist als die Vorhersagen für die nächsten drei Tage.

Die beste Kombi: Mensch und Maschine

Auch die beste KI ist nur so gut wie die ihr zugeführten Daten. Ist bereits die Grundlage minderwertig, weil zu alt oder ungenau oder schlimmstenfalls sogar beides, kann auch die vermeintlich intelligenteste Maschine die Ergebnisse nicht mehr retten. Daher sollte für Marketer die Datenqualität ganz oben auf der Liste stehen, wenn es um eine solide Basis ihrer datenbasierten und maschinell ausgesteuerten Kampagnen geht.   

 

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