Zeynep Ozdemir: „KI-Agenten bringen die Arbeit aktiv voran“

Interview

8 Minuten

16.09.2024

KI-Agenten werden bald wie selbstverständlich in menschlichen Teams mitarbeiten. Denn schon heute zeigt sich, dass sie komplexe Aufgaben übernehmen und Unternehmen damit eine Menge Zeit sparen können. Ein Gespräch mit Zeynep Ozdemir, CMO bei Atlassian, über die Kooperation mit KI-Assistenten, Innovationen wie asynchrone Videos und den hohen Stellenwert von Experimenten.

Frau Ozdemir, Generative KI stellt die Arbeitswelt gerade auf den Kopf. Überall kommen KI-gestützte Assistenten auf den Markt, Stichwort Copilot von Microsoft. Wie schätzen Sie diesen Wandel ein?

Zeynep Ozdemir: Keine Frage - die breite Einführung von KI hat einen weitreichenden Technologie-Wandel eingeleitet. Wir befinden uns inmitten der größten Transformation seit der Einführung des Internets. Bei Atlassian betrachten wir diese Transformation durch die Teamwork-Brille. Die Frage, die wir uns stellen, lautet also: Wie können wir KI ins Team integrieren? KI wird definitiv die individuelle Produktivität steigern. Wir sind aber auch der Meinung, dass KI-Agenten eine Schlüsselrolle dabei spielen werden, wie Teams zukünftig funktionieren. Dabei verstehen wir unter KI-Agenten etwas, das deutlich über bekannte Chatbots hinausgeht. KI-Agenten werden in der Lage sein, große Mengen von Unternehmensdaten zu verarbeiten, komplexe Aufgaben zu strukturieren und mit ihren menschlichen Teamkollegen zusammenzuarbeiten, um komplexe Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet, dass sie nicht nur zur Informationsbeschaffung da sind, sondern dazu beitragen, die Arbeit aktiv voranzubringen und gemeinsam mit ihren menschlichen Kollegen Workflows zu beschleunigen.

Auch Atlassian hat kürzlich neue KI-Funktionen in seinen Produkten eingeführt. Setzen die User inzwischen eigentlich voraus, dass ihnen KI-basierte Funktionen bei der Arbeit helfen?

Ozdemir: Kurz nach meinem Start bei Atlassian hatte ich die Gelegenheit, unsere erste Welle an KI-Funktionen einzuführen. Atlassian Intelligence hat generative KI-Funktionen nativ in unsere Produkte gebracht. Unsere Kunden, die diese Funktionen regelmäßig nutzen, berichten uns, dass sie damit durchschnittlich über 45 Minuten pro Woche einsparen. Wir arbeiten seither kontinuierlich daran, das Nutzererlebnis zu verbessern, indem wir diese Funktionen leichter auffindbar machen und userfreundlicher gestalten.

Auf unserer jährlichen Konferenz Team '24 Anfang Mai haben wir mit Rovo ein neues KI-Produkt vorgestellt, das zeigt, wie KI Organisationen transformieren kann, indem es die KI-gestützte Suche nach Unternehmenswissen, generative KI sowie KI-Agenten zusammenbringt. Unsere Vision für Rovo ist ein KI-Teamkollege, der alle Unternehmensdaten aus unterschiedlichen Quellen – nicht nur aus Atlassian-Produkten – erfasst und Teams dabei hilft, die richtigen Informationen zu finden, in den richtigen Kontext zu setzen sowie durch eine Reihe speziell entwickelter KI-Agenten entsprechende Schritte auszuführen. Wie ein neues Teammitglied, muss KI zunächst erst einmal Vertrauen aufbauen und dabei helfen, Ergebnisse schneller zu erzielen. Ich bin gespannt, zu sehen, wie das dem Rovo KI-Agenten im Laufe der Zeit gelingen wird. Diese KI-Helfer können Teams bei einer Vielzahl von Aufgaben unterstützen – angefangen bei der Erstellung, Überprüfung und Verfeinerung von Inhalten bis hin zur Vereinfachung von komplexen und zeitaufwändigen Aufgaben wie der Bereinigung von Backlogs oder Formatierung von Specs zur Weiterverarbeitung zu vereinfachen.

KI zeigt verschiedene Alternativen auf

Sie sind seit einem Jahr CMO von Atlassian. Was war in dieser Zeit besonders herausfordernd?

Ozdemir: Unser Unternehmen ist vor allem für seine Produkte wie Jira und Confluence bekannt. Diese Produktmarken sind oft bekannter als die Dachmarke Atlassian selbst. Da wir aber unser Portfolio ständig durch neue Produkte erweitern, ist es wichtig, unsere Dachmarke besser zu etablieren – sowohl bei unseren Nutzern als auch bei den Entscheidern in der Tech-Welt. Das ist eine Herausforderung und zugleich eine Chance. Darum haben wir im letzten Jahr unsere neue Markenplattform “Impossible Alone” gestartet mit dem Ziel, die Stärke der Zusammenarbeit im Team hervorzuheben: wie Teams gemeinsam außerordentliche Ergebnisse erzielen können, die für eine einzelne Person nicht möglich wären. Indem wir Teams und ihre Erfolge feiern, konnten wir auch zeigen, welche Rolle Atlassian für die moderne Teamzusammenarbeit spielt.

Wie sehen Sie ganz generell die Rolle von KI im Marketing?

Ozdemir: Ich weiß, dass in vielen kreativen Berufen die Angst besteht, dass KI unsere Jobs übernehmen wird. Ich habe da eine andere Perspektive: Ich glaube, dass KI uns Marketers alle besser aussehen lassen wird, denn sie bietet uns eine bessere Ausgangslage für kreative Prozesse. KI zeigt uns viel schneller mehrere mögliche Wege und Optionen auf. Das ermöglicht es uns wiederum, eine größere Auswahl von Alternativen zu bedenken und in Erwägung zu ziehen. Dadurch müssen wir nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern können uns auf das Wesentliche konzentrieren und bessere Ergebnisse erzielen. Das hilft uns allen, unser Bestes zu geben.  

Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie in diesem Bereich? Derzeit wird viel über Text-to-Video-Tools gesprochen.

Ozdemir: Text, Bilder und Videos sind alles Formen des Storytellings, und ja, sie werden durch KI verändert werden. Doch wir haben kürzlich einen etwas anderen Schwerpunkt gesetzt: Durch die Übernahme von Loom haben wir gezeigt, dass wir asynchronen Videos eine hohe Bedeutung einräumen. Loom ermöglicht es Menschen, Videos in einem Arbeitskontext aufzunehmen und zu teilen. Dadurch können sie Themen präsentieren oder sich einfach zu einer für sie passenden Zeit mit ihren Kollegen austauschen. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich das Video später ansehen, können dann ebenfalls zur für sie passenden Zeit antworten. So lassen sich unnötige Besprechungen zu vermeiden und ein Austausch per Video dennoch in den Arbeitsalltag integrieren. Bemerkenswert ist dabei, dass die KI von Loom den Prozess deutlich vereinfacht: Sie erstellt automatisch einen Titel für ein Video, ebenso wie eine Zusammenfassung und Timestamps, damit Zuschauer das Video leichter ansehen und nachbereiten können. Die KI ermöglicht es zudem, Edits direkt über das Transkript vorzunehmen – meiner Meinung nach, eine geniale Funktion, die verhindert, dass Nutzer das gleiche Video mehrmals aufnehmen müssen. Loom ist ein gutes Beispiel dafür, wie KI Menschen unterstützt, indem sie Dinge wie die Videobearbeitung für alle zugänglicher macht.

"KI ist nicht über Nacht entstanden"

Sie haben in Machine Learning promoviert. Haben Sie den Eindruck, dass über KI und ML in den Chefetagen mit der nötigen Fachkenntnis diskutiert wird? Oder müssen Sie da manchmal Nachhilfe leisten?

Ozdemir: KI ist nicht über Nacht entstanden, sondern ist in den letzten Jahren Schritt für Schritt in unseren Alltag gerückt. Auch bei Atlassian haben wir seit Jahren Erfahrung in Machine Learning. Um mit der rasanten KI-Entwicklung Schritt zu halten, müssen wir uns aber bei jedem neuen Schritt einer Realitätsprüfung unterziehen. Der Schlüssel zum Erfolg heißt für uns also ständiges Experimentieren. Wir haben massiv in die Integration von KI in unsere Arbeitsabläufe investiert – sowohl über unsere eigene Plattform als auch durch die Nutzung von KI-Tools von Drittanbietern. 

Und ja, über KI wird auf allen Ebenen gesprochen, einschließlich der Vorstände - entscheidend ist jedoch: Können wir die richtigen Probleme für uns und unsere Kunden lösen und in dem ganzen Hintergrundrauschen das richtige Signal herausfiltern? Genau diese Fragen treiben uns an.

Nutzen Sie selbst in ihrer täglichen Arbeit KI-Tools?

Ozdemir: Zwei Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung: Als wir unser erstes Marketing-Offsite geplant haben, gab es viele Seiten in unserer internen Confluence-Instanz – Confluence ist unser Wissensmanagement- und Kollaborationstool – rund um die Planung der Veranstaltung. Und – wie es bei einem lebhaften und kreativen Marketingteam erwartbar ist – gab es sehr viel Interaktion in den Kommentarbereichen. Atlassian Intelligence verfügt über eine praktische kleine Schaltfläche, mit der sich nicht nur ganze Confluence-Seiten, sondern auch die Kommentare zusammenfassen lassen. Mit solchen Kurzfassungen konnte ich schnell die Stimmung erfassen und prüfen, ob wir auf dem richtigen Weg waren oder den Kurs ändern sollten.

Eine weitere Anwendung, die ich trotz meines KI-Backgrounds faszinierend fand: Bei der Erarbeitung der Keynotes für unsere Konferenz, Team '24, begannen wir zunächst mit einem Brainstorming auf einem Whiteboard in Confluence. Die KI half dann, Inhalte von anderen Seiten einzubeziehen und ähnliche Ideen zusammenzufassen. Sobald wir damit zufrieden waren, nutzten wir dann wiederum die KI, um eine Text-Seite aus dem Whiteboard zu erstellen –  ein riesiger Schritt auf dem Weg zum finalen Talk Track. 

Was sind für Sie bei Atlassian in diesem Jahr die wichtigsten To-Dos?

Ozdemir: KI wird weiterhin das Thema bleiben, über das alle sprechen – in unserer Branche und darüber hinaus. Wir haben gesehen, was generative KI bereits heute leisten kann, wenn sie als Werkzeug für individuelle Produktivität eingesetzt wird. Diese Entwicklung wird sich nur noch beschleunigen. Aber aus meiner Sicht sollten wir darüber nachdenken, wie KI ein Teil eines Teams wird. Ich denke, dass es die Aufgabe von Atlassian ist, das zu definieren und zu gestalten.

Interview: Helmut van Rinsum

Zeynep Ozdemir ist seit 2023 für das globale Marketing bei Atlassian verantwortlich. Vor ihrer Tätigkeit war sie CMO von Palo Alto Networks, wo sie die Expansion des Unternehmens in mehrere Cybersecurity-Kategorien leitete und die XDR-Kategorie innerhalb der Cybersecurity etablierte. Zeynep Ozdemir hat einen Doktortitel in Speech Processing von der Cambridge University und einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik von der Harvard University. Außerdem wurde sie vom WomenTech Network als eine der "Top 100 Women in Tech Leaders to Watch" im Jahr 2023 nominiert.

 

Zeynep Ozdemir: „KI-Agenten bringen die Arbeit aktiv voran“

Interview

8 Minuten

16.09.2024

KI-Agenten werden bald wie selbstverständlich in menschlichen Teams mitarbeiten. Denn schon heute zeigt sich, dass sie komplexe Aufgaben übernehmen und Unternehmen damit eine Menge Zeit sparen können. Ein Gespräch mit Zeynep Ozdemir, CMO bei Atlassian, über die Kooperation mit KI-Assistenten, Innovationen wie asynchrone Videos und den hohen Stellenwert von Experimenten.

Frau Ozdemir, Generative KI stellt die Arbeitswelt gerade auf den Kopf. Überall kommen KI-gestützte Assistenten auf den Markt, Stichwort Copilot von Microsoft. Wie schätzen Sie diesen Wandel ein?

Zeynep Ozdemir: Keine Frage - die breite Einführung von KI hat einen weitreichenden Technologie-Wandel eingeleitet. Wir befinden uns inmitten der größten Transformation seit der Einführung des Internets. Bei Atlassian betrachten wir diese Transformation durch die Teamwork-Brille. Die Frage, die wir uns stellen, lautet also: Wie können wir KI ins Team integrieren? KI wird definitiv die individuelle Produktivität steigern. Wir sind aber auch der Meinung, dass KI-Agenten eine Schlüsselrolle dabei spielen werden, wie Teams zukünftig funktionieren. Dabei verstehen wir unter KI-Agenten etwas, das deutlich über bekannte Chatbots hinausgeht. KI-Agenten werden in der Lage sein, große Mengen von Unternehmensdaten zu verarbeiten, komplexe Aufgaben zu strukturieren und mit ihren menschlichen Teamkollegen zusammenzuarbeiten, um komplexe Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet, dass sie nicht nur zur Informationsbeschaffung da sind, sondern dazu beitragen, die Arbeit aktiv voranzubringen und gemeinsam mit ihren menschlichen Kollegen Workflows zu beschleunigen.

Auch Atlassian hat kürzlich neue KI-Funktionen in seinen Produkten eingeführt. Setzen die User inzwischen eigentlich voraus, dass ihnen KI-basierte Funktionen bei der Arbeit helfen?

Ozdemir: Kurz nach meinem Start bei Atlassian hatte ich die Gelegenheit, unsere erste Welle an KI-Funktionen einzuführen. Atlassian Intelligence hat generative KI-Funktionen nativ in unsere Produkte gebracht. Unsere Kunden, die diese Funktionen regelmäßig nutzen, berichten uns, dass sie damit durchschnittlich über 45 Minuten pro Woche einsparen. Wir arbeiten seither kontinuierlich daran, das Nutzererlebnis zu verbessern, indem wir diese Funktionen leichter auffindbar machen und userfreundlicher gestalten.

Auf unserer jährlichen Konferenz Team '24 Anfang Mai haben wir mit Rovo ein neues KI-Produkt vorgestellt, das zeigt, wie KI Organisationen transformieren kann, indem es die KI-gestützte Suche nach Unternehmenswissen, generative KI sowie KI-Agenten zusammenbringt. Unsere Vision für Rovo ist ein KI-Teamkollege, der alle Unternehmensdaten aus unterschiedlichen Quellen – nicht nur aus Atlassian-Produkten – erfasst und Teams dabei hilft, die richtigen Informationen zu finden, in den richtigen Kontext zu setzen sowie durch eine Reihe speziell entwickelter KI-Agenten entsprechende Schritte auszuführen. Wie ein neues Teammitglied, muss KI zunächst erst einmal Vertrauen aufbauen und dabei helfen, Ergebnisse schneller zu erzielen. Ich bin gespannt, zu sehen, wie das dem Rovo KI-Agenten im Laufe der Zeit gelingen wird. Diese KI-Helfer können Teams bei einer Vielzahl von Aufgaben unterstützen – angefangen bei der Erstellung, Überprüfung und Verfeinerung von Inhalten bis hin zur Vereinfachung von komplexen und zeitaufwändigen Aufgaben wie der Bereinigung von Backlogs oder Formatierung von Specs zur Weiterverarbeitung zu vereinfachen.

KI zeigt verschiedene Alternativen auf

Sie sind seit einem Jahr CMO von Atlassian. Was war in dieser Zeit besonders herausfordernd?

Ozdemir: Unser Unternehmen ist vor allem für seine Produkte wie Jira und Confluence bekannt. Diese Produktmarken sind oft bekannter als die Dachmarke Atlassian selbst. Da wir aber unser Portfolio ständig durch neue Produkte erweitern, ist es wichtig, unsere Dachmarke besser zu etablieren – sowohl bei unseren Nutzern als auch bei den Entscheidern in der Tech-Welt. Das ist eine Herausforderung und zugleich eine Chance. Darum haben wir im letzten Jahr unsere neue Markenplattform “Impossible Alone” gestartet mit dem Ziel, die Stärke der Zusammenarbeit im Team hervorzuheben: wie Teams gemeinsam außerordentliche Ergebnisse erzielen können, die für eine einzelne Person nicht möglich wären. Indem wir Teams und ihre Erfolge feiern, konnten wir auch zeigen, welche Rolle Atlassian für die moderne Teamzusammenarbeit spielt.

Wie sehen Sie ganz generell die Rolle von KI im Marketing?

Ozdemir: Ich weiß, dass in vielen kreativen Berufen die Angst besteht, dass KI unsere Jobs übernehmen wird. Ich habe da eine andere Perspektive: Ich glaube, dass KI uns Marketers alle besser aussehen lassen wird, denn sie bietet uns eine bessere Ausgangslage für kreative Prozesse. KI zeigt uns viel schneller mehrere mögliche Wege und Optionen auf. Das ermöglicht es uns wiederum, eine größere Auswahl von Alternativen zu bedenken und in Erwägung zu ziehen. Dadurch müssen wir nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern können uns auf das Wesentliche konzentrieren und bessere Ergebnisse erzielen. Das hilft uns allen, unser Bestes zu geben.  

Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie in diesem Bereich? Derzeit wird viel über Text-to-Video-Tools gesprochen.

Ozdemir: Text, Bilder und Videos sind alles Formen des Storytellings, und ja, sie werden durch KI verändert werden. Doch wir haben kürzlich einen etwas anderen Schwerpunkt gesetzt: Durch die Übernahme von Loom haben wir gezeigt, dass wir asynchronen Videos eine hohe Bedeutung einräumen. Loom ermöglicht es Menschen, Videos in einem Arbeitskontext aufzunehmen und zu teilen. Dadurch können sie Themen präsentieren oder sich einfach zu einer für sie passenden Zeit mit ihren Kollegen austauschen. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich das Video später ansehen, können dann ebenfalls zur für sie passenden Zeit antworten. So lassen sich unnötige Besprechungen zu vermeiden und ein Austausch per Video dennoch in den Arbeitsalltag integrieren. Bemerkenswert ist dabei, dass die KI von Loom den Prozess deutlich vereinfacht: Sie erstellt automatisch einen Titel für ein Video, ebenso wie eine Zusammenfassung und Timestamps, damit Zuschauer das Video leichter ansehen und nachbereiten können. Die KI ermöglicht es zudem, Edits direkt über das Transkript vorzunehmen – meiner Meinung nach, eine geniale Funktion, die verhindert, dass Nutzer das gleiche Video mehrmals aufnehmen müssen. Loom ist ein gutes Beispiel dafür, wie KI Menschen unterstützt, indem sie Dinge wie die Videobearbeitung für alle zugänglicher macht.

"KI ist nicht über Nacht entstanden"

Sie haben in Machine Learning promoviert. Haben Sie den Eindruck, dass über KI und ML in den Chefetagen mit der nötigen Fachkenntnis diskutiert wird? Oder müssen Sie da manchmal Nachhilfe leisten?

Ozdemir: KI ist nicht über Nacht entstanden, sondern ist in den letzten Jahren Schritt für Schritt in unseren Alltag gerückt. Auch bei Atlassian haben wir seit Jahren Erfahrung in Machine Learning. Um mit der rasanten KI-Entwicklung Schritt zu halten, müssen wir uns aber bei jedem neuen Schritt einer Realitätsprüfung unterziehen. Der Schlüssel zum Erfolg heißt für uns also ständiges Experimentieren. Wir haben massiv in die Integration von KI in unsere Arbeitsabläufe investiert – sowohl über unsere eigene Plattform als auch durch die Nutzung von KI-Tools von Drittanbietern. 

Und ja, über KI wird auf allen Ebenen gesprochen, einschließlich der Vorstände - entscheidend ist jedoch: Können wir die richtigen Probleme für uns und unsere Kunden lösen und in dem ganzen Hintergrundrauschen das richtige Signal herausfiltern? Genau diese Fragen treiben uns an.

Nutzen Sie selbst in ihrer täglichen Arbeit KI-Tools?

Ozdemir: Zwei Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung: Als wir unser erstes Marketing-Offsite geplant haben, gab es viele Seiten in unserer internen Confluence-Instanz – Confluence ist unser Wissensmanagement- und Kollaborationstool – rund um die Planung der Veranstaltung. Und – wie es bei einem lebhaften und kreativen Marketingteam erwartbar ist – gab es sehr viel Interaktion in den Kommentarbereichen. Atlassian Intelligence verfügt über eine praktische kleine Schaltfläche, mit der sich nicht nur ganze Confluence-Seiten, sondern auch die Kommentare zusammenfassen lassen. Mit solchen Kurzfassungen konnte ich schnell die Stimmung erfassen und prüfen, ob wir auf dem richtigen Weg waren oder den Kurs ändern sollten.

Eine weitere Anwendung, die ich trotz meines KI-Backgrounds faszinierend fand: Bei der Erarbeitung der Keynotes für unsere Konferenz, Team '24, begannen wir zunächst mit einem Brainstorming auf einem Whiteboard in Confluence. Die KI half dann, Inhalte von anderen Seiten einzubeziehen und ähnliche Ideen zusammenzufassen. Sobald wir damit zufrieden waren, nutzten wir dann wiederum die KI, um eine Text-Seite aus dem Whiteboard zu erstellen –  ein riesiger Schritt auf dem Weg zum finalen Talk Track. 

Was sind für Sie bei Atlassian in diesem Jahr die wichtigsten To-Dos?

Ozdemir: KI wird weiterhin das Thema bleiben, über das alle sprechen – in unserer Branche und darüber hinaus. Wir haben gesehen, was generative KI bereits heute leisten kann, wenn sie als Werkzeug für individuelle Produktivität eingesetzt wird. Diese Entwicklung wird sich nur noch beschleunigen. Aber aus meiner Sicht sollten wir darüber nachdenken, wie KI ein Teil eines Teams wird. Ich denke, dass es die Aufgabe von Atlassian ist, das zu definieren und zu gestalten.

Interview: Helmut van Rinsum

Zeynep Ozdemir ist seit 2023 für das globale Marketing bei Atlassian verantwortlich. Vor ihrer Tätigkeit war sie CMO von Palo Alto Networks, wo sie die Expansion des Unternehmens in mehrere Cybersecurity-Kategorien leitete und die XDR-Kategorie innerhalb der Cybersecurity etablierte. Zeynep Ozdemir hat einen Doktortitel in Speech Processing von der Cambridge University und einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik von der Harvard University. Außerdem wurde sie vom WomenTech Network als eine der "Top 100 Women in Tech Leaders to Watch" im Jahr 2023 nominiert.

 

Zeynep Ozdemir: „KI-Agenten bringen die Arbeit aktiv voran“

Interview

8 Minuten

16.09.2024

KI-Agenten werden bald wie selbstverständlich in menschlichen Teams mitarbeiten. Denn schon heute zeigt sich, dass sie komplexe Aufgaben übernehmen und Unternehmen damit eine Menge Zeit sparen können. Ein Gespräch mit Zeynep Ozdemir, CMO bei Atlassian, über die Kooperation mit KI-Assistenten, Innovationen wie asynchrone Videos und den hohen Stellenwert von Experimenten.

Frau Ozdemir, Generative KI stellt die Arbeitswelt gerade auf den Kopf. Überall kommen KI-gestützte Assistenten auf den Markt, Stichwort Copilot von Microsoft. Wie schätzen Sie diesen Wandel ein?

Zeynep Ozdemir: Keine Frage - die breite Einführung von KI hat einen weitreichenden Technologie-Wandel eingeleitet. Wir befinden uns inmitten der größten Transformation seit der Einführung des Internets. Bei Atlassian betrachten wir diese Transformation durch die Teamwork-Brille. Die Frage, die wir uns stellen, lautet also: Wie können wir KI ins Team integrieren? KI wird definitiv die individuelle Produktivität steigern. Wir sind aber auch der Meinung, dass KI-Agenten eine Schlüsselrolle dabei spielen werden, wie Teams zukünftig funktionieren. Dabei verstehen wir unter KI-Agenten etwas, das deutlich über bekannte Chatbots hinausgeht. KI-Agenten werden in der Lage sein, große Mengen von Unternehmensdaten zu verarbeiten, komplexe Aufgaben zu strukturieren und mit ihren menschlichen Teamkollegen zusammenzuarbeiten, um komplexe Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet, dass sie nicht nur zur Informationsbeschaffung da sind, sondern dazu beitragen, die Arbeit aktiv voranzubringen und gemeinsam mit ihren menschlichen Kollegen Workflows zu beschleunigen.

Auch Atlassian hat kürzlich neue KI-Funktionen in seinen Produkten eingeführt. Setzen die User inzwischen eigentlich voraus, dass ihnen KI-basierte Funktionen bei der Arbeit helfen?

Ozdemir: Kurz nach meinem Start bei Atlassian hatte ich die Gelegenheit, unsere erste Welle an KI-Funktionen einzuführen. Atlassian Intelligence hat generative KI-Funktionen nativ in unsere Produkte gebracht. Unsere Kunden, die diese Funktionen regelmäßig nutzen, berichten uns, dass sie damit durchschnittlich über 45 Minuten pro Woche einsparen. Wir arbeiten seither kontinuierlich daran, das Nutzererlebnis zu verbessern, indem wir diese Funktionen leichter auffindbar machen und userfreundlicher gestalten.

Auf unserer jährlichen Konferenz Team '24 Anfang Mai haben wir mit Rovo ein neues KI-Produkt vorgestellt, das zeigt, wie KI Organisationen transformieren kann, indem es die KI-gestützte Suche nach Unternehmenswissen, generative KI sowie KI-Agenten zusammenbringt. Unsere Vision für Rovo ist ein KI-Teamkollege, der alle Unternehmensdaten aus unterschiedlichen Quellen – nicht nur aus Atlassian-Produkten – erfasst und Teams dabei hilft, die richtigen Informationen zu finden, in den richtigen Kontext zu setzen sowie durch eine Reihe speziell entwickelter KI-Agenten entsprechende Schritte auszuführen. Wie ein neues Teammitglied, muss KI zunächst erst einmal Vertrauen aufbauen und dabei helfen, Ergebnisse schneller zu erzielen. Ich bin gespannt, zu sehen, wie das dem Rovo KI-Agenten im Laufe der Zeit gelingen wird. Diese KI-Helfer können Teams bei einer Vielzahl von Aufgaben unterstützen – angefangen bei der Erstellung, Überprüfung und Verfeinerung von Inhalten bis hin zur Vereinfachung von komplexen und zeitaufwändigen Aufgaben wie der Bereinigung von Backlogs oder Formatierung von Specs zur Weiterverarbeitung zu vereinfachen.

KI zeigt verschiedene Alternativen auf

Sie sind seit einem Jahr CMO von Atlassian. Was war in dieser Zeit besonders herausfordernd?

Ozdemir: Unser Unternehmen ist vor allem für seine Produkte wie Jira und Confluence bekannt. Diese Produktmarken sind oft bekannter als die Dachmarke Atlassian selbst. Da wir aber unser Portfolio ständig durch neue Produkte erweitern, ist es wichtig, unsere Dachmarke besser zu etablieren – sowohl bei unseren Nutzern als auch bei den Entscheidern in der Tech-Welt. Das ist eine Herausforderung und zugleich eine Chance. Darum haben wir im letzten Jahr unsere neue Markenplattform “Impossible Alone” gestartet mit dem Ziel, die Stärke der Zusammenarbeit im Team hervorzuheben: wie Teams gemeinsam außerordentliche Ergebnisse erzielen können, die für eine einzelne Person nicht möglich wären. Indem wir Teams und ihre Erfolge feiern, konnten wir auch zeigen, welche Rolle Atlassian für die moderne Teamzusammenarbeit spielt.

Wie sehen Sie ganz generell die Rolle von KI im Marketing?

Ozdemir: Ich weiß, dass in vielen kreativen Berufen die Angst besteht, dass KI unsere Jobs übernehmen wird. Ich habe da eine andere Perspektive: Ich glaube, dass KI uns Marketers alle besser aussehen lassen wird, denn sie bietet uns eine bessere Ausgangslage für kreative Prozesse. KI zeigt uns viel schneller mehrere mögliche Wege und Optionen auf. Das ermöglicht es uns wiederum, eine größere Auswahl von Alternativen zu bedenken und in Erwägung zu ziehen. Dadurch müssen wir nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern können uns auf das Wesentliche konzentrieren und bessere Ergebnisse erzielen. Das hilft uns allen, unser Bestes zu geben.  

Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie in diesem Bereich? Derzeit wird viel über Text-to-Video-Tools gesprochen.

Ozdemir: Text, Bilder und Videos sind alles Formen des Storytellings, und ja, sie werden durch KI verändert werden. Doch wir haben kürzlich einen etwas anderen Schwerpunkt gesetzt: Durch die Übernahme von Loom haben wir gezeigt, dass wir asynchronen Videos eine hohe Bedeutung einräumen. Loom ermöglicht es Menschen, Videos in einem Arbeitskontext aufzunehmen und zu teilen. Dadurch können sie Themen präsentieren oder sich einfach zu einer für sie passenden Zeit mit ihren Kollegen austauschen. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich das Video später ansehen, können dann ebenfalls zur für sie passenden Zeit antworten. So lassen sich unnötige Besprechungen zu vermeiden und ein Austausch per Video dennoch in den Arbeitsalltag integrieren. Bemerkenswert ist dabei, dass die KI von Loom den Prozess deutlich vereinfacht: Sie erstellt automatisch einen Titel für ein Video, ebenso wie eine Zusammenfassung und Timestamps, damit Zuschauer das Video leichter ansehen und nachbereiten können. Die KI ermöglicht es zudem, Edits direkt über das Transkript vorzunehmen – meiner Meinung nach, eine geniale Funktion, die verhindert, dass Nutzer das gleiche Video mehrmals aufnehmen müssen. Loom ist ein gutes Beispiel dafür, wie KI Menschen unterstützt, indem sie Dinge wie die Videobearbeitung für alle zugänglicher macht.

"KI ist nicht über Nacht entstanden"

Sie haben in Machine Learning promoviert. Haben Sie den Eindruck, dass über KI und ML in den Chefetagen mit der nötigen Fachkenntnis diskutiert wird? Oder müssen Sie da manchmal Nachhilfe leisten?

Ozdemir: KI ist nicht über Nacht entstanden, sondern ist in den letzten Jahren Schritt für Schritt in unseren Alltag gerückt. Auch bei Atlassian haben wir seit Jahren Erfahrung in Machine Learning. Um mit der rasanten KI-Entwicklung Schritt zu halten, müssen wir uns aber bei jedem neuen Schritt einer Realitätsprüfung unterziehen. Der Schlüssel zum Erfolg heißt für uns also ständiges Experimentieren. Wir haben massiv in die Integration von KI in unsere Arbeitsabläufe investiert – sowohl über unsere eigene Plattform als auch durch die Nutzung von KI-Tools von Drittanbietern. 

Und ja, über KI wird auf allen Ebenen gesprochen, einschließlich der Vorstände - entscheidend ist jedoch: Können wir die richtigen Probleme für uns und unsere Kunden lösen und in dem ganzen Hintergrundrauschen das richtige Signal herausfiltern? Genau diese Fragen treiben uns an.

Nutzen Sie selbst in ihrer täglichen Arbeit KI-Tools?

Ozdemir: Zwei Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung: Als wir unser erstes Marketing-Offsite geplant haben, gab es viele Seiten in unserer internen Confluence-Instanz – Confluence ist unser Wissensmanagement- und Kollaborationstool – rund um die Planung der Veranstaltung. Und – wie es bei einem lebhaften und kreativen Marketingteam erwartbar ist – gab es sehr viel Interaktion in den Kommentarbereichen. Atlassian Intelligence verfügt über eine praktische kleine Schaltfläche, mit der sich nicht nur ganze Confluence-Seiten, sondern auch die Kommentare zusammenfassen lassen. Mit solchen Kurzfassungen konnte ich schnell die Stimmung erfassen und prüfen, ob wir auf dem richtigen Weg waren oder den Kurs ändern sollten.

Eine weitere Anwendung, die ich trotz meines KI-Backgrounds faszinierend fand: Bei der Erarbeitung der Keynotes für unsere Konferenz, Team '24, begannen wir zunächst mit einem Brainstorming auf einem Whiteboard in Confluence. Die KI half dann, Inhalte von anderen Seiten einzubeziehen und ähnliche Ideen zusammenzufassen. Sobald wir damit zufrieden waren, nutzten wir dann wiederum die KI, um eine Text-Seite aus dem Whiteboard zu erstellen –  ein riesiger Schritt auf dem Weg zum finalen Talk Track. 

Was sind für Sie bei Atlassian in diesem Jahr die wichtigsten To-Dos?

Ozdemir: KI wird weiterhin das Thema bleiben, über das alle sprechen – in unserer Branche und darüber hinaus. Wir haben gesehen, was generative KI bereits heute leisten kann, wenn sie als Werkzeug für individuelle Produktivität eingesetzt wird. Diese Entwicklung wird sich nur noch beschleunigen. Aber aus meiner Sicht sollten wir darüber nachdenken, wie KI ein Teil eines Teams wird. Ich denke, dass es die Aufgabe von Atlassian ist, das zu definieren und zu gestalten.

Interview: Helmut van Rinsum

Zeynep Ozdemir ist seit 2023 für das globale Marketing bei Atlassian verantwortlich. Vor ihrer Tätigkeit war sie CMO von Palo Alto Networks, wo sie die Expansion des Unternehmens in mehrere Cybersecurity-Kategorien leitete und die XDR-Kategorie innerhalb der Cybersecurity etablierte. Zeynep Ozdemir hat einen Doktortitel in Speech Processing von der Cambridge University und einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik von der Harvard University. Außerdem wurde sie vom WomenTech Network als eine der "Top 100 Women in Tech Leaders to Watch" im Jahr 2023 nominiert.

 

Newsletter

Hier erfährst Du einmal in der Woche, wo Künstliche Intelligenz in das Marketing eingreift, welche Trends sich abzeichnen und wie sie Kommunikation und Medien verändert. Informativ, unterhaltsam, nachdenklich.

Schließe Dich den 1.500+ Abonnenten an, kostenlos.

Newsletter

Hier erfährst Du einmal in der Woche, wo Künstliche Intelligenz in das Marketing eingreift, welche Trends sich abzeichnen und wie sie Kommunikation und Medien verändert. Informativ, unterhaltsam, nachdenklich.

Schließe Dich den 1.500+ Abonnenten an, kostenlos.

Newsletter

Hier erfährst Du einmal in der Woche, wo Künstliche Intelligenz in das Marketing eingreift, welche Trends sich abzeichnen und wie sie Kommunikation und Medien verändert. Informativ, unterhaltsam, nachdenklich.

Schließe Dich den 1.500+ Abonnenten an, kostenlos.