„Clevere Personalisierung fällt den Nutzern nicht auf“

Über personalisierte Websites, Content-Angebote oder Gutscheine lassen sich Online-Kunden recht erfolgreich ansprechen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein Gespräch mit Felix Schirl, CEO der trbo GmbH, über die Frage, wo die Chancen von Personalisierung liegen, warum Testing so entscheidend ist und wie aufwendig es ist, KI-basierte Konzepte zu integrieren.

Wenn wir über Personalisierung von Websites sprechen, meinen wir in der Regel: Wir kommen auf eine Seite, deren Inhalte und Angebote genau auf den einzelnen User zugeschnitten ist. Ist diese Definition so überhaupt richtig?

Felix Schirl: Das kommt ein wenig darauf an, wie eng man Personalisierung definieren möchte. Denn hier gibt es durchaus Abstufungen. Bei der One-to-Many Strategie spricht man Nutzer bereits personalisiert an, aber eben in Gruppen oder so genannten dynamischen Segmenten. So werden die Angebote und Inhalte schon persönlicher, aber eben nicht komplett individuell. Das wiederum leistet eine 1:1 Personalisierung, in der wirklich jeder Nutzer individuelle Inhalte und Angebote zu sehen bekommt.

Ist so eine hoch individualisierte Website überhaupt sinnvoll?

Schirl: Individualisierung und Personalisierung sind auf jeden Fall sinnvoll –  wäre auch schlecht, wenn ich hier eine andere Antwort geben würde. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es aber nicht unbedingt die allumfassende Personalisierung bis in jeden kleinsten Bereich der Website braucht. Das ist natürlich für die User schön, aber auch nicht ganz einfach umzusetzen. Was ich aber sagen kann: Die Ansprache mit der Gießkanne hat ausgedient. Die Kunden kennen es ja auch nicht anders. Netflix, Spotify und der stationäre Handel: Überall werden sie umsorgt und persönlich “beraten”. Deshalb bringen schon einzelne Personalisierungsmaßnahmen wirklich deutliche Uplifts – zum Beispiel die Anpassung der Startseite nach Interessen der User.

Wie weit sind wir von solchen individualisierten Web-Seiten entfernt?

Schirl: Von einer 360-Grad 1:1 Personalisierung sind wir noch einige Schritte entfernt. Aber immer mehr Website-Betreiber erkennen die Notwendigkeit der kundenzentrierten Ansprache, mehr auf ihre Nutzer einzugehen und sie wirklich zu umsorgen.

Der Alltag auf Online-Shops zeigt eher in eine andere Richtung: Von Personalisierung kaum eine Spur…

Schirl: Ja, in Deutschland gibt es schon noch Luft nach oben, da ist man in den USA schon weiter. Aber die Shops haben meines Erachtens große Sprünge gemacht und personalisieren zumindest in Teilen bereits, Tendenz steigend. Dazu kommt: Wenn Personalisierung clever eingesetzt wird, wird sie oftmals den Nutzern gar nicht explizit auffallen. Es geht ja darum, das Einkaufserlebnis so angenehm und unkompliziert wie möglich zu gestalten.

Für diese angenehme User Experience spielt Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle. In welchen Bereichen kommt KI hier bereits zum Einsatz?

Schirl: KI spielt in der Personalisierung eine immens wichtige Rolle. Ohne KI und Automatisierung ist eine 1:1-Personalisierung gar nicht zu erreichen, da die zu verarbeitenden Datenpunkte und Maßnahmen das menschlich machbare übersteigen. Ein smarter Algorithmus lernt vom Surf- und Einkaufsverhalten der User direkt auf der Website. Das System erkennt daraus Muster und bildet  darauf basierend die verschiedenen Arten von Nutzergruppen. Je mehr Nutzer es gibt, desto mehr Gruppen wird es geben. Kommt ein unbekannter Nutzer auf die Website und bewegt sich dort, fällt er zunächst in eine entsprechende Gruppe. Mit jedem weiteren Klick kann er dann dynamisch in die nächste, granularere Gruppe fallen, bis die Personalisierung ganz eng zugeschnitten werden kann. Das geht vom Content-Austausch über personalisierte Angebote und Gutscheine bis hin zu personalisierten Produktempfehlungen und individueller Reaktivierung der Nutzer.

In welchen Bereichen steht ein Einsatz von Künstlicher Intelligenz erst am Anfang?

Schirl: Viele Unternehmen denken, bereits eine KI/AI im Einsatz zu haben. Bei genauerem Hinsehen stellen sich diese aber oftmals als rudimentäre wenn<>dann Unterscheidungen heraus. Die einzelnen Bereiche, wo KI/AI erst am Anfang steht, aufzuzählen, ist daher leider nicht ganz trivial. In nahezu allen Bereichen besteht noch Nachholbedarf und viel Potenzial.

trbo setzt auch beim A/B-Testing KI ein. Wie sieht das konkret aus?

Schirl: Wir setzen KI ein, um über starres A/B-Testing hinauszugehen. Das System erkennt anhand von dynamischen Mustern die passende Variante eines Tests und spielt diese für den richtigen Nutzer im richtigen Moment aus. Das bedeutet auch, dass die Nutzer in einer oder in mehreren Sessions verschiedene Varianten des gleichen Tests sehen können, da die gewählte Variante in diesem exakten Moment besser passend ist.

Wie komplex ist es für einen Online-Shop, KI-basierte Personalisierungskonzepte zu integrieren? Welcher Aufwand kommt da auf ihn zu?

Schirl: Der Aufwand ist überhaupt nicht so groß, wie viele meinen. trbo wird beispielsweise über ein Pixel oder die gängigen Tag Manager integriert und man kann direkt mit vorgefertigten Templates im Look & Feel des Shops arbeiten. Natürlich braucht es in E-Commerce Shops noch einen Produktfeed, und wer weitere Daten zur Personalisierung einspeisen will, kann dies aus dem CRM, CDPs und anderen externen Systemen über Schnittstellen anbinden.

Was es aber schon braucht, ist eine Strategie: Was soll mit der KI-basierten Personalisierung erreicht werden? Und: Die KI ist auch kein Selbstläufer. Es sollte schon Zeit investiert werden, die Datenbasis und auch die Maßnahmen zu verbessern. Hier spielt auch das Thema Testing eine ganz entscheidende Rolle, denn nicht alles funktioniert in jedem Shop gleich gut.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Felix Schirl ist Gründer und CEO der trbo GmbH. Das Münchner Unternehmen hat sich auf KI-gestützte, dynamische Onsite-Personalisierung, Optimierung und Testing spezialisiert und betreut zahlreiche Unternehmen aus dem B2C- und B2B-Bereich, darunter namhafte Händler, Hersteller und Publisher wie Ströer, Telefónica, mydays, Triumph und XXXLutz.

Weitere Interviews:
Bernd Korz: „Standardstimmen sind keine Herausforderung mehr“
Jennifer Dorman: Warum Machine Learning verzerrte Rollenbilder begünstigt
Theo Steininger: „Erstmal Überblick über die Daten verschaffen“