Audio-Streaming: Führt KI zu einem Vertrauensverlust?

Audio-Streaming: Führt KI zu einem Vertrauensverlust?

Interview

4 Minuten

10.12.2025

Künstliche Intelligenz komponiert, produziert und beeinflusst zunehmend die Streaming-Charts. Was bedeutet das für echte Musiker:innen und die Plattformen selbst? Mareile Heineke, DACH-Chefin der HiRes-Musikplattform Qobuz, spricht im Interview über Reichweitenbetrug, Kennzeichnungspflicht und die Frage, warum jetzt menschliche Kuration wichtiger denn je ist.

„The Velvet Sundown“ hat gezeigt, wie schnell KI-Musik enorme Reichweite erzielen kann – über eine Million Hörer in nur wenigen Wochen. Was bedeutet diese Entwicklung für die Glaubwürdigkeit von Streaming-Plattformen?

Der Fall zeigt sehr deutlich, wie verletzlich Streaming-Plattformen gegenüber Manipulation und künstlicher Reichweitensteigerung geworden sind. Wenn Inhalte, die nicht von Menschen geschaffen wurden, plötzlich massenhaft ausgespielt werden, stellt das die Glaubwürdigkeit der Empfehlungsmechanismen grundsätzlich infrage. Nutzer:innen erwarten, dass Empfehlungen auf den Musikplattformen ein authentisches Bild des Musikgeschehens widerspiegeln und „echte“ Künstler:innen in den Vordergrund stellen, die etwa ihren Musikvorlieben entsprechen. Sobald KI-generierte Titel diese Strukturen verzerren, entsteht ein Vertrauensproblem, das die gesamte Branche betrifft. Gleichzeitig stehen wir vor einer schlichten Realität: Wir erhalten täglich Tausende neuer Titel, aber auch unser Tag hat nur 24 Stunden – die Zeit, die Menschen für echte musikalische Neuentdeckung aufbringen können, wird immer knapper. In diesem Meer aus Titeln liegt die eigentliche Frage doch darin, worauf wir uns verlassen möchten. Ist nicht oft der beste Rat derjenige, der von Freunden, Musiker:innen oder erfahrenen Kurator:innen kommt? Dieses Bedürfnis nach Orientierung zeigt, dass menschliche Auswahl und Kontext weiterhin eine zentrale Rolle spielen sollten und vielleicht einen Lösungsansatz darstellen.

Du hast selbst betont, dass KI-Musik aktuell häufig für Streaming-Betrug eingesetzt wird. Wie groß ist dieses Problem wirklich?

Das Problem ist größer, als viele denken. Wir erhalten pro Woche rund 100.000 bis 600.000 neue Tracks, wovon 30 bis 40 Prozent KI-generiert sind. Der wirtschaftliche Schaden geht bereits in die Milliarden und betrifft vor allem Künstler:innen, deren reale Streams dadurch verdrängt werden. Besonders kritisch ist, dass sich diese Formen des Betrugs rasant weiterentwickeln: KI erleichtert die massenhafte Produktion neuer Titel und macht es zunehmend schwer, Manipulationen zuverlässig zu erkennen. Was früher noch durch schlechte Qualität oder kurze Tracklängen auffiel, lässt sich heute deutlich schwerer identifizieren. Eine aktuelle Umfrage von Ipsos/Deezer zeigt, dass die meisten Menschen nicht erkennen können, ob ein Lied von einer KI oder einem Menschen stammt. Für die gesamte Branche bedeutet das, dass technische und regulatorische Maßnahmen zwingend mitwachsen müssen, um Fairness und verlässliche Auszahlungsmodelle zu schützen. Aus meiner Erfahrung weiß ich aber auch, dass es entscheidend ist, wie konsequent eine Streamingplattform damit umgeht. Sie sollten künstlich erzeugte Streams identifizieren können und wachsam sein, diese zu entfernen. So wird sichergestellt, dass die Vergütung tatsächlich bei den Musikschaffenden ankommt.

KI-Inhalte dürfen Künstler nicht verdrängen

Viele Hörer wissen oft gar nicht, dass sie gerade KI-generierte Songs hören. Brauchen wir deiner Meinung nach eine klare Kennzeichnungspflicht für KI-Musik auf allen großen Plattformen?

Absolut. Transparenz ist entscheidend, um die Wahl der Hörer:innen zu respektieren. Sie verlangen danach. Sie sollten nachvollziehen können, ob sie Musik eines menschlichen Urhebers oder ein KI-Produkt hören. Ohne solche Hinweise verzerren wir nicht nur die Wahrnehmung der Nutzer:innen, sondern auch Marktmechanismen wie Charts, Empfehlungen oder Tantiemenmodelle. Gleichzeitig darf man sich nichts vormachen: Eine Kennzeichnungspflicht wäre technisch und organisatorisch anspruchsvoll, denn KI entwickelt sich schneller, als Regulierungen greifen können. Dennoch halte ich sie für einen wichtigen Schritt, um Orientierung zu schaffen. In der Praxis zeigt sich, dass Plattformen, die redaktionell kuratieren oder KI generierte Musik kennzeichnen, mehr Transparenz schaffen und Vertrauen generieren können bei den Hörenden. Außerdem sollten KI-Unternehmen ihre Modelle nicht mit Inhalten trainieren dürfen, die urheberrechtlich geschützt sind.

Die Flut an KI-Inhalten wirft die Frage auf, wie echte Künstler sichtbar bleiben können. Welche Verantwortung haben Streaming-Dienste, um handwerkliche Musik vor der Masse algorithmischer Inhalte zu schützen?

Plattformen tragen die Verantwortung, das musikalische Ökosystem zu bewahren und die Sichtbarkeit  „echter“ Musik zu sichern. Wenn KI-Inhalte in immer größerer Menge auf die Plattformen drängen, müssen sie Regeln und Mechanismen schaffen, die verhindern, dass menschliche Kreativität untergeht. Dazu gehören Transparenz, KI-Tracks aus den Empfehlungen zu entfernen und vor allem kuratorische Entscheidungen, die sicherstellen, dass Qualität nicht von Masse verdrängt wird. Sie sollten überlegen, wie sie ein wirksames Gegengewicht zu rein algorithmischen Empfehlungsstrukturen schaffen können und dem Publikum Orientierung in einer zunehmend überfüllten Musiklandschaft bieten. Ich finde es wichtig, dass auch weniger bekannte Künstler:innen Aufmerksamkeit bekommen. Gerade das macht doch die Vielfalt und Einzigartigkeit unserer menschlichen Musiklandschaft aus. Wir sollten aufstrebende Künstler:innen fördern, anstatt sie von KI-Inhalten verdrängen zu lassen.

Eine faire Vergütung wird durch KI schwieriger

Qobuz unterscheidet sich von anderen Plattformen durch personalisierte Musikangebote und hohe Künstlervergütung. Ist das auch eine bewusste Abgrenzung gegenüber der aktuellen Entwicklung im Bereich KI-Musik?

Ja, in gewisser Weise ist das eine bewusste Abgrenzung — aber eigentlich ist es etwas, das Qobuz schon immer ausgezeichnet hat. Unser Ansatz basiert seit jeher auf Respekt gegenüber Künstler:innen, einer fairen Vergütung und einer klaren, menschlichen Kuration. KI beschleunigt lediglich eine Entwicklung, die wir schon lange beobachten: Je mehr Musik automatisiert entsteht, desto wichtiger wird ein Angebot, das auf Authentizität und künstlerischer Integrität beruht. In diesem Sinne stärkt der KI-Trend eher unsere Positionierung. Während viele Plattformen stark auf Masse setzen, verstehen wir uns als Gegenmodell: als Ort, an dem musikalische Qualität und echte künstlerische Handschrift sichtbar bleiben.

Die Ausschüttung von Urheberrechten im Streaming ist seit Langem ein Kritikpunkt. Nun kommt KI-Musik hinzu, die enorme Zahlen erzielt, ohne menschliche Urheberschaft. Wie lässt sich in diesem Umfeld ein faires Vergütungssystem für Künstler gewährleisten?

Ein faires Vergütungssystem wird zunehmend schwieriger, weil KI-generierte Inhalte die gleichen Mechanismen nutzen wie menschliche Musik – allerdings ohne den kreativen Ansatz dahinter. Wenn solche Titel enorme Reichweiten erzielen, verschiebt das nicht nur Marktanteile, sondern schmälert die Ausschüttungen für reale Künstler:innen. Deshalb braucht es klare Regeln: Wer ist der Urheber? Welche Rolle spielt KI im Produktionsprozess? Und wie werden solche Inhalte in den Vergütungsmodellen berücksichtigt? Bei Qobuz machen wir keine Kompromisse, wenn es um die Einhaltung von Urheberrechten geht. Unsere Bedingungen verlangen die Zustimmung der Rechteinhaber für jede KI-Nutzung von Inhalten. Wir entfernen gemeldete problematische Titel umgehend. Und solange die Rechte gewahrt sind, bleibt der Kern unserer und meiner Philosophie klar: Musik ist in erster Linie eine menschliche Kunstform. Ein Vergütungssystem, das diesen Wert schützt, ist entscheidend für die Zukunft der Branche.

KI kann Musiker unterstützen

Blick in die Zukunft: KI kann auch kreativ eingesetzt werden. Kannst du dir vorstellen, dass Qobuz eines Tages KI-Musik akzeptiert – wenn sie transparent gekennzeichnet und künstlerisch kuratiert ist – oder bleibt das ausgeschlossen?

Meiner Meinung nach sollte KI-Musik dann akzeptiert werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: vollständige Transparenz über ihre Entstehung und ein klar geregelter Umgang mit Urheberrechten. Wir sollten immer das Urheberrecht respektieren, unabhängig von der Entstehungsweise. Ohne diese Grundlagen verlieren wir jedes Verständnis dafür, wer eigentlich wofür vergütet wird und das ist für ein funktionierendes Ökosystem essenziell. Gleichzeitig glaube ich, dass KI an einen Punkt kommt, an dem sie kreativ unterstützen, aber den menschlichen Ausdruck nicht ersetzen kann. Musik entsteht für mich nicht nur aus Technik, sondern aus Erfahrung, Kontext und Identität. KI kann Strukturen generieren, hat aber keine biografische Tiefe oder künstlerische Handschrift. Deshalb sehe ich KI-Musik eher als Ergänzung oder Experimentierfeld, nicht als Ersatz für das, was Menschen geschaffen haben und weiterhin schaffen werden. Musik ist und bleibt eine menschliche Kunstform, die Menschen miteinander verbindet.

Interview: Helmut van Rinsum

Mareile Heineke studierte Germanistik und Kunstwissenschaften an der Universität Bremen, bevor sie im Bereich der Erneuerbaren Energien als Eventmanagerin tätig war. Seit 2015 ist Mareile Heineke als Country Managerin für die DACH-Region von Qobuz verantwortlich und leitet in dieser Rolle die strategische Ausrichtung sowie das Wachstum von Qobuz auf dem deutschsprachigen Markt.

„The Velvet Sundown“ hat gezeigt, wie schnell KI-Musik enorme Reichweite erzielen kann – über eine Million Hörer in nur wenigen Wochen. Was bedeutet diese Entwicklung für die Glaubwürdigkeit von Streaming-Plattformen?

Der Fall zeigt sehr deutlich, wie verletzlich Streaming-Plattformen gegenüber Manipulation und künstlicher Reichweitensteigerung geworden sind. Wenn Inhalte, die nicht von Menschen geschaffen wurden, plötzlich massenhaft ausgespielt werden, stellt das die Glaubwürdigkeit der Empfehlungsmechanismen grundsätzlich infrage. Nutzer:innen erwarten, dass Empfehlungen auf den Musikplattformen ein authentisches Bild des Musikgeschehens widerspiegeln und „echte“ Künstler:innen in den Vordergrund stellen, die etwa ihren Musikvorlieben entsprechen. Sobald KI-generierte Titel diese Strukturen verzerren, entsteht ein Vertrauensproblem, das die gesamte Branche betrifft. Gleichzeitig stehen wir vor einer schlichten Realität: Wir erhalten täglich Tausende neuer Titel, aber auch unser Tag hat nur 24 Stunden – die Zeit, die Menschen für echte musikalische Neuentdeckung aufbringen können, wird immer knapper. In diesem Meer aus Titeln liegt die eigentliche Frage doch darin, worauf wir uns verlassen möchten. Ist nicht oft der beste Rat derjenige, der von Freunden, Musiker:innen oder erfahrenen Kurator:innen kommt? Dieses Bedürfnis nach Orientierung zeigt, dass menschliche Auswahl und Kontext weiterhin eine zentrale Rolle spielen sollten und vielleicht einen Lösungsansatz darstellen.

Du hast selbst betont, dass KI-Musik aktuell häufig für Streaming-Betrug eingesetzt wird. Wie groß ist dieses Problem wirklich?

Das Problem ist größer, als viele denken. Wir erhalten pro Woche rund 100.000 bis 600.000 neue Tracks, wovon 30 bis 40 Prozent KI-generiert sind. Der wirtschaftliche Schaden geht bereits in die Milliarden und betrifft vor allem Künstler:innen, deren reale Streams dadurch verdrängt werden. Besonders kritisch ist, dass sich diese Formen des Betrugs rasant weiterentwickeln: KI erleichtert die massenhafte Produktion neuer Titel und macht es zunehmend schwer, Manipulationen zuverlässig zu erkennen. Was früher noch durch schlechte Qualität oder kurze Tracklängen auffiel, lässt sich heute deutlich schwerer identifizieren. Eine aktuelle Umfrage von Ipsos/Deezer zeigt, dass die meisten Menschen nicht erkennen können, ob ein Lied von einer KI oder einem Menschen stammt. Für die gesamte Branche bedeutet das, dass technische und regulatorische Maßnahmen zwingend mitwachsen müssen, um Fairness und verlässliche Auszahlungsmodelle zu schützen. Aus meiner Erfahrung weiß ich aber auch, dass es entscheidend ist, wie konsequent eine Streamingplattform damit umgeht. Sie sollten künstlich erzeugte Streams identifizieren können und wachsam sein, diese zu entfernen. So wird sichergestellt, dass die Vergütung tatsächlich bei den Musikschaffenden ankommt.

KI-Inhalte dürfen Künstler nicht verdrängen

Viele Hörer wissen oft gar nicht, dass sie gerade KI-generierte Songs hören. Brauchen wir deiner Meinung nach eine klare Kennzeichnungspflicht für KI-Musik auf allen großen Plattformen?

Absolut. Transparenz ist entscheidend, um die Wahl der Hörer:innen zu respektieren. Sie verlangen danach. Sie sollten nachvollziehen können, ob sie Musik eines menschlichen Urhebers oder ein KI-Produkt hören. Ohne solche Hinweise verzerren wir nicht nur die Wahrnehmung der Nutzer:innen, sondern auch Marktmechanismen wie Charts, Empfehlungen oder Tantiemenmodelle. Gleichzeitig darf man sich nichts vormachen: Eine Kennzeichnungspflicht wäre technisch und organisatorisch anspruchsvoll, denn KI entwickelt sich schneller, als Regulierungen greifen können. Dennoch halte ich sie für einen wichtigen Schritt, um Orientierung zu schaffen. In der Praxis zeigt sich, dass Plattformen, die redaktionell kuratieren oder KI generierte Musik kennzeichnen, mehr Transparenz schaffen und Vertrauen generieren können bei den Hörenden. Außerdem sollten KI-Unternehmen ihre Modelle nicht mit Inhalten trainieren dürfen, die urheberrechtlich geschützt sind.

Die Flut an KI-Inhalten wirft die Frage auf, wie echte Künstler sichtbar bleiben können. Welche Verantwortung haben Streaming-Dienste, um handwerkliche Musik vor der Masse algorithmischer Inhalte zu schützen?

Plattformen tragen die Verantwortung, das musikalische Ökosystem zu bewahren und die Sichtbarkeit  „echter“ Musik zu sichern. Wenn KI-Inhalte in immer größerer Menge auf die Plattformen drängen, müssen sie Regeln und Mechanismen schaffen, die verhindern, dass menschliche Kreativität untergeht. Dazu gehören Transparenz, KI-Tracks aus den Empfehlungen zu entfernen und vor allem kuratorische Entscheidungen, die sicherstellen, dass Qualität nicht von Masse verdrängt wird. Sie sollten überlegen, wie sie ein wirksames Gegengewicht zu rein algorithmischen Empfehlungsstrukturen schaffen können und dem Publikum Orientierung in einer zunehmend überfüllten Musiklandschaft bieten. Ich finde es wichtig, dass auch weniger bekannte Künstler:innen Aufmerksamkeit bekommen. Gerade das macht doch die Vielfalt und Einzigartigkeit unserer menschlichen Musiklandschaft aus. Wir sollten aufstrebende Künstler:innen fördern, anstatt sie von KI-Inhalten verdrängen zu lassen.

Eine faire Vergütung wird durch KI schwieriger

Qobuz unterscheidet sich von anderen Plattformen durch personalisierte Musikangebote und hohe Künstlervergütung. Ist das auch eine bewusste Abgrenzung gegenüber der aktuellen Entwicklung im Bereich KI-Musik?

Ja, in gewisser Weise ist das eine bewusste Abgrenzung — aber eigentlich ist es etwas, das Qobuz schon immer ausgezeichnet hat. Unser Ansatz basiert seit jeher auf Respekt gegenüber Künstler:innen, einer fairen Vergütung und einer klaren, menschlichen Kuration. KI beschleunigt lediglich eine Entwicklung, die wir schon lange beobachten: Je mehr Musik automatisiert entsteht, desto wichtiger wird ein Angebot, das auf Authentizität und künstlerischer Integrität beruht. In diesem Sinne stärkt der KI-Trend eher unsere Positionierung. Während viele Plattformen stark auf Masse setzen, verstehen wir uns als Gegenmodell: als Ort, an dem musikalische Qualität und echte künstlerische Handschrift sichtbar bleiben.

Die Ausschüttung von Urheberrechten im Streaming ist seit Langem ein Kritikpunkt. Nun kommt KI-Musik hinzu, die enorme Zahlen erzielt, ohne menschliche Urheberschaft. Wie lässt sich in diesem Umfeld ein faires Vergütungssystem für Künstler gewährleisten?

Ein faires Vergütungssystem wird zunehmend schwieriger, weil KI-generierte Inhalte die gleichen Mechanismen nutzen wie menschliche Musik – allerdings ohne den kreativen Ansatz dahinter. Wenn solche Titel enorme Reichweiten erzielen, verschiebt das nicht nur Marktanteile, sondern schmälert die Ausschüttungen für reale Künstler:innen. Deshalb braucht es klare Regeln: Wer ist der Urheber? Welche Rolle spielt KI im Produktionsprozess? Und wie werden solche Inhalte in den Vergütungsmodellen berücksichtigt? Bei Qobuz machen wir keine Kompromisse, wenn es um die Einhaltung von Urheberrechten geht. Unsere Bedingungen verlangen die Zustimmung der Rechteinhaber für jede KI-Nutzung von Inhalten. Wir entfernen gemeldete problematische Titel umgehend. Und solange die Rechte gewahrt sind, bleibt der Kern unserer und meiner Philosophie klar: Musik ist in erster Linie eine menschliche Kunstform. Ein Vergütungssystem, das diesen Wert schützt, ist entscheidend für die Zukunft der Branche.

KI kann Musiker unterstützen

Blick in die Zukunft: KI kann auch kreativ eingesetzt werden. Kannst du dir vorstellen, dass Qobuz eines Tages KI-Musik akzeptiert – wenn sie transparent gekennzeichnet und künstlerisch kuratiert ist – oder bleibt das ausgeschlossen?

Meiner Meinung nach sollte KI-Musik dann akzeptiert werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: vollständige Transparenz über ihre Entstehung und ein klar geregelter Umgang mit Urheberrechten. Wir sollten immer das Urheberrecht respektieren, unabhängig von der Entstehungsweise. Ohne diese Grundlagen verlieren wir jedes Verständnis dafür, wer eigentlich wofür vergütet wird und das ist für ein funktionierendes Ökosystem essenziell. Gleichzeitig glaube ich, dass KI an einen Punkt kommt, an dem sie kreativ unterstützen, aber den menschlichen Ausdruck nicht ersetzen kann. Musik entsteht für mich nicht nur aus Technik, sondern aus Erfahrung, Kontext und Identität. KI kann Strukturen generieren, hat aber keine biografische Tiefe oder künstlerische Handschrift. Deshalb sehe ich KI-Musik eher als Ergänzung oder Experimentierfeld, nicht als Ersatz für das, was Menschen geschaffen haben und weiterhin schaffen werden. Musik ist und bleibt eine menschliche Kunstform, die Menschen miteinander verbindet.

Interview: Helmut van Rinsum

Mareile Heineke studierte Germanistik und Kunstwissenschaften an der Universität Bremen, bevor sie im Bereich der Erneuerbaren Energien als Eventmanagerin tätig war. Seit 2015 ist Mareile Heineke als Country Managerin für die DACH-Region von Qobuz verantwortlich und leitet in dieser Rolle die strategische Ausrichtung sowie das Wachstum von Qobuz auf dem deutschsprachigen Markt.

„The Velvet Sundown“ hat gezeigt, wie schnell KI-Musik enorme Reichweite erzielen kann – über eine Million Hörer in nur wenigen Wochen. Was bedeutet diese Entwicklung für die Glaubwürdigkeit von Streaming-Plattformen?

Der Fall zeigt sehr deutlich, wie verletzlich Streaming-Plattformen gegenüber Manipulation und künstlicher Reichweitensteigerung geworden sind. Wenn Inhalte, die nicht von Menschen geschaffen wurden, plötzlich massenhaft ausgespielt werden, stellt das die Glaubwürdigkeit der Empfehlungsmechanismen grundsätzlich infrage. Nutzer:innen erwarten, dass Empfehlungen auf den Musikplattformen ein authentisches Bild des Musikgeschehens widerspiegeln und „echte“ Künstler:innen in den Vordergrund stellen, die etwa ihren Musikvorlieben entsprechen. Sobald KI-generierte Titel diese Strukturen verzerren, entsteht ein Vertrauensproblem, das die gesamte Branche betrifft. Gleichzeitig stehen wir vor einer schlichten Realität: Wir erhalten täglich Tausende neuer Titel, aber auch unser Tag hat nur 24 Stunden – die Zeit, die Menschen für echte musikalische Neuentdeckung aufbringen können, wird immer knapper. In diesem Meer aus Titeln liegt die eigentliche Frage doch darin, worauf wir uns verlassen möchten. Ist nicht oft der beste Rat derjenige, der von Freunden, Musiker:innen oder erfahrenen Kurator:innen kommt? Dieses Bedürfnis nach Orientierung zeigt, dass menschliche Auswahl und Kontext weiterhin eine zentrale Rolle spielen sollten und vielleicht einen Lösungsansatz darstellen.

Du hast selbst betont, dass KI-Musik aktuell häufig für Streaming-Betrug eingesetzt wird. Wie groß ist dieses Problem wirklich?

Das Problem ist größer, als viele denken. Wir erhalten pro Woche rund 100.000 bis 600.000 neue Tracks, wovon 30 bis 40 Prozent KI-generiert sind. Der wirtschaftliche Schaden geht bereits in die Milliarden und betrifft vor allem Künstler:innen, deren reale Streams dadurch verdrängt werden. Besonders kritisch ist, dass sich diese Formen des Betrugs rasant weiterentwickeln: KI erleichtert die massenhafte Produktion neuer Titel und macht es zunehmend schwer, Manipulationen zuverlässig zu erkennen. Was früher noch durch schlechte Qualität oder kurze Tracklängen auffiel, lässt sich heute deutlich schwerer identifizieren. Eine aktuelle Umfrage von Ipsos/Deezer zeigt, dass die meisten Menschen nicht erkennen können, ob ein Lied von einer KI oder einem Menschen stammt. Für die gesamte Branche bedeutet das, dass technische und regulatorische Maßnahmen zwingend mitwachsen müssen, um Fairness und verlässliche Auszahlungsmodelle zu schützen. Aus meiner Erfahrung weiß ich aber auch, dass es entscheidend ist, wie konsequent eine Streamingplattform damit umgeht. Sie sollten künstlich erzeugte Streams identifizieren können und wachsam sein, diese zu entfernen. So wird sichergestellt, dass die Vergütung tatsächlich bei den Musikschaffenden ankommt.

KI-Inhalte dürfen Künstler nicht verdrängen

Viele Hörer wissen oft gar nicht, dass sie gerade KI-generierte Songs hören. Brauchen wir deiner Meinung nach eine klare Kennzeichnungspflicht für KI-Musik auf allen großen Plattformen?

Absolut. Transparenz ist entscheidend, um die Wahl der Hörer:innen zu respektieren. Sie verlangen danach. Sie sollten nachvollziehen können, ob sie Musik eines menschlichen Urhebers oder ein KI-Produkt hören. Ohne solche Hinweise verzerren wir nicht nur die Wahrnehmung der Nutzer:innen, sondern auch Marktmechanismen wie Charts, Empfehlungen oder Tantiemenmodelle. Gleichzeitig darf man sich nichts vormachen: Eine Kennzeichnungspflicht wäre technisch und organisatorisch anspruchsvoll, denn KI entwickelt sich schneller, als Regulierungen greifen können. Dennoch halte ich sie für einen wichtigen Schritt, um Orientierung zu schaffen. In der Praxis zeigt sich, dass Plattformen, die redaktionell kuratieren oder KI generierte Musik kennzeichnen, mehr Transparenz schaffen und Vertrauen generieren können bei den Hörenden. Außerdem sollten KI-Unternehmen ihre Modelle nicht mit Inhalten trainieren dürfen, die urheberrechtlich geschützt sind.

Die Flut an KI-Inhalten wirft die Frage auf, wie echte Künstler sichtbar bleiben können. Welche Verantwortung haben Streaming-Dienste, um handwerkliche Musik vor der Masse algorithmischer Inhalte zu schützen?

Plattformen tragen die Verantwortung, das musikalische Ökosystem zu bewahren und die Sichtbarkeit  „echter“ Musik zu sichern. Wenn KI-Inhalte in immer größerer Menge auf die Plattformen drängen, müssen sie Regeln und Mechanismen schaffen, die verhindern, dass menschliche Kreativität untergeht. Dazu gehören Transparenz, KI-Tracks aus den Empfehlungen zu entfernen und vor allem kuratorische Entscheidungen, die sicherstellen, dass Qualität nicht von Masse verdrängt wird. Sie sollten überlegen, wie sie ein wirksames Gegengewicht zu rein algorithmischen Empfehlungsstrukturen schaffen können und dem Publikum Orientierung in einer zunehmend überfüllten Musiklandschaft bieten. Ich finde es wichtig, dass auch weniger bekannte Künstler:innen Aufmerksamkeit bekommen. Gerade das macht doch die Vielfalt und Einzigartigkeit unserer menschlichen Musiklandschaft aus. Wir sollten aufstrebende Künstler:innen fördern, anstatt sie von KI-Inhalten verdrängen zu lassen.

Eine faire Vergütung wird durch KI schwieriger

Qobuz unterscheidet sich von anderen Plattformen durch personalisierte Musikangebote und hohe Künstlervergütung. Ist das auch eine bewusste Abgrenzung gegenüber der aktuellen Entwicklung im Bereich KI-Musik?

Ja, in gewisser Weise ist das eine bewusste Abgrenzung — aber eigentlich ist es etwas, das Qobuz schon immer ausgezeichnet hat. Unser Ansatz basiert seit jeher auf Respekt gegenüber Künstler:innen, einer fairen Vergütung und einer klaren, menschlichen Kuration. KI beschleunigt lediglich eine Entwicklung, die wir schon lange beobachten: Je mehr Musik automatisiert entsteht, desto wichtiger wird ein Angebot, das auf Authentizität und künstlerischer Integrität beruht. In diesem Sinne stärkt der KI-Trend eher unsere Positionierung. Während viele Plattformen stark auf Masse setzen, verstehen wir uns als Gegenmodell: als Ort, an dem musikalische Qualität und echte künstlerische Handschrift sichtbar bleiben.

Die Ausschüttung von Urheberrechten im Streaming ist seit Langem ein Kritikpunkt. Nun kommt KI-Musik hinzu, die enorme Zahlen erzielt, ohne menschliche Urheberschaft. Wie lässt sich in diesem Umfeld ein faires Vergütungssystem für Künstler gewährleisten?

Ein faires Vergütungssystem wird zunehmend schwieriger, weil KI-generierte Inhalte die gleichen Mechanismen nutzen wie menschliche Musik – allerdings ohne den kreativen Ansatz dahinter. Wenn solche Titel enorme Reichweiten erzielen, verschiebt das nicht nur Marktanteile, sondern schmälert die Ausschüttungen für reale Künstler:innen. Deshalb braucht es klare Regeln: Wer ist der Urheber? Welche Rolle spielt KI im Produktionsprozess? Und wie werden solche Inhalte in den Vergütungsmodellen berücksichtigt? Bei Qobuz machen wir keine Kompromisse, wenn es um die Einhaltung von Urheberrechten geht. Unsere Bedingungen verlangen die Zustimmung der Rechteinhaber für jede KI-Nutzung von Inhalten. Wir entfernen gemeldete problematische Titel umgehend. Und solange die Rechte gewahrt sind, bleibt der Kern unserer und meiner Philosophie klar: Musik ist in erster Linie eine menschliche Kunstform. Ein Vergütungssystem, das diesen Wert schützt, ist entscheidend für die Zukunft der Branche.

KI kann Musiker unterstützen

Blick in die Zukunft: KI kann auch kreativ eingesetzt werden. Kannst du dir vorstellen, dass Qobuz eines Tages KI-Musik akzeptiert – wenn sie transparent gekennzeichnet und künstlerisch kuratiert ist – oder bleibt das ausgeschlossen?

Meiner Meinung nach sollte KI-Musik dann akzeptiert werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: vollständige Transparenz über ihre Entstehung und ein klar geregelter Umgang mit Urheberrechten. Wir sollten immer das Urheberrecht respektieren, unabhängig von der Entstehungsweise. Ohne diese Grundlagen verlieren wir jedes Verständnis dafür, wer eigentlich wofür vergütet wird und das ist für ein funktionierendes Ökosystem essenziell. Gleichzeitig glaube ich, dass KI an einen Punkt kommt, an dem sie kreativ unterstützen, aber den menschlichen Ausdruck nicht ersetzen kann. Musik entsteht für mich nicht nur aus Technik, sondern aus Erfahrung, Kontext und Identität. KI kann Strukturen generieren, hat aber keine biografische Tiefe oder künstlerische Handschrift. Deshalb sehe ich KI-Musik eher als Ergänzung oder Experimentierfeld, nicht als Ersatz für das, was Menschen geschaffen haben und weiterhin schaffen werden. Musik ist und bleibt eine menschliche Kunstform, die Menschen miteinander verbindet.

Interview: Helmut van Rinsum

Mareile Heineke studierte Germanistik und Kunstwissenschaften an der Universität Bremen, bevor sie im Bereich der Erneuerbaren Energien als Eventmanagerin tätig war. Seit 2015 ist Mareile Heineke als Country Managerin für die DACH-Region von Qobuz verantwortlich und leitet in dieser Rolle die strategische Ausrichtung sowie das Wachstum von Qobuz auf dem deutschsprachigen Markt.

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