"Eine neue Zeitrechnung des Marketing"

Interview

5 Minuten

30.07.2021

Helmut van Rinsum

Portrait von Henrik Roth

Das Start-up neuroflash hat den Ehrgeiz, Marketing-Texte mit KI zu optimieren. Ob Ideen für einen Beitrag,  Produktbeschreibungen oder E-Mail-Betreffzeilen: Für alles macht Künstliche Intelligenz entsprechende Vorschläge.  Ein Gespäch mit dem CMO Henrik Roth über erste Use Cases, die Tonalität der Texte und die Zukunft des Copywriting. 

Henrik, Du bist seit kurzem CMO des Start-ups neuroflash. Das Unternehmen hat ein KI-basiertes Tool auf den Markt gebracht, mit dem sich Marketing-Texte automatisiert schreiben und optimieren lassen. Welche Texte kann man damit konkret anfassen?

Henrik Roth: Zunächst haben wir uns auf Newsletter-Betreffzeilen fokussiert, da wir zuerst einmal die Effektivitätssteigerung nachweisen wollten. Betreffzeilen haben einen starken Einfluss auf die Öffnungsraten. Mit ersten Pilot-Kunden konnten wir damit dann beweisen, dass KI generierte Betreffzeilen etwa 3 bis 7 Prozent höhere Öffnungsraten liefern können. Mit dem Beweis, verbreitern wir jetzt unsere Use Cases, sodass wir schon 10 bis 15 andere Content-Typen erstellen können. Darunter sind zum Beispiel Anzeigentexte für Facebook, Instagram und Google, Website Texte, E-Commerce Produktbeschreibungen. 

Mit welchen Daten wird die KI gefüttert, damit sie diese Vorschläge erarbeiten kann?

Roth: Unsere Kunden nutzen unsere Software in einem zweistufigen Prozess. Im ersten Moment werden neue und originelle Marketingtexte mittels GPT-3 erstellt. GPT-3 ist ein Sprachproduktionssystem, das von OpenAI entwickelt und herausgebracht wurde. Unglaublich aber wahr: Es basiert mit 175 Millionen Synapsen auf einem gigantischen neuronalen Netzwerk und kann unter minimalen Vorgaben Texte ergänzen und selbst verfassen. Nachdem die Texte dann generiert worden sind, kommt unsere eigene proprietäre Technologie zu tragen. Denn im zweiten Schritt können diese neu generierten Texte von der Software auf ihre Wahrnehmung im Markt getestet und bewertet werden. Wir zeigen unseren Kunden, welche Gefühle und Assoziationen durch die Texte ausgelöst werden. In der Konsequenz kann der User entscheiden, welche Markenwerte – zum Beispiel Nachhaltigkeit – der Text beim Leser auslösen soll und die Software gibt eine entsprechende Empfehlung ab. Dadurch kann der Text ausgewählt werden, der auf der einen Seite die besten Erfolgschancen hat und auf der anderen Seite gleichzeitig am besten zur Marketingbotschaft der Marke passt.

Bislang haben – beispielsweise bei Betreffzeilen – die Unternehmen mit A/B-Tests gearbeitet. Werden die jetzt überflüssig?

Roth: Wir können voller Stolz sagen, dass wir den Unternehmen hier einiges an Arbeit abnehmen können. Dadurch, dass unsere Software in der Lage ist, vorauszusagen wie erfolgreich die kreierten Vorschläge in der gewünschten Zielgruppe sein werden, kann einiges an Zeit für A/B-Tests eingespart werden. Diese brauchen jetzt nur noch zur anschließenden Verifikation und Kontrolle der Ergebnisse eingesetzt werden oder um herauszufinden, welche von zwei sehr performanten Varianten nochmal ein bisschen erfolgreicher ist. Wir empfehlen deshalb, A/B Tests weiterhin durchzuführen, aber sagen ganz klar, dass mit unserer Software von Beginn an bessere Varianten gefunden werden.

Ginge es eigentlich auch ohne da Sprachsystem GPT-3?

Roth: Wir haben seit Dezember 2020 Zugang zu GPT-3 und integrieren das Sprachproduktionssystem seit Januar 2021 in unserer eigenen Software. Es ist das mit Abstand effizienteste und performanteste Sprachproduktionssystem, das derzeit auf dem Markt existiert, da es akkurat und effektiv menschliche Denk- und Argumentationsmuster reproduzieren kann. Insofern würde es in der Theorie zwar auch andere Sprachproduktionssysteme geben. Aber darunter würde die Qualität der Texte stark leiden. Aber unsere Software würde natürlich weiterhin funktionieren, da unsere Vorhersagetechnologie nicht an GPT-3 gekoppelt ist.

Ihr habt mit Swisscom den ersten Use Case vorgelegt. Wo konnte das Unternehmen mit Eurer Software signifikante Verbesserungen erreichen?

Roth: Swisscom hat auf seiner Webseite ein Suchfeld integriert, mit dem Nutzer anhand von Stichwörtern nach spezifischen Inhalten auf der Webseite suchen können. In diesem Suchfeld erschien ursprünglich der Text “Wie können wir Ihnen helfen?”. Das Unternehmen wollte gerne erreichen, dass mehr Nutzer eine Suchanfrage starten. Um dieses Ziel zu erreichen, kooperierten sie schließlich mit uns. Unsere Software generierte und bewertete daraufhin diverse Textvorschläge, die in diesem Suchfeld angezeigt werden können, um dessen Nutzungsrate zu steigern. Dabei wurden die Vorschläge auf ihre generellen Assoziationen sowie auf die Stärke der Assoziation zu den Begriffen “suchen” und “finden” getestet. Die fünf Textvorschläge mit dem höchsten Score wurden daraufhin automatisiert auf der Webseite mit Adobe Auto-Target getestet und die Ergebnisse daraufhin ausgewertet. Schlussendlich wurde der erfolgreichste Text “Was suchen Sie?” endgültig auf der Webseite implementiert.

Und siehe da – das Suchfeld wurde mit Einführung des neuen Textes fast 25 Prozent häufiger genutzt als zuvor!

Ihr fokussiert Euch mit neuroflash fokussiert auf B2C. Ist das KI-Tool auch für B2B anwendbar?

Roth: Absolut. Das Tool ist in der Lage, seine Tonalität und Sprache den Wünschen des Users anzupassen und entsprechend Texte zu generieren, die diese entsprechend widerspiegeln. Insofern hat der User die volle Kontrolle und kann die Software anweisen, relevante Texte für jede beliebige Zielgruppe zu kreieren – in diesem Fall auch für Unternehmen eines bestimmten Sektors. Nichtsdestotrotz basiert unsere Validierungstechnologie auf Konsumentendaten, weshalb wir für B2B-Zielgruppen im Nischenbereich derzeit keine akkurate Bewertung liefern können. Aus diesem Grund fokussieren wir uns insbesondere auf konsumentenorientierter Kommunikation.

Auf welche anderen Bereiche ließe sich die Idee der Textoptimierung im Marketing theoretisch noch übertragen? Könnten damit auch ganze Storylines entwickelt werden?

Roth: Künstliche Intelligenz ist mittlerweile in der Lage, absolut jede denkbare Textsorte eigenständig zu verfassen. Liam Porr beispielsweise hat einmal den Test gestartet, einen ganzen Blogartikel von einer KI verfassen zu lassen. Der Artikel landete auf Platz 1 der Hacker News und die meisten Leser haben nicht einmal wahrgenommen, dass kein menschlicher Copywriter hinter dem Blogartikel steht. Insofern ist auch die Kreation von ganzen Storylines keine Zukunftsmusik mehr. Wir wollen uns allerdings auf kurzformatige Texte fokussieren, da hier jedes Wort zählt, um die richtige Botschaft zu vermitteln. Das ist ja genau unsere Stärke, die Wirkung von Wörter hervorzusagen.

Du zählst zu den umtriebigsten Gründern im Land. Was fasziniert Dich an neuroflash im Vergleich zu anderen Start-ups?

Roth: Mich fasziniert die unglaubliche Innovationskraft, die hinter diesem jungen Unternehmen steckt. Wir befinden uns gerade am Beginn einer neuen Zeitrechnung des Marketings, die den Sektor vollständig auf den Kopf stellen wird. Und neuroflash ist einer der Pioniere dieses Wandels. Das ist ein großartiges Gefühl. Zudem bin von unserem Team sehr überzeugt und glaube, dass wir mit unserer Software vielen Menschen helfen können.

Wie wird sich Deiner Meinung nach KI im Marketing in den nächsten Jahren entwickeln?

Roth: Die Copywriter der Zukunft können sich freuen, denn die Maschinen werden ihnen repetitive und monotone Aufgaben weitestgehend abnehmen können. Dadurch werden sich für das Berufsbild völlig neue Kapazitäten eröffnen, erfüllenderen und kreativeren Tätigkeiten in ihrem Feld nachzugehen. In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Unternehmen, die KI einsetzen, um 270 Prozent gestiegen. Während im Jahr 2015 nur zehn Prozent der Unternehmen KI-Technologie eingesetzt haben, stieg die Zahl 2019 bereits auf 37 Prozent. Wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird und KI schließlich zu einem festen Bestandteil der Marketingwelt werden wird. 

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Henrik Roth gründete sein erstes Start-up mit 14 Jahren und beschäftigt sich seitdem mit Digital Marketing und Unternehmertum. Im vergangenen Jahr stieg er bei dem Start-up neuroflash ein. Es unterstützt Unternehmen mit datenbasierter Marktforschung. Heute ist Roth CMO des in Hamburg ansässigen Unternehmens. Nun bringt neuroflash ein KI-basiertes Tool auf den Markt, das Marketer unterstützen soll.

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Helmut van Rinsum

Portrait von Henrik Roth

Das Start-up neuroflash hat den Ehrgeiz, Marketing-Texte mit KI zu optimieren. Ob Ideen für einen Beitrag,  Produktbeschreibungen oder E-Mail-Betreffzeilen: Für alles macht Künstliche Intelligenz entsprechende Vorschläge.  Ein Gespäch mit dem CMO Henrik Roth über erste Use Cases, die Tonalität der Texte und die Zukunft des Copywriting. 

Henrik, Du bist seit kurzem CMO des Start-ups neuroflash. Das Unternehmen hat ein KI-basiertes Tool auf den Markt gebracht, mit dem sich Marketing-Texte automatisiert schreiben und optimieren lassen. Welche Texte kann man damit konkret anfassen?

Henrik Roth: Zunächst haben wir uns auf Newsletter-Betreffzeilen fokussiert, da wir zuerst einmal die Effektivitätssteigerung nachweisen wollten. Betreffzeilen haben einen starken Einfluss auf die Öffnungsraten. Mit ersten Pilot-Kunden konnten wir damit dann beweisen, dass KI generierte Betreffzeilen etwa 3 bis 7 Prozent höhere Öffnungsraten liefern können. Mit dem Beweis, verbreitern wir jetzt unsere Use Cases, sodass wir schon 10 bis 15 andere Content-Typen erstellen können. Darunter sind zum Beispiel Anzeigentexte für Facebook, Instagram und Google, Website Texte, E-Commerce Produktbeschreibungen. 

Mit welchen Daten wird die KI gefüttert, damit sie diese Vorschläge erarbeiten kann?

Roth: Unsere Kunden nutzen unsere Software in einem zweistufigen Prozess. Im ersten Moment werden neue und originelle Marketingtexte mittels GPT-3 erstellt. GPT-3 ist ein Sprachproduktionssystem, das von OpenAI entwickelt und herausgebracht wurde. Unglaublich aber wahr: Es basiert mit 175 Millionen Synapsen auf einem gigantischen neuronalen Netzwerk und kann unter minimalen Vorgaben Texte ergänzen und selbst verfassen. Nachdem die Texte dann generiert worden sind, kommt unsere eigene proprietäre Technologie zu tragen. Denn im zweiten Schritt können diese neu generierten Texte von der Software auf ihre Wahrnehmung im Markt getestet und bewertet werden. Wir zeigen unseren Kunden, welche Gefühle und Assoziationen durch die Texte ausgelöst werden. In der Konsequenz kann der User entscheiden, welche Markenwerte – zum Beispiel Nachhaltigkeit – der Text beim Leser auslösen soll und die Software gibt eine entsprechende Empfehlung ab. Dadurch kann der Text ausgewählt werden, der auf der einen Seite die besten Erfolgschancen hat und auf der anderen Seite gleichzeitig am besten zur Marketingbotschaft der Marke passt.

Bislang haben – beispielsweise bei Betreffzeilen – die Unternehmen mit A/B-Tests gearbeitet. Werden die jetzt überflüssig?

Roth: Wir können voller Stolz sagen, dass wir den Unternehmen hier einiges an Arbeit abnehmen können. Dadurch, dass unsere Software in der Lage ist, vorauszusagen wie erfolgreich die kreierten Vorschläge in der gewünschten Zielgruppe sein werden, kann einiges an Zeit für A/B-Tests eingespart werden. Diese brauchen jetzt nur noch zur anschließenden Verifikation und Kontrolle der Ergebnisse eingesetzt werden oder um herauszufinden, welche von zwei sehr performanten Varianten nochmal ein bisschen erfolgreicher ist. Wir empfehlen deshalb, A/B Tests weiterhin durchzuführen, aber sagen ganz klar, dass mit unserer Software von Beginn an bessere Varianten gefunden werden.

Ginge es eigentlich auch ohne da Sprachsystem GPT-3?

Roth: Wir haben seit Dezember 2020 Zugang zu GPT-3 und integrieren das Sprachproduktionssystem seit Januar 2021 in unserer eigenen Software. Es ist das mit Abstand effizienteste und performanteste Sprachproduktionssystem, das derzeit auf dem Markt existiert, da es akkurat und effektiv menschliche Denk- und Argumentationsmuster reproduzieren kann. Insofern würde es in der Theorie zwar auch andere Sprachproduktionssysteme geben. Aber darunter würde die Qualität der Texte stark leiden. Aber unsere Software würde natürlich weiterhin funktionieren, da unsere Vorhersagetechnologie nicht an GPT-3 gekoppelt ist.

Ihr habt mit Swisscom den ersten Use Case vorgelegt. Wo konnte das Unternehmen mit Eurer Software signifikante Verbesserungen erreichen?

Roth: Swisscom hat auf seiner Webseite ein Suchfeld integriert, mit dem Nutzer anhand von Stichwörtern nach spezifischen Inhalten auf der Webseite suchen können. In diesem Suchfeld erschien ursprünglich der Text “Wie können wir Ihnen helfen?”. Das Unternehmen wollte gerne erreichen, dass mehr Nutzer eine Suchanfrage starten. Um dieses Ziel zu erreichen, kooperierten sie schließlich mit uns. Unsere Software generierte und bewertete daraufhin diverse Textvorschläge, die in diesem Suchfeld angezeigt werden können, um dessen Nutzungsrate zu steigern. Dabei wurden die Vorschläge auf ihre generellen Assoziationen sowie auf die Stärke der Assoziation zu den Begriffen “suchen” und “finden” getestet. Die fünf Textvorschläge mit dem höchsten Score wurden daraufhin automatisiert auf der Webseite mit Adobe Auto-Target getestet und die Ergebnisse daraufhin ausgewertet. Schlussendlich wurde der erfolgreichste Text “Was suchen Sie?” endgültig auf der Webseite implementiert.

Und siehe da – das Suchfeld wurde mit Einführung des neuen Textes fast 25 Prozent häufiger genutzt als zuvor!

Ihr fokussiert Euch mit neuroflash fokussiert auf B2C. Ist das KI-Tool auch für B2B anwendbar?

Roth: Absolut. Das Tool ist in der Lage, seine Tonalität und Sprache den Wünschen des Users anzupassen und entsprechend Texte zu generieren, die diese entsprechend widerspiegeln. Insofern hat der User die volle Kontrolle und kann die Software anweisen, relevante Texte für jede beliebige Zielgruppe zu kreieren – in diesem Fall auch für Unternehmen eines bestimmten Sektors. Nichtsdestotrotz basiert unsere Validierungstechnologie auf Konsumentendaten, weshalb wir für B2B-Zielgruppen im Nischenbereich derzeit keine akkurate Bewertung liefern können. Aus diesem Grund fokussieren wir uns insbesondere auf konsumentenorientierter Kommunikation.

Auf welche anderen Bereiche ließe sich die Idee der Textoptimierung im Marketing theoretisch noch übertragen? Könnten damit auch ganze Storylines entwickelt werden?

Roth: Künstliche Intelligenz ist mittlerweile in der Lage, absolut jede denkbare Textsorte eigenständig zu verfassen. Liam Porr beispielsweise hat einmal den Test gestartet, einen ganzen Blogartikel von einer KI verfassen zu lassen. Der Artikel landete auf Platz 1 der Hacker News und die meisten Leser haben nicht einmal wahrgenommen, dass kein menschlicher Copywriter hinter dem Blogartikel steht. Insofern ist auch die Kreation von ganzen Storylines keine Zukunftsmusik mehr. Wir wollen uns allerdings auf kurzformatige Texte fokussieren, da hier jedes Wort zählt, um die richtige Botschaft zu vermitteln. Das ist ja genau unsere Stärke, die Wirkung von Wörter hervorzusagen.

Du zählst zu den umtriebigsten Gründern im Land. Was fasziniert Dich an neuroflash im Vergleich zu anderen Start-ups?

Roth: Mich fasziniert die unglaubliche Innovationskraft, die hinter diesem jungen Unternehmen steckt. Wir befinden uns gerade am Beginn einer neuen Zeitrechnung des Marketings, die den Sektor vollständig auf den Kopf stellen wird. Und neuroflash ist einer der Pioniere dieses Wandels. Das ist ein großartiges Gefühl. Zudem bin von unserem Team sehr überzeugt und glaube, dass wir mit unserer Software vielen Menschen helfen können.

Wie wird sich Deiner Meinung nach KI im Marketing in den nächsten Jahren entwickeln?

Roth: Die Copywriter der Zukunft können sich freuen, denn die Maschinen werden ihnen repetitive und monotone Aufgaben weitestgehend abnehmen können. Dadurch werden sich für das Berufsbild völlig neue Kapazitäten eröffnen, erfüllenderen und kreativeren Tätigkeiten in ihrem Feld nachzugehen. In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Unternehmen, die KI einsetzen, um 270 Prozent gestiegen. Während im Jahr 2015 nur zehn Prozent der Unternehmen KI-Technologie eingesetzt haben, stieg die Zahl 2019 bereits auf 37 Prozent. Wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird und KI schließlich zu einem festen Bestandteil der Marketingwelt werden wird. 

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Henrik Roth gründete sein erstes Start-up mit 14 Jahren und beschäftigt sich seitdem mit Digital Marketing und Unternehmertum. Im vergangenen Jahr stieg er bei dem Start-up neuroflash ein. Es unterstützt Unternehmen mit datenbasierter Marktforschung. Heute ist Roth CMO des in Hamburg ansässigen Unternehmens. Nun bringt neuroflash ein KI-basiertes Tool auf den Markt, das Marketer unterstützen soll.

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Interview

5 Minuten

30.07.2021

Helmut van Rinsum

Portrait von Henrik Roth

Das Start-up neuroflash hat den Ehrgeiz, Marketing-Texte mit KI zu optimieren. Ob Ideen für einen Beitrag,  Produktbeschreibungen oder E-Mail-Betreffzeilen: Für alles macht Künstliche Intelligenz entsprechende Vorschläge.  Ein Gespäch mit dem CMO Henrik Roth über erste Use Cases, die Tonalität der Texte und die Zukunft des Copywriting. 

Henrik, Du bist seit kurzem CMO des Start-ups neuroflash. Das Unternehmen hat ein KI-basiertes Tool auf den Markt gebracht, mit dem sich Marketing-Texte automatisiert schreiben und optimieren lassen. Welche Texte kann man damit konkret anfassen?

Henrik Roth: Zunächst haben wir uns auf Newsletter-Betreffzeilen fokussiert, da wir zuerst einmal die Effektivitätssteigerung nachweisen wollten. Betreffzeilen haben einen starken Einfluss auf die Öffnungsraten. Mit ersten Pilot-Kunden konnten wir damit dann beweisen, dass KI generierte Betreffzeilen etwa 3 bis 7 Prozent höhere Öffnungsraten liefern können. Mit dem Beweis, verbreitern wir jetzt unsere Use Cases, sodass wir schon 10 bis 15 andere Content-Typen erstellen können. Darunter sind zum Beispiel Anzeigentexte für Facebook, Instagram und Google, Website Texte, E-Commerce Produktbeschreibungen. 

Mit welchen Daten wird die KI gefüttert, damit sie diese Vorschläge erarbeiten kann?

Roth: Unsere Kunden nutzen unsere Software in einem zweistufigen Prozess. Im ersten Moment werden neue und originelle Marketingtexte mittels GPT-3 erstellt. GPT-3 ist ein Sprachproduktionssystem, das von OpenAI entwickelt und herausgebracht wurde. Unglaublich aber wahr: Es basiert mit 175 Millionen Synapsen auf einem gigantischen neuronalen Netzwerk und kann unter minimalen Vorgaben Texte ergänzen und selbst verfassen. Nachdem die Texte dann generiert worden sind, kommt unsere eigene proprietäre Technologie zu tragen. Denn im zweiten Schritt können diese neu generierten Texte von der Software auf ihre Wahrnehmung im Markt getestet und bewertet werden. Wir zeigen unseren Kunden, welche Gefühle und Assoziationen durch die Texte ausgelöst werden. In der Konsequenz kann der User entscheiden, welche Markenwerte – zum Beispiel Nachhaltigkeit – der Text beim Leser auslösen soll und die Software gibt eine entsprechende Empfehlung ab. Dadurch kann der Text ausgewählt werden, der auf der einen Seite die besten Erfolgschancen hat und auf der anderen Seite gleichzeitig am besten zur Marketingbotschaft der Marke passt.

Bislang haben – beispielsweise bei Betreffzeilen – die Unternehmen mit A/B-Tests gearbeitet. Werden die jetzt überflüssig?

Roth: Wir können voller Stolz sagen, dass wir den Unternehmen hier einiges an Arbeit abnehmen können. Dadurch, dass unsere Software in der Lage ist, vorauszusagen wie erfolgreich die kreierten Vorschläge in der gewünschten Zielgruppe sein werden, kann einiges an Zeit für A/B-Tests eingespart werden. Diese brauchen jetzt nur noch zur anschließenden Verifikation und Kontrolle der Ergebnisse eingesetzt werden oder um herauszufinden, welche von zwei sehr performanten Varianten nochmal ein bisschen erfolgreicher ist. Wir empfehlen deshalb, A/B Tests weiterhin durchzuführen, aber sagen ganz klar, dass mit unserer Software von Beginn an bessere Varianten gefunden werden.

Ginge es eigentlich auch ohne da Sprachsystem GPT-3?

Roth: Wir haben seit Dezember 2020 Zugang zu GPT-3 und integrieren das Sprachproduktionssystem seit Januar 2021 in unserer eigenen Software. Es ist das mit Abstand effizienteste und performanteste Sprachproduktionssystem, das derzeit auf dem Markt existiert, da es akkurat und effektiv menschliche Denk- und Argumentationsmuster reproduzieren kann. Insofern würde es in der Theorie zwar auch andere Sprachproduktionssysteme geben. Aber darunter würde die Qualität der Texte stark leiden. Aber unsere Software würde natürlich weiterhin funktionieren, da unsere Vorhersagetechnologie nicht an GPT-3 gekoppelt ist.

Ihr habt mit Swisscom den ersten Use Case vorgelegt. Wo konnte das Unternehmen mit Eurer Software signifikante Verbesserungen erreichen?

Roth: Swisscom hat auf seiner Webseite ein Suchfeld integriert, mit dem Nutzer anhand von Stichwörtern nach spezifischen Inhalten auf der Webseite suchen können. In diesem Suchfeld erschien ursprünglich der Text “Wie können wir Ihnen helfen?”. Das Unternehmen wollte gerne erreichen, dass mehr Nutzer eine Suchanfrage starten. Um dieses Ziel zu erreichen, kooperierten sie schließlich mit uns. Unsere Software generierte und bewertete daraufhin diverse Textvorschläge, die in diesem Suchfeld angezeigt werden können, um dessen Nutzungsrate zu steigern. Dabei wurden die Vorschläge auf ihre generellen Assoziationen sowie auf die Stärke der Assoziation zu den Begriffen “suchen” und “finden” getestet. Die fünf Textvorschläge mit dem höchsten Score wurden daraufhin automatisiert auf der Webseite mit Adobe Auto-Target getestet und die Ergebnisse daraufhin ausgewertet. Schlussendlich wurde der erfolgreichste Text “Was suchen Sie?” endgültig auf der Webseite implementiert.

Und siehe da – das Suchfeld wurde mit Einführung des neuen Textes fast 25 Prozent häufiger genutzt als zuvor!

Ihr fokussiert Euch mit neuroflash fokussiert auf B2C. Ist das KI-Tool auch für B2B anwendbar?

Roth: Absolut. Das Tool ist in der Lage, seine Tonalität und Sprache den Wünschen des Users anzupassen und entsprechend Texte zu generieren, die diese entsprechend widerspiegeln. Insofern hat der User die volle Kontrolle und kann die Software anweisen, relevante Texte für jede beliebige Zielgruppe zu kreieren – in diesem Fall auch für Unternehmen eines bestimmten Sektors. Nichtsdestotrotz basiert unsere Validierungstechnologie auf Konsumentendaten, weshalb wir für B2B-Zielgruppen im Nischenbereich derzeit keine akkurate Bewertung liefern können. Aus diesem Grund fokussieren wir uns insbesondere auf konsumentenorientierter Kommunikation.

Auf welche anderen Bereiche ließe sich die Idee der Textoptimierung im Marketing theoretisch noch übertragen? Könnten damit auch ganze Storylines entwickelt werden?

Roth: Künstliche Intelligenz ist mittlerweile in der Lage, absolut jede denkbare Textsorte eigenständig zu verfassen. Liam Porr beispielsweise hat einmal den Test gestartet, einen ganzen Blogartikel von einer KI verfassen zu lassen. Der Artikel landete auf Platz 1 der Hacker News und die meisten Leser haben nicht einmal wahrgenommen, dass kein menschlicher Copywriter hinter dem Blogartikel steht. Insofern ist auch die Kreation von ganzen Storylines keine Zukunftsmusik mehr. Wir wollen uns allerdings auf kurzformatige Texte fokussieren, da hier jedes Wort zählt, um die richtige Botschaft zu vermitteln. Das ist ja genau unsere Stärke, die Wirkung von Wörter hervorzusagen.

Du zählst zu den umtriebigsten Gründern im Land. Was fasziniert Dich an neuroflash im Vergleich zu anderen Start-ups?

Roth: Mich fasziniert die unglaubliche Innovationskraft, die hinter diesem jungen Unternehmen steckt. Wir befinden uns gerade am Beginn einer neuen Zeitrechnung des Marketings, die den Sektor vollständig auf den Kopf stellen wird. Und neuroflash ist einer der Pioniere dieses Wandels. Das ist ein großartiges Gefühl. Zudem bin von unserem Team sehr überzeugt und glaube, dass wir mit unserer Software vielen Menschen helfen können.

Wie wird sich Deiner Meinung nach KI im Marketing in den nächsten Jahren entwickeln?

Roth: Die Copywriter der Zukunft können sich freuen, denn die Maschinen werden ihnen repetitive und monotone Aufgaben weitestgehend abnehmen können. Dadurch werden sich für das Berufsbild völlig neue Kapazitäten eröffnen, erfüllenderen und kreativeren Tätigkeiten in ihrem Feld nachzugehen. In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Unternehmen, die KI einsetzen, um 270 Prozent gestiegen. Während im Jahr 2015 nur zehn Prozent der Unternehmen KI-Technologie eingesetzt haben, stieg die Zahl 2019 bereits auf 37 Prozent. Wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird und KI schließlich zu einem festen Bestandteil der Marketingwelt werden wird. 

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