Künstliche Intelligenz und das Metaverse  

Welche Auswirkungen haben die jüngsten KI-Tools auf das Metaverse? Simon Graff, Vorsitzender der  XR-Standortinitiative nextReality.Hamburg e.V., beschreibt in einem Fachbeitrag, wie Deep Learning Systeme die Entwicklung immersiver Welten befeuern können. 

Anmerkung zum Foto (Midjourney/Simon Graff): Es ist ein auf Textanweisungen basierendes, digitales Bild, kreiert mit dem AI-Tool Midjourney.

Welche schöpferische Kraft Künstliche Intelligenz umfasst, zeigt sich spätestens seit Einführung der Sprach-KI ChatGPT. Von DALL-E über Midjourney bis Stable Diffusion fluten zahlreiche KI-Tools die Digitallandschaft. Sie verfassen Texte und entwerfen Illustrationen mithilfe einfacher Sprachbefehle und auf Basis von Deep Learning, einem künstlichen, neuronalen Netz, das dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist.

Nahezu unbegrenzt scheinen die Einsatzmöglichkeiten. Generative KI ist längst kein Scifi-Märchen mehr, sondern beeinflusst im Gegenteil spürbar die reale Welt. Sie treibt die digitale Fortentwicklung mit revolutionärer Kraft voran. Auch das Metaverse als Zukunftsvision der Tech-Branche nimmt unter Einflussnahme Künstlicher Intelligenz Gestalt an. Wo KI-Tools das Potenzial bergen, ganze Welten und 3D-Assets auf Grundlage von Textbeschreibungen zum Leben zu erwecken, wächst die Chance, den Bedarf der virtuellen Welt nach Inhalten vollständig zu decken.

KI, bau mir eine Utopie

Meta macht es vor. Bereits im letzten Jahr stellte der Tech-Riese den Prototypen seines sogenannten Builder Bots vor. Das generative AI-Tool ermöglicht es den Usern des Horizon ″Metaverse″ in naher Zukunft, den virtuellen Kosmos per Sprachbeschreibung aktiv und kreativ mitzugestalten. Wo bisher ein erheblicher Entwicklungsaufwand das zügige Wachstum immersiver Räume behindert, formen generative KI-Systeme Templates virtueller Welten außerordentlich zeiteffizient. Langwierige Prozesse, darunter die Erstellung von Assets, User Experience Design und iterativer Tests, fallen künftig in das Aufgabengebiet Künstlicher Intelligenz. Das schafft auf User-Seite Raum für gestalterische Entfaltung en détail, die dem Metaverse einen finalen, von Menschenhand gem,achten Anstrich verleihen. 

Digital trifft divers 

Perspektivisch erleichtern Deep Learning KI-Services auf diesem Weg interessierten Nutzer:innen den Einstieg ins Metaverse, während tech- wie kreativgetriebene Profis vor neu gewonnener Innovationskraft und Experimentierfreude strotzen. Auf Langstrecke zahlt eine Vereinfachung der Metavers‘schen Rahmenbedingungen und Spielregeln durch KI so erheblich auf Vielfalt und Realismus immersiver Welten ein. Auch die Dematerialisierung von Kleidung und Accessoires kurbelt der digitale Zwilling des menschlichen Neurosystems durch eine Verschlankung der Design-Prozesse an. Auf Grundlage ausgesuchter Kriterien schneidert generative KI einzigartige und personalisierte Mode auf den Avatar-Leib, ganz dem Stil und den Vorlieben des Charakters entsprechend. Automatisierte Prozesse begünstigen die Entstehung einer interaktiven und bunten Spielwiese, die Diversität zelebriert. 

Mein Freund, der Virtual Assistent 

Es bleibt ein Schlagabtausch unter den Big Playern der Tech-Industrie: Microsoft nimmt ChatGPT beim Azure OpenAI Service auf und strebt auf lange Sicht die Integration des KI-Tools in die Suchmaschine Bing an. Damit hebt der Konzern das Verständnis der Mensch-Computer-Beziehung auf ein neues Level. Wenn Virtual Assistents in Zukunft als digitaler Sparringspartner die Needs der Nutzer:innen ansatzweise verstehen und nicht länger statisch, sondern individuell darauf reagieren, dann steckt darin auch ein großer Benefit für die Weiterentwicklung von Nicht-Spieler-Charakteren, kurz NPC, im Metaverse. Diese bevölkern immersive Welten, leiten spielergesteuerte Avatare durch virtuelle Räume, beantworten deren Fragen und vermitteln Informationen. 

Bisher geschieht das mittels vorgefertigter Dialogbäume und Chat Bots, die die Dynamik eines realen Gesprächs lediglich andeuten. Perspektivisch ermöglicht es generative KI den virtuellen Assistenten, intuitiv und menschenähnlich auf Bedürfnisse und Anforderungen ihrer User:innen einzugehen. Gestützt auf eine Technologie aus natürlicher Sprachverarbeitung und kontinuierlicher Leistungsoptimierung, erlaubt das Tool eine qualitativ hochwertige und authentische Interaktion im virtuellen Raum. Daneben entbinden KI-gesteuerte Virtual Assistents die Nutzer:innen anteilig von administrativen Aufgaben im Metaverse und führen diese automatisiert durch. 

Hier bahnt sich eine neue Interpretation des Storytellings an, das Künstliche Intelligenz und Handlungsdynamik miteinander vereint und gleichzeitig das immersive Erlebnis beflügelt. 

Vision trifft Realität

Generative KI-Systeme kreieren Rahmenbedingen und Vorlagen virtueller Welten, die via hohem Automatisierungsgrad und verbesserter User Experience den Weg für einen niedrigschwelligen Einstieg der breiten Öffentlichkeit ins Metaverse ebnen. Schafft es die Vision eines virtuellen Kosmos aus der Tech-Nische heraus, legt das den Grundstein für eine immersiv erlebbare Realität mit hohem Beteiligungsgrad. Trotz dieser hoffnungsvollen Aussichten stehen die Branchenakteure aktuell noch vor großen Herausforderungen. Die riesigen Daten-Pools der KI-Tools sind von möglichem Datenmissbrauch durch Dritte gefährdet, die hochkomplexen KI-Modelle und -Algorithmen noch lückenhaft und in ihrer Funktion ausbaufähig. 

Abseits technischer Komponenten braucht es Regulierungen und die Etablierung ethischer Standards, um der Übertragung ungesunder gesellschaftlicher Strukturen und Diskriminierung ins Ökosystem Metaverse vorzubeugen. Good things take time – so hält es sich auch mit dem Zukunftsbild des Metaverse und seiner Schnittstelle zur KI. 

Simon Graff studierte Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg und arbeitete über fünf Jahre in einigen Hamburger Medienagenturen. Seit 2017 gehört er zum Gründungsteam der XR-Standortinitiative nextReality.Hamburg e.V., deren Vorsitz er seit 2019 innehat. Graff ist Experte in XR-Ökosystemen und zudem versiert in den Gebieten Blockchain, Kryptowährung und NFTs.