Oetjen: "Zeit, sich von den GAFAs zu emanzipieren"

Interview

5 Minuten

17.02.2020

Helmut van Rinsum

Portrait von Jan Oetjen

Intelligenz ohne Daten führt zu digitalem Autismus. Das sagt Jan Oetjen, Geschäftsführer WEB.DE und GMX sowie Vorsitzender des Stiftungsrats der European netID Foundation. Ein Gespräch über minderwertige Daten, die Macht der großen digitalen Konzerne und die Unsicherheiten, die damit verbunden sind. Oetjen: "Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel."

Jan, Deine These lautet: Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird.

Jan Oetjen: Datenqualität ist der entscheidende Faktor. Intelligenz ohne Daten führt zu digitalem Autismus und tritt auf der Stelle. Das gleiche gilt für Tools für intelligentes Marketing: Sind die Daten schlecht, bringen die besten Algorithmen nichts. Dieses Problem zeigt sich auch in den Ergebnissen der aktuellen Studie „Digital Dialog Insights“, die den Zusammenhang von Datenqualität und KI untersucht. 80 Prozent der befragten Marketing-Experten sehen die Qualität der Daten für KI-Anwendungen in den nächsten zwei Jahren als größte Herausforderung. Bereits heute ist die mangelnde Qualität der verfügbaren Daten eine große Hürde. Die Experten prognostizieren deshalb eine hohe Investitionsbereitschaft in die Datenbasis.

Was kann denn falsch laufen, wenn die Algorithmen mit Daten mangelhafter Qualität gefüttert werden? 

Oetjen: Im Marketing haben mangelhafte Daten den Negativeffekt, dass Potentiale aus der  Zielgruppenoptimierung und gezielten Kundenansprache nicht gehoben werden. Daher muss die Personalisierung der Kommunikation ins Zentrum der KI-Anwendungsfelder gerückt werden. Ein großes Potenzial von KI liegt in einer Optimierung des Targetings und in einer Vereinfachung der Interaktion entlang der Customer Journey.

Was sind Kriterien für Datenqualität?

Oetjen: Wichtige Qualitätskriterien sind die Aktualität der Daten und des zugrundeliegenden Modells, die Konsistenz und Persistenz der Daten sowie die Dokumentation der Quelle. Allerdings kommt noch eine übergeordnete Ebene hinzu: Selbst wenn diese Kriterien erfüllt sind, muss laufend überprüft werden, ob Unternehmen die jeweiligen Daten überhaupt im Sinne der Datenschutzregelungen für entsprechende Marketing-Maßnahmen einsetzen dürfen.

Geht das im allgemeinen Hype um KI unter?

Oetjen: Die Gefahr ist auf jeden Fall groß. Datenverarbeitung braucht die Einwilligung der Nutzer. Diese Opt-ins lassen sich persistent in der Regel nur an einer Nutzer-ID speichern. Daher ist es Aufgabe der Anbieter, dem Nutzer die Mehrwerte für eine Personalisierung klarzumachen. Nur wenn ihn die Mehrwerte überzeugen, wird der Nutzer sein Opt-in geben.

Wie komme ich als Unternehmen zu qualitativ hochwertigen Daten?

Oetjen: Bisher waren Cookies im Internet der einzige offene und übergreifende Standard, um Daten und Identitäten zu erheben und zu speichern. Aber durch Adblocker und das verstärkte Cookie-Blocking der Browser – Safari und Firefox sind erst der Anfang – werden Cookies zur Datenanreicherung zunehmend unbrauchbar. Die Branche benötigt dringend eine Alternative, die vor allem zwei Anforderungen erfüllt: Zum einen müssen Daten, Einwilligungen und Nutzeridentitäten serverbasiert gespeichert werden können, damit die Gatekeeper-Funktion von Browsern und Betriebssystemen technisch vermieden wird. Zum anderen brauchen wir einheitliche Standards für die Erfassung von Daten sowie der zugehörigen Einwilligungen und Nutzeridentitäten, um unterschiedliche Datenquellen anreichern zu können. Mit dem Ende der Cookies ist es umso wichtiger, sich um alternative Ident-Verfahren zu kümmern oder mit Login-basierten-Lösungen zu arbeiten. Diese ermöglichen die einfache Einholung persistenter und datenschutzkonformer Opt-ins sowie Cross-Device-Advertising und unternehmensübergreifende Datenmodelle.

Facebook und Google tun sich mit ihren Walled Gardens vergleichsweise leicht...

Oetjen: Die großen Konzerne besetzen die meisten Schaltstellen der digitalen Wertschöpfungskette. Angefangen von den Betriebssystemen, App-Stores über die Browser bis hin zu den Handels-, Social- und Ad-Tech-Plattformen. Bereits beim Eintritt des Nutzers in ihre Ökosysteme sichern sie sich weitreichende Personalisierungs- und Targeting-Möglichkeiten. Diese Ökosysteme sind für Nutzer und Werbetreibende allerdings zunehmend eine „Black Box“, die von außen schwer zu überprüfen ist, angefangen bei Reichweitenmessungen bis hin zu Targeting und Werbesichtbarkeiten. Gerade wegen dieser Unsicherheiten und der fehlenden Mitbestimmung erleben wir derzeit einen Paradigmenwechsel hin zu offenen Ökosystemen. Diese werden aber nur über eine "Coopetition" der verbleibenden Marktteilnehmer funktionieren. Ähnlich wie in der Fußballwelt müssen die Spieler, die in der Bundesliga gegeneinander um die Meisterschaft kämpfen, in der Nationalmannschaft Seite an Seite spielen können. Für die digitale Werbebranche bedeutet dies, gemeinsam eine übergreifende, sichere und offene Alternative aus Europa anzubieten. Die unabhängige European netID Foundation hat deshalb den übergreifenden und offenen Login-Standard netID für sicheres ID-Management und Opt-in-Verwaltung geschaffen.

Die netID ist inzwischen für den User auf zahlreichen Internet-Angeboten eine Alternative, um sich einzuloggen. Was kommt 2020?

Oetjen: Der Login-Standard hat seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt. netID ist nun seit November 2018 online – mittlerweile haben über 70 Internet-Angebote den grünen Button integriert. Mit circa 40 Millionen Nutzern und rund 70 Partnerunternehmen aus nahezu allen Industriesegmenten hat die European netID Foundation eine breite Basis vorzuweisen. In den aktuell vier Fachbeiräten der Stiftung –  nämlich Datenschutz, E-Commerce, Financial Services sowie Publishing/Vermarktung – unterstützen 20 namhafte Unternehmen unmittelbar die Weiterentwicklung des Standards. Erste Ergebnisse werden wir im zweiten Quartal 2020 präsentieren: Mit den neuen Produkten netID Professional und netID Enterprise ermöglichen wir es künftig Werbungtreibenden, Publishern und E-Commerce-Anbietern, eine rechtskonforme Nutzereinwilligung einzuholen. Auf dieser Basis kann zum Beispiel Werbung oder Content individuell ausgespielt werden – und zwar geräteübergreifend und ohne dass sich der Nutzer auf jedem Angebot explizit einloggen muss. Damit lösen wir das im E-Commerce und bei anderen Transaktionsseiten bestehende Problem, dass die Webseite erst nach dem Login personalisiert werden kann, jedoch die Anmeldung meist am Ende des Kaufprozesses erfolgt, da man den Nutzer nicht beim Shoppen stören möchte. Das Beispiel zeigt: Die Technologien und der organisatorische Rahmen sind vorhanden. Es ist jetzt an der Branche, sich von den GAFAs zu emanzipieren und die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Jan Oetjen verantwortet das gesamte Mail- und Portalgeschäft der United Internet AG mit den in Deutschland führenden Marken GMX und WEB.DE, dem Vermarkter United Internet Media sowie der internationalen Marke mail.com.

Oetjen: "Zeit, sich von den GAFAs zu emanzipieren"

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5 Minuten

17.02.2020

Helmut van Rinsum

Portrait von Jan Oetjen

Intelligenz ohne Daten führt zu digitalem Autismus. Das sagt Jan Oetjen, Geschäftsführer WEB.DE und GMX sowie Vorsitzender des Stiftungsrats der European netID Foundation. Ein Gespräch über minderwertige Daten, die Macht der großen digitalen Konzerne und die Unsicherheiten, die damit verbunden sind. Oetjen: "Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel."

Jan, Deine These lautet: Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird.

Jan Oetjen: Datenqualität ist der entscheidende Faktor. Intelligenz ohne Daten führt zu digitalem Autismus und tritt auf der Stelle. Das gleiche gilt für Tools für intelligentes Marketing: Sind die Daten schlecht, bringen die besten Algorithmen nichts. Dieses Problem zeigt sich auch in den Ergebnissen der aktuellen Studie „Digital Dialog Insights“, die den Zusammenhang von Datenqualität und KI untersucht. 80 Prozent der befragten Marketing-Experten sehen die Qualität der Daten für KI-Anwendungen in den nächsten zwei Jahren als größte Herausforderung. Bereits heute ist die mangelnde Qualität der verfügbaren Daten eine große Hürde. Die Experten prognostizieren deshalb eine hohe Investitionsbereitschaft in die Datenbasis.

Was kann denn falsch laufen, wenn die Algorithmen mit Daten mangelhafter Qualität gefüttert werden? 

Oetjen: Im Marketing haben mangelhafte Daten den Negativeffekt, dass Potentiale aus der  Zielgruppenoptimierung und gezielten Kundenansprache nicht gehoben werden. Daher muss die Personalisierung der Kommunikation ins Zentrum der KI-Anwendungsfelder gerückt werden. Ein großes Potenzial von KI liegt in einer Optimierung des Targetings und in einer Vereinfachung der Interaktion entlang der Customer Journey.

Was sind Kriterien für Datenqualität?

Oetjen: Wichtige Qualitätskriterien sind die Aktualität der Daten und des zugrundeliegenden Modells, die Konsistenz und Persistenz der Daten sowie die Dokumentation der Quelle. Allerdings kommt noch eine übergeordnete Ebene hinzu: Selbst wenn diese Kriterien erfüllt sind, muss laufend überprüft werden, ob Unternehmen die jeweiligen Daten überhaupt im Sinne der Datenschutzregelungen für entsprechende Marketing-Maßnahmen einsetzen dürfen.

Geht das im allgemeinen Hype um KI unter?

Oetjen: Die Gefahr ist auf jeden Fall groß. Datenverarbeitung braucht die Einwilligung der Nutzer. Diese Opt-ins lassen sich persistent in der Regel nur an einer Nutzer-ID speichern. Daher ist es Aufgabe der Anbieter, dem Nutzer die Mehrwerte für eine Personalisierung klarzumachen. Nur wenn ihn die Mehrwerte überzeugen, wird der Nutzer sein Opt-in geben.

Wie komme ich als Unternehmen zu qualitativ hochwertigen Daten?

Oetjen: Bisher waren Cookies im Internet der einzige offene und übergreifende Standard, um Daten und Identitäten zu erheben und zu speichern. Aber durch Adblocker und das verstärkte Cookie-Blocking der Browser – Safari und Firefox sind erst der Anfang – werden Cookies zur Datenanreicherung zunehmend unbrauchbar. Die Branche benötigt dringend eine Alternative, die vor allem zwei Anforderungen erfüllt: Zum einen müssen Daten, Einwilligungen und Nutzeridentitäten serverbasiert gespeichert werden können, damit die Gatekeeper-Funktion von Browsern und Betriebssystemen technisch vermieden wird. Zum anderen brauchen wir einheitliche Standards für die Erfassung von Daten sowie der zugehörigen Einwilligungen und Nutzeridentitäten, um unterschiedliche Datenquellen anreichern zu können. Mit dem Ende der Cookies ist es umso wichtiger, sich um alternative Ident-Verfahren zu kümmern oder mit Login-basierten-Lösungen zu arbeiten. Diese ermöglichen die einfache Einholung persistenter und datenschutzkonformer Opt-ins sowie Cross-Device-Advertising und unternehmensübergreifende Datenmodelle.

Facebook und Google tun sich mit ihren Walled Gardens vergleichsweise leicht...

Oetjen: Die großen Konzerne besetzen die meisten Schaltstellen der digitalen Wertschöpfungskette. Angefangen von den Betriebssystemen, App-Stores über die Browser bis hin zu den Handels-, Social- und Ad-Tech-Plattformen. Bereits beim Eintritt des Nutzers in ihre Ökosysteme sichern sie sich weitreichende Personalisierungs- und Targeting-Möglichkeiten. Diese Ökosysteme sind für Nutzer und Werbetreibende allerdings zunehmend eine „Black Box“, die von außen schwer zu überprüfen ist, angefangen bei Reichweitenmessungen bis hin zu Targeting und Werbesichtbarkeiten. Gerade wegen dieser Unsicherheiten und der fehlenden Mitbestimmung erleben wir derzeit einen Paradigmenwechsel hin zu offenen Ökosystemen. Diese werden aber nur über eine "Coopetition" der verbleibenden Marktteilnehmer funktionieren. Ähnlich wie in der Fußballwelt müssen die Spieler, die in der Bundesliga gegeneinander um die Meisterschaft kämpfen, in der Nationalmannschaft Seite an Seite spielen können. Für die digitale Werbebranche bedeutet dies, gemeinsam eine übergreifende, sichere und offene Alternative aus Europa anzubieten. Die unabhängige European netID Foundation hat deshalb den übergreifenden und offenen Login-Standard netID für sicheres ID-Management und Opt-in-Verwaltung geschaffen.

Die netID ist inzwischen für den User auf zahlreichen Internet-Angeboten eine Alternative, um sich einzuloggen. Was kommt 2020?

Oetjen: Der Login-Standard hat seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt. netID ist nun seit November 2018 online – mittlerweile haben über 70 Internet-Angebote den grünen Button integriert. Mit circa 40 Millionen Nutzern und rund 70 Partnerunternehmen aus nahezu allen Industriesegmenten hat die European netID Foundation eine breite Basis vorzuweisen. In den aktuell vier Fachbeiräten der Stiftung –  nämlich Datenschutz, E-Commerce, Financial Services sowie Publishing/Vermarktung – unterstützen 20 namhafte Unternehmen unmittelbar die Weiterentwicklung des Standards. Erste Ergebnisse werden wir im zweiten Quartal 2020 präsentieren: Mit den neuen Produkten netID Professional und netID Enterprise ermöglichen wir es künftig Werbungtreibenden, Publishern und E-Commerce-Anbietern, eine rechtskonforme Nutzereinwilligung einzuholen. Auf dieser Basis kann zum Beispiel Werbung oder Content individuell ausgespielt werden – und zwar geräteübergreifend und ohne dass sich der Nutzer auf jedem Angebot explizit einloggen muss. Damit lösen wir das im E-Commerce und bei anderen Transaktionsseiten bestehende Problem, dass die Webseite erst nach dem Login personalisiert werden kann, jedoch die Anmeldung meist am Ende des Kaufprozesses erfolgt, da man den Nutzer nicht beim Shoppen stören möchte. Das Beispiel zeigt: Die Technologien und der organisatorische Rahmen sind vorhanden. Es ist jetzt an der Branche, sich von den GAFAs zu emanzipieren und die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Das Interview führte Helmut van Rinsum

Jan Oetjen verantwortet das gesamte Mail- und Portalgeschäft der United Internet AG mit den in Deutschland führenden Marken GMX und WEB.DE, dem Vermarkter United Internet Media sowie der internationalen Marke mail.com.

Oetjen: "Zeit, sich von den GAFAs zu emanzipieren"

Interview

5 Minuten

17.02.2020

Helmut van Rinsum

Portrait von Jan Oetjen

Intelligenz ohne Daten führt zu digitalem Autismus. Das sagt Jan Oetjen, Geschäftsführer WEB.DE und GMX sowie Vorsitzender des Stiftungsrats der European netID Foundation. Ein Gespräch über minderwertige Daten, die Macht der großen digitalen Konzerne und die Unsicherheiten, die damit verbunden sind. Oetjen: "Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel."

Jan, Deine These lautet: Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird.

Jan Oetjen: Datenqualität ist der entscheidende Faktor. Intelligenz ohne Daten führt zu digitalem Autismus und tritt auf der Stelle. Das gleiche gilt für Tools für intelligentes Marketing: Sind die Daten schlecht, bringen die besten Algorithmen nichts. Dieses Problem zeigt sich auch in den Ergebnissen der aktuellen Studie „Digital Dialog Insights“, die den Zusammenhang von Datenqualität und KI untersucht. 80 Prozent der befragten Marketing-Experten sehen die Qualität der Daten für KI-Anwendungen in den nächsten zwei Jahren als größte Herausforderung. Bereits heute ist die mangelnde Qualität der verfügbaren Daten eine große Hürde. Die Experten prognostizieren deshalb eine hohe Investitionsbereitschaft in die Datenbasis.

Was kann denn falsch laufen, wenn die Algorithmen mit Daten mangelhafter Qualität gefüttert werden? 

Oetjen: Im Marketing haben mangelhafte Daten den Negativeffekt, dass Potentiale aus der  Zielgruppenoptimierung und gezielten Kundenansprache nicht gehoben werden. Daher muss die Personalisierung der Kommunikation ins Zentrum der KI-Anwendungsfelder gerückt werden. Ein großes Potenzial von KI liegt in einer Optimierung des Targetings und in einer Vereinfachung der Interaktion entlang der Customer Journey.

Was sind Kriterien für Datenqualität?

Oetjen: Wichtige Qualitätskriterien sind die Aktualität der Daten und des zugrundeliegenden Modells, die Konsistenz und Persistenz der Daten sowie die Dokumentation der Quelle. Allerdings kommt noch eine übergeordnete Ebene hinzu: Selbst wenn diese Kriterien erfüllt sind, muss laufend überprüft werden, ob Unternehmen die jeweiligen Daten überhaupt im Sinne der Datenschutzregelungen für entsprechende Marketing-Maßnahmen einsetzen dürfen.

Geht das im allgemeinen Hype um KI unter?

Oetjen: Die Gefahr ist auf jeden Fall groß. Datenverarbeitung braucht die Einwilligung der Nutzer. Diese Opt-ins lassen sich persistent in der Regel nur an einer Nutzer-ID speichern. Daher ist es Aufgabe der Anbieter, dem Nutzer die Mehrwerte für eine Personalisierung klarzumachen. Nur wenn ihn die Mehrwerte überzeugen, wird der Nutzer sein Opt-in geben.

Wie komme ich als Unternehmen zu qualitativ hochwertigen Daten?

Oetjen: Bisher waren Cookies im Internet der einzige offene und übergreifende Standard, um Daten und Identitäten zu erheben und zu speichern. Aber durch Adblocker und das verstärkte Cookie-Blocking der Browser – Safari und Firefox sind erst der Anfang – werden Cookies zur Datenanreicherung zunehmend unbrauchbar. Die Branche benötigt dringend eine Alternative, die vor allem zwei Anforderungen erfüllt: Zum einen müssen Daten, Einwilligungen und Nutzeridentitäten serverbasiert gespeichert werden können, damit die Gatekeeper-Funktion von Browsern und Betriebssystemen technisch vermieden wird. Zum anderen brauchen wir einheitliche Standards für die Erfassung von Daten sowie der zugehörigen Einwilligungen und Nutzeridentitäten, um unterschiedliche Datenquellen anreichern zu können. Mit dem Ende der Cookies ist es umso wichtiger, sich um alternative Ident-Verfahren zu kümmern oder mit Login-basierten-Lösungen zu arbeiten. Diese ermöglichen die einfache Einholung persistenter und datenschutzkonformer Opt-ins sowie Cross-Device-Advertising und unternehmensübergreifende Datenmodelle.

Facebook und Google tun sich mit ihren Walled Gardens vergleichsweise leicht...

Oetjen: Die großen Konzerne besetzen die meisten Schaltstellen der digitalen Wertschöpfungskette. Angefangen von den Betriebssystemen, App-Stores über die Browser bis hin zu den Handels-, Social- und Ad-Tech-Plattformen. Bereits beim Eintritt des Nutzers in ihre Ökosysteme sichern sie sich weitreichende Personalisierungs- und Targeting-Möglichkeiten. Diese Ökosysteme sind für Nutzer und Werbetreibende allerdings zunehmend eine „Black Box“, die von außen schwer zu überprüfen ist, angefangen bei Reichweitenmessungen bis hin zu Targeting und Werbesichtbarkeiten. Gerade wegen dieser Unsicherheiten und der fehlenden Mitbestimmung erleben wir derzeit einen Paradigmenwechsel hin zu offenen Ökosystemen. Diese werden aber nur über eine "Coopetition" der verbleibenden Marktteilnehmer funktionieren. Ähnlich wie in der Fußballwelt müssen die Spieler, die in der Bundesliga gegeneinander um die Meisterschaft kämpfen, in der Nationalmannschaft Seite an Seite spielen können. Für die digitale Werbebranche bedeutet dies, gemeinsam eine übergreifende, sichere und offene Alternative aus Europa anzubieten. Die unabhängige European netID Foundation hat deshalb den übergreifenden und offenen Login-Standard netID für sicheres ID-Management und Opt-in-Verwaltung geschaffen.

Die netID ist inzwischen für den User auf zahlreichen Internet-Angeboten eine Alternative, um sich einzuloggen. Was kommt 2020?

Oetjen: Der Login-Standard hat seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt. netID ist nun seit November 2018 online – mittlerweile haben über 70 Internet-Angebote den grünen Button integriert. Mit circa 40 Millionen Nutzern und rund 70 Partnerunternehmen aus nahezu allen Industriesegmenten hat die European netID Foundation eine breite Basis vorzuweisen. In den aktuell vier Fachbeiräten der Stiftung –  nämlich Datenschutz, E-Commerce, Financial Services sowie Publishing/Vermarktung – unterstützen 20 namhafte Unternehmen unmittelbar die Weiterentwicklung des Standards. Erste Ergebnisse werden wir im zweiten Quartal 2020 präsentieren: Mit den neuen Produkten netID Professional und netID Enterprise ermöglichen wir es künftig Werbungtreibenden, Publishern und E-Commerce-Anbietern, eine rechtskonforme Nutzereinwilligung einzuholen. Auf dieser Basis kann zum Beispiel Werbung oder Content individuell ausgespielt werden – und zwar geräteübergreifend und ohne dass sich der Nutzer auf jedem Angebot explizit einloggen muss. Damit lösen wir das im E-Commerce und bei anderen Transaktionsseiten bestehende Problem, dass die Webseite erst nach dem Login personalisiert werden kann, jedoch die Anmeldung meist am Ende des Kaufprozesses erfolgt, da man den Nutzer nicht beim Shoppen stören möchte. Das Beispiel zeigt: Die Technologien und der organisatorische Rahmen sind vorhanden. Es ist jetzt an der Branche, sich von den GAFAs zu emanzipieren und die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

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